Spätestens seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse ist das Thema soziale Ungleichheit im Bildungssystem nicht mehr aus der öffentlichen, bildungspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion wegzudenken. Während es in der bildungssoziologischen Forschung lange Zeit um die Beschreibung sozialer Ungleichheitsmuster und deren Stabilität oder Dynamik über die Zeit und im jeweiligen historischen Kontext ging, haben sich die Forschungsbemühungen in den letzten 15 Jahren dahingehend verändert, dass nicht mehr nur die Beschreibung sozialer Ungleichheiten im Bildungssystem, sondern vielmehr die Untersuchung und Erklärung der den Ungleichheiten zugrunde liegenden Mechanismen und Prozesse im Fokus des Interesses stehen. Insbesondere durch die Ergebnisse internationaler und nationaler Vergleichsuntersuchungen war es möglich, den Zusammenhang zwischen sozialer und ethnischer Herkunft und Bildungserfolg sowohl mit Blick auf die Bildungsbeteiligung als auch den Kompetenzerwerb genauer zu quantifizieren. Ergänzt wurden diese Forschungsarbeiten durch eine Reihe von qualitativ hochwertigen Längsschnittstudien auf Bundes- und Länderebene, die neben der reinen Beschreibung auch die Ursachen für die Entstehung sozialer Ungleichheiten analysierten. Damit liegt mittlerweile eine umfängliche Daten- und Befundbasis vor, die nicht zuletzt auch eine Grundlage für die Entwicklung von Interventions- und Fördermöglichkeiten darstellt.

Vor diesem Hintergrund berief die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg im Frühsommer 2010 eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachrichtungen in den Expertenrat „Herkunft und Bildungserfolg“Footnote 1, mit der Bitte, das Bildungssystem des Landes systematisch unter der Perspektive des Gelingens individueller Lebensläufe zu betrachten und die Frage zu untersuchen, wie allen Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg erfolgreiche Bildungsbiografien ermöglicht werden könnten. Ziel sei es, die für eine gesellschaftliche Teilhabe notwendigen Basisqualifikationen der gesamten nachwachsenden Generation zu vermitteln. Die zentrale Aufgabe des Expertenrates bestand darin, im Rahmen von Leitfragen Handlungsmöglichkeiten zu identifizieren, die dem Ziel, einem gerechten Bildungswesen näherzukommen, dienen könnten. Grundlage waren die vielfältigen Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Merkmalen der familiären Herkunft und dem Bildungserfolg, einmal in Bezug auf den nationalen und internationalen Forschungsstand und zum anderen unter der expliziten Berücksichtigung regionaler Bildungsstudien und Ergebnisse für Baden-Württemberg. Auf der Grundlage dieses Materials sollten Fragen nach Fördergrundsätzen und Förderkonzepten beantwortet werden, vor allem bezüglich der nachhaltigen Förderung sprachlicher Kompetenzen.

Der Expertenrat gab im Juli 2010 insgesamt zwölf Expertisen in Auftrag, mit denen Forschungsstand und Erfahrungswissen zu zentralen, dem Expertenrat aufgegebenen Fragen beschrieben und analysiert werden sollten. Dies waren im Einzelnen:

  • Eberhard Bolay und Andreas Walther: Außerschulische Hilfen für benachteiligte Jugendliche im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt.

  • Helmut Fend: Chancengleichheit und Lebenslauf in der LifE-Studie.

  • Lena Ganser (jetzt Heilig): Risikokonstellationen in der frühen Kindheit – Auswirkungen biologischer und psychologischer Vulnerabilitäten sowie psychosozialer Stressoren auf kindliche Entwicklungsverläufe.

  • Richard Göllner: Störungen des emotionalen Erlebens sowie Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern und ihre Bedeutung für die soziale Ungleichheit.

  • Marcus Hasselhorn: Wirksamkeit vorschulischer Fördermaßnahmen.

  • Steffen Hillmert: Bildung und soziale Ungleichheit im Lebenslauf.

  • Kai Maaz: Genese von Bildungsungleichheiten an den Gelenkstellen von Bildungskarrieren.

  • Ingrid Macher: Aus der Praxis der Rosensteinschule.

  • Jennifer Paetsch, Katrin M. Wolf und Petra Stanat: Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien.

  • Christian Bergmann, Jens Pothmann et al.: Daten und Materialien für den Expertenrat „Herkunft und Bildungserfolg“.

  • Ulrich Trautwein und Kai Maaz: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Gymnasialbesuch in Baden-Württemberg.

  • Ivo Züchner, Natalie Fischer und Eckard Klieme: Pädagogische Wirkungen von Ganztagsschulen.

Die Expertisen, die neben dem nationalen und internationalen Forschungsstand auch die Situation in Baden-Württemberg explizit berücksichtigen sollten, waren eine wichtige Grundlage für die Arbeit des Expertenrats, indem sie eine schnelle Verständigung über zentrale Problemstellungen und disparitätsrelevante Ereignissequenzen im Lebenslauf ermöglichen und die Identifikation und Beschreibung von Interventionsmöglichkeiten erleichtern sollten.

In den jeweiligen Expertisen wurde der Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg an unterschiedlichen bildungsbiografischen Stellen und aus verschiedenen fachlichen Perspektiven heraus analysiert. Die Kernaussagen der ExpertisenFootnote 2 haben damit eine über die Grenzen Baden-Württembergs hinausgehende Bedeutung und sollen im Rahmen einer Zeitschriftenveröffentlichung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Vor diesem Hintergrund wurden die Autorinnen und Autoren der Expertisen gebeten, ihre Texte in zwei Punkten zu überarbeiten. Da der Leserkreis sich nunmehr nicht mehr ausschließlich auf das Land Baden-Württemberg beschränkt, sollte der in den Expertisen explizit geforderte Bezug auf Baden-Württemberg aufgegeben und stattdessen die generelle nationale und internationale Perspektive gestärkt werden. Darüber hinaus wurden alle Autoren gebeten, neben der theoretischen und empirischen Darstellung des Forschungsstands auch Interventions- und Fördermöglichkeiten zum Abbau von sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem zu diskutieren. Für das vorliegende Sonderheft wurden neben den Verfasserinnen und Verfassern der einzelnen Expertisen weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Bearbeitung von Themen gewonnen, die nicht oder nur indirekt Gegenstand der Expertisen waren, für die Gesamtkonzeption des Sonderheftes aber von großer Bedeutung erschienen.

Das vorliegende Sonderheft gliedert sich in vier größere inhaltliche Blöcke:

  • Teil 1: Gesellschaftliche Veränderungen und Ungleichheit im Lebensverlauf

  • Teil 2: Herkunftsbedingte Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und im Kom-petenzerwerb

  • Teil 3: Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung von sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem

  • Teil 4: Förder- und Interventionsmöglichkeiten und deren Erträge

Im ersten Teil stehen gesamtgesellschaftliche Trends, wie zum Beispiel demografische Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Schülerschaft, im Fokus. Es wird aufgezeigt, wie sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik verändert haben und in welchem Zusammenhang diese Veränderungen mit Mustern sozialer Ungleichheit stehen. Darüber hinaus wird das Thema Bildungserfolg und Ungleichheit aus einer bildungsbiografischen bzw. Lebensverlaufsperspektive heraus betrachtet. Insgesamt drei Beiträge widmen sich diesem ersten Themenbereich. Der Beitrag von Alexandra Schwarz und Horst Weishaupt setzt sich mit der Frage auseinander, welche Veränderungen der Bevölkerung im Vorschul- und Schulalter feststellbar sind und in welcher Weise diese Veränderungen Konsequenzen für die Bildungsbeteiligung und die Entwicklung des Bildungsniveaus haben. Auf der Basis von Mikrozensusdaten aus dem Jahr 2008 liefern ihre Analysen Hinweise darauf, dass für die Entwicklung des Bildungsniveaus der Bevölkerung bildungsbezogene und sozioökonomische Ressourcen bedeutsamer sind als Merkmale der Zuwanderung und der ethnischen Herkunft. Die Beiträge von Helmut Fend und Steffen Hillmert betrachten das Thema Herkunft und Bildungserfolg auf der Grundlage von individuellen Bildungsbiografien unter Berücksichtigung einer Lebensverlaufsperspektive. Helmut Fend thematisiert in seinem Beitrag die Frage, ob Maßnahmen, die zu einer verbesserten Durchlässigkeit im Bildungssystem führen, auch zu einer Reduktion des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg beitragen können. Auf der Basis von Daten der LifE-Studie werden bildungsbiografische Prozesse vom 12. bis zum 35. Lebensjahr nachgezeichnet. Steffen Hillmert thematisiert Ungleichheitsaspekte in Bezug auf den Bildungszugang, Bildungskonsequenzen und die soziale Reproduktion unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Institutionen bei diesen Prozessen. Aus einer Lebensverlaufsperspektive werden wechselseitige Beziehungen zwischen dem Bildungserwerb und der sozialen Ungleichheit beschrieben.

Der zweite Teil des Sonderheftes widmet sich herkunftsbedingten Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und im Kompetenzerwerb in unterschiedlichen Bildungsbereichen. Dabei wird der Bogen von der frühkindlichen Bildung unter 3-Jähriger bis ins junge Erwachsenenalter bei der Aufnahme eines Hochschulstudiums gespannt. Die Bedeutung frühkindlicher Bildung wird im Beitrag von Kirsten Fuchs-Rechlin und Christian Bergmann dargelegt. Sie gehen der Frage nach, ob soziale Selektionsmechanismen beim Zugang zur Kindertagesbetreuung und der Wahl der Betreuungsform wirken. Sie zeigen, dass zwar der sozioökonomische Status der Familie einen Einfluss auf die Partizipation frühkindlicher Bildung unter 3-Jähriger hat, dieser Einfluss aber mit zunehmendem Alter der Kinder an Bedeutung verliert. In Bezug auf die Präferenz spezifischer Betreuungsformen konnten hingegen keine sozialen Selektionseffekte festgestellt werden. Der Zusammenhang zwischen der nicht fristgerechten Einschulung und der sozialen Herkunft ist seit vielen Jahren bekannt und in verschiedenen Studien empirisch untersucht worden. Gabriele Faust und Hans-Günther Roßbach greifen diesen Befund auf und fragen danach, wie es zu nicht fristgerechten Einschulungen kommt, um Maßnahmen abzuleiten, die zu einer Reduktion sozialer Selektionseffekte beim Eintritt in die Schule führen. Auf der Datenbasis der BiKS-Studie identifizieren sie zwei zentrale Aspekte zum Abbau von sozialen Ungleichheiten in der frühen Bildungsphase: verbesserte Informationen der Eltern über den bevorstehenden Übergang und eine präventive Förderung von Kindern im Vorschulbereich, mit der leistungsbedingte Rückstellungen vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden können. Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen des Sekundarschulsystems gilt seit langem als entscheidende Gelenkstelle individueller Bildungsbiografien. Wenngleich infolge schulstruktureller Entwicklungen das Bildungssystem insgesamt offener zu werden scheint, kommt diesem Übergang, der die weiteren Bildungsverläufe zwar nicht mehr determiniert, aber immer noch maßgeblich beeinflusst, nach wie vor eine Schlüsselstellung zu. Der Beitrag von Hanna Dumont, Kai Maaz, Marko Neumann und Michael Becker setzt sich mit diesem Bildungsübergang auseinander, indem das in der Übergangsforschung breit rezipierte theoretische Modell von Boudon auf diesen Übergang bezogen und der Forschungsstand zur Wirkung unterschiedlicher primärer und sekundärer Herkunftseffekte systematisiert dargestellt wird. Soziale Ungleichheiten in der Kompetenzentwicklung stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Marko Neumann, Michael Becker und Kai Maaz. Der Beitrag gibt einen Überblick über die diesbezüglich vorhandenen längsschnittlichen Untersuchungen sowohl im Primar- als auch im Sekundarschulbereich. Die Befunde deuten vor allem für die Grundschule, in Teilen aber auch für die weiterführenden Schulen auf eine Öffnung der Leistungsschere zwischen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft hin. Vergleichsweise wenig Forschung gibt es zu herkunftsbezogenen Ungleichheiten beim Übergang in die berufliche Ausbildung. Mona Granato und Gert Ulrich widmen sich in ihrem Beitrag diesem wichtigen Bildungsübergang am Ende der Vollzeitschulpflicht. Sie legen dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Bedeutung der an diesem Übergang beteiligten Institutionen. Dieser Fokus resultiert aus dem heterogenen und komplexen Bedingungsgefüge des Ausbildungszugangs, denn die Eintrittsbedingungen variieren nicht nur in Abhängigkeit der gewählten beruflichen Fachrichtungen, sondern auch regional. Der Beitrag von Rainer Watermann, Annabell Daniel und Kai Maaz untersucht die Frage, auf welche Weise die soziale Herkunft bei der Entscheidung für oder gegen die Aufnahme eines Studiums wirksam wird und welche Bedeutung dabei primären und sekundären Herkunftseffekten im Sinne Boudons zukommt. Bezogen auf den Übergangsprozess zeigt sich, dass insbesondere sekundäre Effekte in Form von sozial differierenden Kosten-Nutzen-Abwägungen und Erwartungshaltungen zum Tragen kommen. In historischer Perspektive zeigt sich, dass trotz Bildungsexpansion und einer damit einhergehenden Reduzierung sozialer Ungleichheiten beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung die sekundären Herkunftseffekte des Hochschulzugangs eher zugenommen haben.

Im Zusammenhang mit dem Bildungserfolg werden verschiedene Risikofaktoren diskutiert. Dabei richtete sich der Fokus lange Zeit auf die unterschiedlichen Merkmale der familiären Herkunft. In der neueren Literatur werden zunehmend auch die Prozesse, die für soziale Ungleichheiten verantwortlich sind, untersucht. Der Rückgriff auf das mikrosoziologische Modell von Boudon ist ein Beispiel hierfür. Im dritten Teil des Sonderheftes wird der Fokus auf Risikofaktoren gelegt, die im psychosozialen Bereich liegen. Lena Heilig setzt sich in ihrem Beitrag mit Risikokonstellationen in der frühen Kindheit auseinander. In ihrem Forschungsüberblick kann sie zeigen, dass insbesondere die Kumulation von Risikofaktoren die Entwicklung eines Kindes beeinflussen kann. Entwicklungsbeeinträchtigend können vor allem andauernde Risikofaktoren wie die Qualität der Eltern–Kind-Beziehung und ein niedriger Anregungsgrad der häuslichen Umgebung wirken. Die Befunde deuten darauf hin, dass frühzeitige Maßnahmen zur Abpufferung von Risikofaktoren die größten Erfolge erzielen. Richard Göllner untersucht in seinem Beitrag ein in der Ungleichheitsforschung bislang vernachlässigtes Thema. Er beschäftigt sich mit der Bedeutung psychischer Störungen und ihrer Bedeutung für die Entstehung sozialer Ungleichheiten. Dabei sind gesundheitliche Unterschiede nicht nur als Konsequenz der sozialen Herkunft zu verstehen, sondern können unmittelbar an der Entstehung oder Aufrechterhaltung sozialer Unterschiede beteiligt sein. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Vorliegen externalisierender Symptome die Platzierung in der Sozialstruktur negativ beeinflussen kann.

Der vierte Teil des Sonderheftes vereint Arbeiten, in denen Interventions- und Fördermöglichkeiten sowie deren Erträge an ausgewählten Beispielen dargestellt werden. Im Beitrag von Marcus Hasselhorn und Susanne Kuger wird die Wirksamkeit der Förderung schulerfolgsrelevanter Fähigkeiten und Kompetenzen in Kindertagesstätten untersucht. Vor dem Hintergrund des nationalen und internationalen Forschungsstandes formulieren die Autoren Schlussfolgerungen, die für den Abbau von sozialen Ungleichheiten eine zentrale Bedeutung haben können. Demnach wirkt sich der Besuch einer Kindertageseinrichtung ab dem dritten Lebensjahr positiv auf die Entwicklung schulrelevanter Kompetenzen aus. Darüber hinaus ist die Qualität der realisierten Anregungsangebote von zentraler Bedeutung. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Beherrschung der Verkehrssprache ein Schlüssel für erfolgreich verlaufende Bildungsbiografien ist. Dies betrifft nicht ausschließlich Kinder aus Zuwandererfamilien, diese aber in besonderem Maße. Bestehende Unterschiede im Bildungserfolg von Kindern aus Zuwandererfamilien im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund lassen sich zu großen Teilen auf die unzureichende Beherrschung der Instruktionssprache zurückführen. Vor diesem Hintergrund gehen Jennifer Paetsch, Katrin M. Wolf, Petra Stanat und Annkathrin Darsow der Frage nach, wie es gelingen kann, sprachbezogene Disparitäten zu reduzieren. Bezugnehmend auf den aktuellen Forschungsstand zu Effekten der Quantität und der Qualität des institutionellen Zugangs zur Zweitsprache werden sowohl zentrale Forschungsdesiderata aufgezeigt als auch Hinweise für die Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis herausgearbeitet. Die Frage, inwieweit die Ganztagsschule kompensatorisch wirken kann und dazu beiträgt, den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft zu entkoppeln, wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Ivo Züchner und Natalie Fischer gehen in ihrem Beitrag diesem wichtigen Thema nach. Auf der Basis der deutschen Literatur zur Ganztagsforschung und dem internationalen Forschungsstand untersuchen sie, inwieweit es empirische Hinweise auf kompensatorische Effekte durch ganztägige Angebote in der Schule, die zu einer Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg führen können, gibt. Sie finden erste Hinweise auf kompensatorische Wirkungen. Dabei zeigen sich im Bereich des sozialen Lernens stärkere Effekte als bei den Schulleistungen. In der Bundesrepublik gibt es ein ausdifferenziertes System außerschulischer Hilfen im Rahmen der Jugendsozialarbeit. Im Rahmen dieser Aktivitäten werden unter anderem bildungsbezogene Effekte sozialer Benachteiligungen bearbeitet. In der neueren Bildungsforschung findet dieser Bereich bislang nur wenig Beachtung. Der Beitrag von Eberhard Bolay und Andreas Walther setzt genau an diesem Desiderat an, indem die Handlungsfelder Schulsozialarbeit, Jugendberufshilfe, Mobile Jugendarbeit und Jugendmigrationsdienste als Formen kompensatorischer Erziehung vorgestellt werden. Darüber hinaus setzt sich der Beitrag mit der Wirkung dieser Maßnahmen kritisch auseinander und diskutiert vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungsbefunde den Nutzen und die Wirkung dieser Projekte. Spätestens seit PISA 2000 ist der Begriff des Risikoschülers aus der öffentlichen Diskussion um den Zustand des Bildungssystems nicht mehr wegzudenken. Gemeint sind Schülerinnen und Schüler, die in den Basiskompetenzen am Ende der Vollzeitschulpflicht die Kompetenzstufe I nicht überschreiten und somit auf dem Niveau der Grundschule lesen oder rechnen. Mit dieser Personengruppe setzen sich Marc Piopiunik und Ludger Wößmann aus einer bildungsökonomischen Perspektive auseinander. Sie untersuchen die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Erträge wirksamer Bildungsreformen zur Reduktion der Zahl von Risikoschülern. Dazu werden die volkswirtschaftlichen Erträge von hypothetischen Bildungsreformen, mit denen es gelänge, die Zahl der Risikoschüler wirksam zu verringern, auf zukünftige Entwicklungen projiziert.

Die Beiträge des vorliegenden Sonderheftes geben einen Überblick über den Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg über einen langen bildungsbiografischen Zeitraum von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Darüber hinaus werden auch Interventions- und Fördermöglichkeiten zum Abbau oder zur Vermeidung sozialer Ungleichheiten im Bildungssystem abgeleitet und diskutiert. Dabei konzentriert sich das Sonderheft auf die wichtigsten Gelenkstellen individueller Bildungsverläufe.

Die Herausgeber möchten sich an dieser Stelle bei einer Reihe von Personen bedanken, die zum Gelingen des Sonderheftes beigetragen haben. An erster Stelle sind dies die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge. Bei ihnen möchten wir uns für ihre Bereitschaft, dieses Projekt mitzugestalten, und für die qualitätsvolle Arbeit beim Verfassen der Artikel und der sehr gründlichen Revisionsarbeit ausdrücklich bedanken. Durch zeitliche Verzögerungen bei der Fertigstellung des Sonderheftes wurde die Geduld der Autorinnen und Autoren auf die Probe gestellt. Umso mehr hoffen wir, dass das nun vorliegende Sonderheft die entstandenen Verzögerungen ein Stück weit entschädigen kann. Einen wesentlichen Anteil für die Umsetzung dieses Publikationsprojekts kommt den Gutachterinnen und Gutachtern zu. Bei ihnen möchten wir uns für ihre Bereitschaft, einzelne Artikel zu begutachten und die damit verbundene gründliche Lektüre sowie die kritischen und sehr konstruktiven gutachterlichen Stellungnahmen bedanken. Die Beiträge haben von der unabhängigen Bewertung und den Überarbeitungsvorschlägen sehr profitiert. Für die Erstellung der Satzvorlage konnten wir auf die Expertise des Zentralen Sekretariats am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, zurückgreifen. Für die schnelle, präzise und verantwortungsvolle Arbeit möchten wir uns insbesondere bei Marianne Hauser und Erna Schiwietz ausdrücklich bedanken. Die Koordination und Kommunikation zwischen den Autorinnen und Autoren, den Gutachterinnen und Gutachtern, den Mitarbeiterinnen des Zentralen Sekretariats sowie den Herausgebern wurde von Katharina Konietzko von der Universität Potsdam übernommen. Bei ihr möchten wir uns für die Unterstützung in der Organisation des Publikationsprojektes bedanken. Ferner gilt unser Dank der Redakteurin im VS Verlag für Sozialwissenschaften Frau Stefanie Laux, die das Projekt von der Verlagsseite von Beginn an betreut und unterstützt hat. Unser abschließender Dank gilt schließlich den Herausgebern der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft für die Möglichkeit, dieses Publikationsprojekt im Rahmen eines Sonderheftes der Zeitschrift realisieren zu können.