Zusammenfassung
Die vorliegende Studie widmet sich der Entwicklung schulischer Kompetenzen sowie der Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit und ohne gymnasiale Übergangsempfehlung. In Ergänzung werden ferner die Daten von Haupt- und Realschülerinnen und -schülern in die Betrachtung einbezogen. Die Analysen beziehen sich auf Daten der vierten bis siebten Klassenstufe aus der Bamberger Längsschnittstudie BiKS-8-14 („Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter“). Die Ergebnisse zeigen am Ende der siebten Klassenstufe deutliche Kompetenzunterschiede in den Bereichen Mathematik und Lesen zwischen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit beziehungsweise ohne gymnasiale Schullaufbahnempfehlung. Auch scheinen mittlere Kompetenzunterschiede zwischen Klassenstufe 4 und 7 nicht abzunehmen. Für das Fähigkeitsselbstkonzept Mathematik sowie die Schulnoten in den Fächern Deutsch und Mathematik können am Ende der siebten Klassenstufe ebenso statistisch bedeutsame Unterschiede gezeigt werden. Die Ergebnisse werden diskutiert vor dem Hintergrund der Frage nach Kosten‑/Nutzenaspekten bestimmter Schulformentscheidungen.
Abstract
This paper compares the academic competence of upper-track students in secondary school who have an upper-track school recommendation with students who also attend upper-track schools but without an upper-track school recommendation. Additionally, non-academic track students are considered. We focused on two outcomes: students’ school competences and students’ self-concept. The analyses are based on data from fourth- and seventh-grade students in the BiKS-8-14 panel study. Results indicated substantial differences in mathematics and reading competence between students attending upper-track schools with and without an upper-track school recommendation. Furthermore, there were no signs of a decreasing competence gap between grade 4 and grade 7. With regard to students’ self-concept in mathematics as well as German and mathematics grades at the end of grade 7, we also found significant differences between students with and without upper-track school recommendation. Our findings are discussed in light of the costs and benefits of attending different school tracks.
Notes
vgl. Codebücher zur BiKS-Studie: https://doi.org/10.5159/IQB_BIKS_8_14_v1 (Stand: 12. Januar 2015); Angaben zur Reliabilität/internen Konsistenz der Skalen beziehen sich jeweils auf die verfügbaren Daten der gesamten Untersuchungsstichprobe.
Um abzuschätzen inwiefern ein Drop-out mit systematischen Verzerrungen in den Parameterschätzungen einhergeht, wurden ergänzend zu den 529 Schülerinnen und Schüler der Analysestichprobe die fünffach imputierten Daten weiterer 249 Schülerinnen und Schüler, für die ein Ausfall vor Klassenstufe 7 bzw. eine Nichtteilnahme an der Testung zu Klassenstufe 7 zu verzeichnen war, in einer Zusatzanalyse berücksichtigt. Im Hinblick auf die interessierenden Unterschiede zwischen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit und ohne Gymnasialempfehlung bzw. zwischen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit Haupt- und Realschülerinnen und -schülern, beide ohne Gymnasialempfehlung, ergaben sich im Sinne der statistischen Signifikanz (p-Wert kleiner 0,05 vs. p-Wert größer 0,05, nicht signifikant) vier Abweichungen. In zwei Fällen wurde ein vorher nicht signifikanter Effekt signifikant (Tabelle 2, Spalte 5, Fähigkeitsselbstkonzept Lesen: B = 0,28, p < 0,05 statt B = 0,23, ns; sowie Tabelle 2, Spalte 7, Fähigkeitsselbstkonzept Rechnen: B = 0,38, p < 0,05 statt B = 0,15, ns). In zwei Fällen wurde ein vorher signifikanter Effekt nicht signifikant (Tabelle 3, Spalte 4, Mathematiknote: B = –0,37, ns statt B = –0,38, p < 0,05; Tabelle 4, Spalte 2, mathematische Kompetenz: B = 1,85, ns statt B = 3,09, p < 0,05). Die Unterschiede in diesen vier Fällen in der statistischen Signifikanz der Ergebnisse sollten allerdings unseres Erachtens nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in allen vier Fällen die absoluten Koeffizienten immer die gleichen Vorzeichen aufwiesen und auch in ihrer Größe durchaus vergleichbar waren.
Literatur
Amelang, M., & Schmidt-Atzert, L. (2006). Psychologische Diagnostik und Intervention. Heidelberg: Springer.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2014). Bildung in Deutschland 2014. Bielefeld: wbv.
Baeriswyl, F., Trautwein, U., Wandeler, C., & Lüdtke, O. (2009). Wie gut prognostizieren subjektive Lehrerempfehlungen und schulische Testleistungen beim Übertritt die Mathematik- und Deutschleistung in der Sekundarstufe I? In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.), Bildungsentscheidungen (S. 352–372). Wiesbaden: VS.
Baeriswyl, F., Wandeler, C., & Trautwein, U. (2011). Auf einer anderen Schule oder bei einer anderen Lehrkraft hätte es für’s Gymnasium gereicht. Eine Untersuchung zur Bedeutung von Schulen und Lehrkräften für die Übertrittsempfehlung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 25, 39–47.
Baumert, J. (2006). Was wissen wir über die Entwicklung von Schulleistungen? Pädagogik, 58, 40–46.
Baumert, J., Lehmann, R. H., Lehrke, M., Clausen, M., Hosenfeld, I., & Neubrand, J. (Hrsg.). (1998). Testaufgaben Mathematik TIMSS 7./8. Klasse (Population 2). Berlin: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Baumert, J., Trautwein, U., & Artelt, C. (2003). Schulumwelten – institutionelle Bedingungen des Lehrens und Lernens. In J. Baumert, C. Artelt, E. Klieme, M. Neubrand, M. Prenzel, U. Schiefele, W. Schneider, K.-J. Tillmann, & M. Weiß (Hrsg.), PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland (S. 261–332). Opladen: Leske & Budrich.
Baumert, J., Stanat, P., & Watermann, R. (2006). Schulstruktur und die Entstehung differenzieller Lern- und Entwicklungsmilieus. In J. Baumert, P. Stanat, & R. Watermann (Hrsg.), Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungssystem (S. 95–188). Wiesbaden: VS.
Bortz, J., & Döring, N. (2002). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer.
Bos, W., Voss, A., Lankes, E.-M., Schwippert, K., Thiel, O., & Valtin, R. (2004). Schullaufbahempfehlungen von Lehrkräften für Kinder am Ende der vierten Jahrgangsstufe. In W. Bos, E.-M. Lankes, M. Prenzel, K. Schwippert, R. Valtin, & G. Walther (Hrsg.), Einige Länder der Bundesrepublik Deutschland im nationalen und internationalen Vergleich (S. 191–228). Münster: Waxmann.
Ditton, H., Krüsken, J., & Schauenberg, M. (2005). Bildungsungleichheit – der Beitrag von Familie und Schule. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 8, 285–304.
Füssel, H.-P., Gresch, C., Baumert, J., & Maaz, K. (2010). Der institutionelle Kontext von Übergangsentscheidungen: Rechtliche Regelungen und die Schulformwahl am Ende der Grundschulzeit. In K. Maaz, J. Baumert, C. Gresch, & N. McElvany (Hrsg.), Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten (S. 87–106). Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Gölitz, D., Roick, T., & Hasselhorn, M. (2006). Deutscher Mathematiktest für vierte Klassen (DEMAT 4). Göttingen: Hogrefe.
Gresch, C., Baumert, J., & Maaz, K. (2009). Empfehlungsstatus, Übergangsempfehlung und der Wechsel in die Sekundarstufe I: Bildungsentscheidungen und soziale Ungleichheit. In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.), Bildungsentscheidungen (S. 230–256). Wiesbaden: VS.
Hill, C. J., Bloom, H. S., Black, A. R., & Lipsey, M. W. (2008). Empirical benchmarks for interpreting effect sizes in research. Child Development Perspectives, 2, 172–177.
Ivanov, S., & Nikolova, R. (2010). Prognostische Validität der Schullaufbahnempfehlung aufgrund von Leistungsdaten. In W. Bos & C. Gröhlich (Hrsg.), Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der Jahrgangsstufe 8 (S. 128–141). Münster: Waxmann.
Jonkmann, K., Maaz, K., Neumann, M., & Gresch, C. (2010). Übergangsquoten und Zusammenhänge zu familiärem Hintergrund und schulischen Leistungen: Deskriptive Befunde. In K. Maaz, J. Baumert, C. Gresch, & N. McElvany (Hrsg.), Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten (S. 123–150). Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Klapproth, F., Krolak-Schwerdt, S., Glock, S., Böhmer, M., & Romain, M. (2013). Die prognostische Validität der Sekundarschulempfehlung in Luxemburg. Eine Gegenüberstellung von Verbleibsquoten und Leistungstestdaten. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 35, 319–345.
Klicpera, C., Schabmann, A., & Gasteiger-Klicpera, B. (1993). Lesen- und Schreibenlernen während der Pflichtschulzeit: Eine Längsschnittuntersuchung über die Häufigkeit und Stabilität von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten in einem Wiener Schulbezirk. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 21, 214–225.
Köller, O., & Baumert, J. (2001). Leistungsgruppierungen in der Sekundarstufe 1. Ihre Konsequenzen für die Mathematikleistung und das mathematische Selbstkonzept der Begabung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 15, 99–110.
Kropf, M., Gresch, C., & Maaz, K. (2010). Überblick über die rechtlichen Regelungen des Übergangs in den beteiligten Ländern. In K. Maaz, J. Baumert, C. Gresch, & N. McElvany (Hrsg.), Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten (S. 399–429). Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Kurz, K., Kratzmann, J., & von Maurice, J. (2007). Die BiKS-Studie. Methodenbericht zur Stichprobenziehung. Bamberg: Otto-Friedrich-Universität.
Lenhard, W., & Schneider, W. (2005). Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (1. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
Lipsey, M. W., & Wilson, D. B. (2001). Practical meta-analysis. Thousand Oaks: SAGE.
Lüdtke, O., Köller, O., Artelt, C., Stanat, P., & Baumert, J. (2002). Eine Überprüfung von Modellen zur Genese akademischer Selbstkonzepte: Ergebnisse aus der Pisa-Studie. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 16, 151–164.
Marsh, H. W. (1987). The big-fish-little-pond effect on academic self-concept. Journal of Educational Psychology, 79, 280–295.
Milek, A., Lüdtke, O., Trautwein, U., Maaz, K., & Stubbe, T. C. (2009). Wie konsistent sind Referenzgruppeneffekte bei der Vergabe von Schulformempfehlungen? Bundeslandspezifische Analysen mit Daten der IGLU-Studie. In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.), Bildungsentscheidungen (S. 282–301). Wiesbaden: VS.
Möller, J., & Marsh, H. W. (2013). Dimensional comparison theory. Psychological Review, 120, 544–560.
Muthén, L. K., & Muthén, B. O. (1998–2012). Mplus user’s guide (7. Aufl.). Los Angeles: Muthén & Muthén.
Pekrun, R., Götz, M., Jullien, S., Zirngibl, A., von Hofe, R., & Blum, W. (2003). Skalenhandbuch PALMA: 2. Messzeitpunkt (6. Klassenstufe). München: Institut für Pädagogische Psychologie, Universität München.
Pfost, M., & Artelt, C. (2013). Reading literacy development in secondary school and the effect of differential institutional learning environments. In M. Pfost, C. Artelt, & S. Weinert (Hrsg.), The development of reading literacy from early childhood to adolescence. Empirical findings from the Bamberg BiKS longitudinal studies (S. 229–277). Bamberg: University of Bamberg Press.
Pohlmann, S. (2009). Der Übergang am Ende der Grundschulzeit. Zur Formation der Übergangsempfehlung aus der Sicht der Lehrkräfte. Münster: Waxmann.
Retelsdorf, J., Becker, M., Köller, O., & Möller, J. (2012). Reading development in a tracked school system: a longitudinal study over 3 years using propensity score matching. British Journal of Educational Psychology, 82, 647–671.
Schneider, T. (2011). Die Bedeutung der sozialen Herkunft und des Migrationshintergrundes für Lehrerurteile am Beispiel der Grundschulempfehlung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 14, 371–396.
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2014). Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2012/2013. Bonn: KMK.
Statistisches Bundesamt (2010). Bildung und Kultur. Allgemeinbildende Schulen. Schuljahr 2007/08. Wiesbaden: DeStatis.
Stern, E. (2008). Verpasste Chancen? Was wir aus der LOGIK-Studie über den Mathematikunterricht lernen können. In W. Schneider (Hrsg.), Entwicklung von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Befunde der Münchner Längsschnittstudie LOGIK (S. 187–202). Weinheim: Beltz.
Stubbe, T. C., & Bos, W. (2008). Schullaufbahnempfehlungen von Lehrkräften und Schullaufbahnentscheidungen von Eltern am Ende der vierten Jahrgangsstufe. Empirische Pädagogik, 22, 49–63.
Tiedemann, J., & Billmann-Mahecha, E. (2010). Wie erfolgreich sind Gymnasiasten ohne Gymnasialempfehlung? Die Kluft zwischen Schullaufbahnempfehlung und Schulformwahl der Eltern. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13, 649–660.
Wu, M. L., Adams, R. J., Wilson, M., & Haldane, S. A. (2007). ACER ConQuest version 2.0: generalised item response modelling software. Camberwell: ACER Press.
Förderung
Diese Veröffentlichung wurde unterstützt durch eine Sachbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Kennzeichen PF 840/2-1 und AR 301/10-1).
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Anhang
Anhang
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Pfost, M., Rausch, T., Schiefer, I.M. et al. Zur Entwicklung von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten ohne Gymnasialempfehlung. Z Erziehungswiss 21, 511–534 (2018). https://doi.org/10.1007/s11618-017-0787-6
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11618-017-0787-6