Mit dem Begriff aging versteht man die (in der Regel kumulative) Veränderung eines Organismus oder einer Person im Lebenslauf, insbesondere im höheren Lebensalter. Aging beim älteren Menschen ist ein multidimensionaler und multidirektionaler Prozess der physische, kognitive, psychische, gesundheitliche und soziale Veränderungen mit sich bringt. Mit dem höheren Alter vermindert sich beispielsweise die Reaktionszeit beim Autofahren oder die Effektivität von Lernangeboten, aber andere Dimensionen des Seins wie die soziale Passungsfähigkeit oder die Fähigkeit der Emotionsregulation können dagegen in diesem Alter noch zunehmen. Aging reflektiert also biologische Veränderungen, die in ihrer Dynamik stark durch kulturelle, institutionelle, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen beeinflusst werden und damit auch aktiv beeinflussbar sind. Im Mittelpunkt dieses Schwerpunktteils steht die Beziehung zwischen Bildung und Aging.

Der Stichwortbeitrag „Entwicklung im Erwachsenenalter“ von Eva-Marie Kessler, Ulman Lindenberger und Ursula M. Staudinger zeigt auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse der Lebensspannenpsychologie, dass Lernen bis ins hohe Erwachsenenalter möglich ist, wenngleich unter veränderten Bedingungen. Lernenden im höheren Alter müssen beispielsweise häufiger wiederholte Lernangebote bzw. Lernphasen angeboten werden, um ähnlich große Lerneffekte zu erzielen wie bei jüngeren Menschen. Dieser Beitrag gibt insgesamt einen informativen Überblick über die Gestaltung von Lernkontexten im höheren Erwachsenenalter und nimmt die Entwicklungs- und Alternsprozesse im Bereich kognitiver Ressourcen sowie von Persönlichkeit, Motivation und Emotion in den Blick.

Der Beitrag von James W. Vaupel und Dirk Hofäcker zum Thema „Das lange Leben lernen“ greift auf neuere Ergebnisse aus der demografischen und soziologischen Forschung zurück. Auf der Grundlage steigender Lebenserwartung, demografischer Alterung und zunehmender Globalisierungsprozesse wird die Förderung der Bildung in allen Lebensphasen, insbesondere in der zweiten Hälfte des Erwachsenenlebens, zunehmend zu einem zentralen politischen Thema. Zukünftige ökonomische Belastungen der sozialen Sicherungssysteme hängen beispielsweise von einem langen, aktiven und gesunden (Arbeits-)Leben ab, das wiederum zentral durch Bildungsprozesse beeinflussbar ist. Auch die Neuverteilung von Arbeit und Beschäftigung über die Lebensalter aufgrund steigender Lebenserwartung und des Geburtenrückgangs wird stark von einer kontinuierlichen Weiterbildung im Lebens- und Berufsverlauf abhängen. Das gilt insbesondere für die stärkere Förderung benachteiligter Bildungsgruppen, wie Vaupel und Hofäcker argumentieren. Schließlich kann eine stärker am lebenslangen Lernen ausgerichtete Bildungspolitik die aktive und kreative Gestaltung des hohen Alters maßgeblich beeinflussen und damit die Lebensqualität in dieser Phase deutlich erhöhen.

Der Aufsatz von Angela M. O’Rand, Jenifer Hamil-Luker und Cheryl Elman mit dem Titel „Childhood adversity, educational trajectories, and self-reported health in later life“ untersucht für die USA den Zusammenhang von früher Bildung und Ausbildung im Lebenslauf mit den später im Erwachsenenleben folgenden Veränderungen in der Bildungsbeteiligung, im Berufsverlauf und den Familienkarrieren (Heiraten und Geburten) sowie den (subjektiv berichteten) Gesundheitsverläufen. Es zeigt sich, dass sich die anfänglichen Unterschiede in der Dauer und Art der (Aus-)Bildung im Lebenslauf deutlich in diese Dimensionen über den gesamten Lebenslaufs auswirken. Besonders wird darauf hingewiesen, dass die (Aus-)Bildung einen großen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten im mittleren und späten Lebensverlauf hat. Anfängliche Bildungsunterschiede sind also für alle ungleichheitsrelevanten Dimensionen des späteren Lebenslaufs zentral.

Die demografischen, sozialen und ökonomischen Wandlungsprozesse, die zu einer Neustrukturierung lebenslangen Lernens führen, verändern auch die potenziellen Teilnehmerstrukturen für Bildungsanbieter in der Erwachsenenbildung. Im Beitrag von Julia Franz und Annette Scheunpflug mit dem Titel „Zwischen Seniorität und Alterität“ werden mit qualitativen Methoden die Orientierungen von professionalisierten und nicht-professionalisierten Erwachsenenbildner(innen) rekonstruiert. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Bildungsarrangements nicht als informelle, nebenbei organisierte Lerngelegenheiten gestaltet werden sollten, sondern einer professionellen Erwachsenenbildung bedürfen. Die Kompetenzen in der Planung von Lernarrangements und beim Umgang mit großer Heterogenität der Teilnehmer(innen) sind dabei zentrale Komponenten.

Das Schwerpunkthema wird abgerundet mit einem Beitrag von Ines Himmelsbach zum Thema „Bildung im Alter in sozialen Welten – diesseits und jenseits von Dichotomien“. Diese qualitative Studie nähert sich aus erziehungswissenschaftlicher Sicht der Frage des individuellen wie institutionellen Umgangs mit Verlusten und Grenzen im Alternsprozess. Im Zentrum steht dabei das Beispiel einer im Alter eintretenden Sehbehinderung, der Makuladegeneration. Die Studie weist darauf hin, dass man den Umgang mit solchen altersbedingten Kompetenzeinbußen nicht angemessen begreifen kann, wenn man nur eine lineare Vorstellung pädagogischen Handelns im Sinne einer Steigerung zugrunde legt. Altenbildung lässt sich deswegen nicht als Bildung im herkömmlichen Sinne begreifen, sie geschieht häufig auch im Modus von Hilfe. Die sozialen Settings spielen dabei eine entscheidende Rolle, wie das Beispiel des Hospizes zeigt, das vor allem auf das Hinnehmen von Abbauprozessen und somit von Verlustregulation setzt.

Bitte beachten Sie am Ende des Heftes auch die Sammelrezension von Klaus Schömann zu wichtigen Veröffentlichungen aus dem Themengebiet „Bildung und Altern“.