Während der Einfluss schulischer Faktoren auf die Bildungsverläufe und den Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im vergangenen Jahrzehnt umfassend untersucht worden ist, gilt dies weniger für die außerschulischen Bildungsbereiche wie die Familie, die Freizeit oder die Peers. Diese wurden im Zuge der umfassenden Debatten um ein erweitertes Bildungsverständnis, um die große Bedeutung der Alltagsbildung oder der informellen Bildung in den Lebenswelten der Familie oder der Gleichaltrigenbeziehungen zwar als wichtige Orte anerkannt, die Möglichkeiten für die Schaffung bildungsstiftender Gelegenheitsstrukturen bieten, die quer zu den in der Schule vermittelten Bildungsformen und -inhalten liegen, doch die empirische Forschung zu den Bildungsprozessen in diesen außerschulischen und nicht institutionalisierten Sozialisationsbereichen steckt noch in den Anfängen. In diesem Themenheft wird zunächst ein Überblick über aktuelle Forschungstrends zum Wechselverhältnis von Bildungsprozessen in Familie, Peerwelt und Schule gegeben und daran anschließend in zwei empirischen Beiträgen exemplarisch konkretisiert.

Anna Brake und Peter Büchner geben im einleitenden Stichwortartikel einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu den Bildungsprozessen in Familie und Gleichaltrigengruppe, die im vergangenen Jahrzehnt im Kontext der Erforschung bildungsbiografischer Verläufe im Kindes- und Jugendalter verstärkt in den Blick genommen worden sind. Dabei skizzieren sie in einem ersten Schritt zunächst die wenigen bislang vorliegenden quantitativen und qualitativen Studien zur Familie als informellem Bildungsort und das etwas breitere Spektrum an Untersuchungen, die sich mit der Frage beschäftigt haben, welche differenten Einflüsse unterschiedliche familiale Lebensformen auf den schulischen Bildungserfolg von Heranwachsenden haben. In einem zweiten Schritt werden nach einer definitorischen Eingrenzung des komplexen Phänomens der Peerbeziehungen verschiedene Forschungslinien vorgestellt, die sich mit der Peerkultur in der Schulklasse oder in schulischen Entwicklungsmilieus, mit informellen Bildungsprozessen in Jugendszenen sowie mit dem Stellenwert von Peerbeziehungen für schulisch erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Bildungsbiografien auseinandergesetzt haben. Abschließend arbeiten Brake und Büchner einige Forschungsdesiderata heraus und plädieren dafür, in zukünftigen Untersuchungen stärker die Heterogenität von Peer-Netzwerken zu berücksichtigen, die Bildungsbedeutsamkeit von Geschwisterbeziehungen zu untersuchen und vor allem das Zusammenspiel der Bildungskontexte von Familie und Peers im Rahmen von Längsschnittanalysen in den Blick zu nehmen.

In dem Beitrag von Sabine Walper und Marianna Grgic wird auf der Basis einer Substichprobe des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, bei der die Eltern von sechs- bis achtjährigen Schulkindern befragt wurden, zum einen untersucht, wodurch bildungsorientierte Eltern-Kind-Aktivitäten, Outdooraktivitäten und die Einbindung des Kindes in Hausaufgaben beeinflusst werden. Zum anderen wird herausgearbeitet, ob sich diese verschiedenen familialen Bildungsaktivitäten sowie das unterschiedliche familiale Erziehungsmilieu auf das Problemverhalten, das soziale Verhalten und die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder auswirken. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Mütter mit hoher Bildung einen Schwerpunkt auf entwicklungsförderliche Aktivitäten legen, während Outdooraktivitäten sowie die Einbindung der Kinder in den Haushalt, also vor allem Felder der Alltagsbildung, für sie eher einen geringen Stellenwert haben. Zudem kann aufgezeigt werden, dass ein kindzentriertes Erziehungsmilieu sowie bildungsbezogene Aktivitäten in der Familie die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes, die wiederum bedeutsam für Schulerfolge sowie die Befähigung des Kindes zur gesellschaftlichen Teilhabe sind, fördern.

Während sich der Beitrag von Walper und Grgic vor allem auf die Familie als Bildungsort bezieht, wird in dem Artikel von Ulrike Deppe das Wechselverhältnis der Bildungsorte Familie und Peers in ihrer Bedeutsamkeit für die Bildungsbiografien von etwa 13-jährigen Schülern und für die Entstehung von Bildungsungleichheit untersucht. Nach einem Überblick über den Stand der Forschung stellt die Autorin zunächst das Untersuchungsdesign ihrer komplexen qualitativen Studie vor, das sich auf qualitative Interviews mit jüngeren Jugendlichen, deren Eltern sowie Gruppendiskussionen mit deren Freundesgruppen stützt, die unter Bezug auf die Dokumentarische Methode ausgewertet wurden. Auf der Basis der Triangulation der verschiedenen Materialbereiche werden sechs Typen zu den bildungsbezogenen Orientierungsmustern der Heranwachsenden im Spannungsfeld zwischen Familie und Peereinflüssen soziogenetisch herausgearbeitet, deren Spektrum von Bildung als Exzellenz und Distinktion und Peers als institutionelle Wegbegleiter bis hin zur Bildungsfremdheit und Peers als Risikopotential reicht. Außerdem wird aufgezeigt, dass zumindest bei der hier untersuchten Altersgruppe die Normen und Werte der Familie noch die zentrale Bedeutung für die schul- und bildungsbezogenen Orientierungen und für die Strukturierung von Handlungs- und Beziehungsmustern in der Peergroup haben und den Peers noch kein so hoher Stellenwert bei der Ausbildung neuer Bildungsorientierungen zukommt.

Zwei Sammelrezensionen von Nicolle Pfaff und Tina-Berith Schrader, in denen aktuelle Neuerscheinungen zu den Themenfeldern Familie und Schule bzw. Peers als Bildungsort vorgestellt werden, runden den Schwerpunktteil ab.