Werbung ist ein dynamisches und durchaus populäres Forschungsfeld, das die technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen im Laufe der Zeit widerspiegelt. Dabei wird Werbung in unterschiedlichen disziplinären Perspektiven zum Gegenstand der Forschung. Im kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungskontext wird Werbung meist als elementarer Bestandteil massenmedial vermittelter Kommunikation betrachtet. Einerseits hat sich die Werbeforschung in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft durch die Fachgruppe Werbekommunikation in der DGPuK seit 2014 etabliert. Andererseits mangelt es aber weiterhin an explizit kommunikations- und medienwissenschaftlichen Werbetheorien, so dass der Blick auf die Werbeforschung der deutschsprachigen Kommunikations- und Medienwissenschaft durch Interdisziplinarität und Diversität insbesondere hinsichtlich Theorie und Empirie geprägt ist.

Mit den Schlüsselwerken der Werbeforschung haben Tino Meitz, Nils Borchers und Brigitte Naderer nun eine Übersicht über relevante Forschungsliteratur zusammengestellt. Dabei ist es ihnen gelungen, anhand zentraler Werke einen einführenden Überblick über die Werbeforschung zu schaffen. Aus der wissenschaftlichen Forschungsliteratur zum Thema Werbung präsentieren 35 namhaften Autor:innen 32 Schlüsselwerke – darunter auch Werke, die in der forschungshistorischen Tradition eher der Betriebswirtschaftslehre oder der Werbepsychologie zugeschrieben werden. Somit bieten die Herausgeber:innen mit ihrer Auswahl „einen Querschnitt durch interdisziplinäre theoretische Rahmenbedingungen und empirische Befunde, die weit mehr als die Optimierung werblicher Maßnahmen im Blick haben.“ (S. 2).

Die 389 Seiten werden in fünf Teilbereiche strukturiert. Die im ersten Teil ausgewählten Texte u. a. von John Kenneth Galbraith (1967) oder Shoshana Zuboff (2019) betrachten Werbung eher aus der Makroperspektive, die die Gesellschaft in den Blick nimmt. Im zweiten Teil finden sich zentrale Arbeiten zu Medienwirkung und Medienrezeption u. a. mit Texten über die Messung von Involvement von Herbert Krugman (1966) oder zur Theory of Buyer Behavior von John Howard und Jagdish Sheth (1969). Mit ethischen Fragen von Werbung in Verbindung mit den individuellen Kompetenzen der Konsumierenden – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – befassen sich die ausgewählten Texte im dritten Teil. Hier stellen z. B. Meda Mucundorfeanu und Delia Cristina Balaban die Arbeiten von Thomas Robertson und John Rossiter (1976/1977) über Fernsehwerbung und Kinderwünsche vor. Die Semantiken der Werbung sowie deren Bedeutung stehen im Fokus des vierten Teils, u. a. mit der Darstellung des Decoding Advertisements von Judith Williamson (1978). Die im letzten Teil aufgeführten Schlüsselwerke eint der Fokus werbekritischer Überlegungen und Erkenntnisse. Dabei werden nicht einzelne Werbeangebote kritisiert, sondern der Diskurs der Werbung in seiner Gesamtheit z. B. in Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor Adorno (1944) oder in Joseph Turows (2011) The Daily You: How the New Advertising Industry Is Defining Your Identity and Your Worth. Neben der thematischen Gliederung der Teilbereiche sticht vor allem die einheitliche Struktur bei der inhaltlichen Darstellung der einzelnen Schlüsselwerke hervor. Die von Wissenschaftler:innen verfassten Texte über die Schlüsselwerke beginnen immer mit einer kurzen Zusammenfassung, gefolgt von einer Einordnung in das Gesamtwerk, der Wirkungsgeschichte des Schlüsselwerks und Kritik. Dieser Aufbau bietet eine sehr gute Orientierung.

Hervorzuheben ist, dass es sich bei den Schlüsselwerken der Werbeforschung nicht um die Zusammenstellung praxisorientierter Aufsätze handelt, in denen die Prozesse der Werbekommunikation erklärt werden, sondern um eine Zusammenstellung von zentralen theoretischen Ansätzen und wegweisenden empirischen Studien im Forschungsfeld Werbung. Dabei gelingt es, nicht nur unterschiedliche Perspektiven aufzunehmen, sondern auch die Veränderungen eines rund hundertjährigen Forschungszeitraums widerzuspiegeln. Einschränkend weisen die Herausgeber:innen zurecht selbst darauf hin: „Die Schlüsselwerke der Werbeforschung beanspruchen nicht, vollumfänglich der Werbeforschung Rechnung zu tragen, sondern sie skizzieren Strömungen der Werbeforschung, die in ihrem Einfluss auf die kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschung erstens eine Schlüsselstellung einnehmen, zweitens jedoch weit über den eigentlichen Gegenstandsbereich der Werbung hinausgehen und hierbei Disziplingrenzen überschritten haben.“ (S. 6) An dieser Stelle ist es bedauerlich, dass die Schlüsselwerke nur Werke aus dem zentraleuropäischen sowie nordamerikanischen Raum berücksichtigen.

Es war den Herausgeber:innen nach eigenen Angaben ein Anliegen, dass es keine Überschneidungen zu anderen Bänden der Reihe gibt. Dies ist ihnen gelungen – so komplementiert Schlüsselwerke der Werbeforschung den Kanon der Überblicksliteratur auf dem Gebiet. Mit dem Handbuch Werbeforschung, das 2016 von Gabriele Siegert, Patrick Weber, Werner Wirth und Juliane A. Lischka herausgegeben wurde, existiert ein systematischer Überblick „über den ‚state-of-the-artʻ in den einzelnen Feldern der internationalen sowie deutschsprachigen Werbeforschung“ (S. 19). Darin werden Strukturen und Rahmenbedingungen von Werbekommunikation, Bedingungen der Produktion und Distribution sowie der Nutzung und Wirkung in Form von Grundlagenwissen und/oder Forschungsüberblicken aufgezeigt. Guido Zurstiege brachte 2007 das Lehrbuch „Werbeforschung“ heraus, das u. a. auf die Geschichte, Rahmenbedingungen, Handlungsdimensionen sowie Rezeption und Wirkung von Werbung und Werbeforschung aus der Perspektive der Medien- und Kommunikationsforschung eingeht. Somit ergänzen die Schlüsselwerke der Werbeforschung die wissenschaftliche Nachschlageliteratur auf dem Gebiet der Werbeforschung.

Es ist den Herausgeber:innen mit Schlüsselwerke der Werbeforschung gelungen, ein gut strukturiertes Nachschlagewerk zusammenzustellen, welches Forschenden insbesondere der Kommunikations- und Medienwissenschaften einen einführenden Überblick über die Werbeforschung verschafft. Es unterstützt zudem Studierende, um für ihre Forschungs- und Abschlussarbeiten eine theoretische Fundierung auf dem Gebiet zu finden.