Mit ihrer Dissertation zum konsumentenbasierten Markenwert von Nachrichtenmedien setzt Gianna Luisa Ehrlich insbesondere zwei wertvolle Impulse für die Kommunikationswissenschaft und (Medien)Markenstrategie. Zum einen stellt sie sich erfolgreich der Herausforderung, ein tragfähiges Analyseschema zum Wert von Medienmarken zu entwickeln. Dafür fasst sie das breite Feld der wirtschaftswissenschaftlich geprägten Brand-Equity-Forschung umfassend, aber dennoch pointiert zusammen. Zudem schneidet sie dieses All-in-one-Instrument zielführend auf die Bewertung journalistischer Arbeit und Markenbildung zu, indem sie feldspezifische Qualitätskriterien und Rezeptionsstrategien berücksichtigt. So entsteht ein überzeugendes Messmodell zum Markenwert im (Nachrichten)Journalismus.

Die zweite große Stärke dieser Arbeit ergibt sich aus ihrer innovativen Forschungsmethodik, die qualitative und quantitative Zugänge verbindet sowie Kausalitäten sichtbar machen kann. Die Anwendung einer Qualitative Comparative Analysis (QCA) konfrontiert den/die Leser:in zwar mit fortgeschrittener Statistik und Datenanalyse, ist das Eindenken aber in jedem Fall wert. Denn Gianna Luisa Ehrlich möchte die einzelnen Dimensionen eines hohen Markenwerts nicht einfach additiv aufsummieren, wie es der Forschungsstand regelmäßig tut. Die Arbeit formuliert vielmehr den Anspruch, den Einfluss von Faktoren wie Salienz, Professionalität, Nutzungserfahrung oder positive Emotionen auf den Medienmarkenwert relativ zueinander darzustellen und kausale beziehungsweise dramaturgische Entstehenswege nachzuzeichnen. Die Suche nach unterschiedlichen Merkmalskombinationen und Gelingensbedingungen für ein definiertes Ergebnis (hoher Markenwert) in einer gleichzeitig großen Anzahl von Fällen (n = 2350) gelingt hier ohne Probleme. Insofern liegen auch interessante Befunde zum Zustandekommen des Markenwerts der acht untersuchten deutschen Nachrichtenmedien vor, darunter ausschließlich Toplevel-Akteure wie Der Spiegel, die Bild Zeitung und Die Zeit.

Für wen ist das Buch zur Dissertation von Gianna Luisa Ehrlich nun vor allem interessant? Prinzipiell, darauf weist die Autorin auch selbst hin, wird hier modelltheoretische und datenanalytische Pionierarbeit geleistet. Primär in der Medienökonomie entsteht Mehrwert für Kolleg:innen, die sich mit Innovation und Transformation beschäftigen. Denn klar ist, dass globale Informationsmärkte und digitale Ökonomien der Aufmerksamkeit die Relevanz und Reichweite journalistischer Berichterstattung mehr denn je auch von Markenbildung, Markenwerten und Markenloyalität abhängig machen. „Der konsumentenbasierte Markenwert von Nachrichtenmedien“ liefert Werkzeuge, um diese Aspekte der Beziehung zwischen Rezipient:in und Marke unabhängig voneinander oder als Beziehungsgeflecht messbar zu machen. Grundsätzlich lässt sich ein Großteil des Modells problemlos auch in der PR-Forschung anwenden. Allerdings steht dabei Gianna Luisa Ehrlichs wichtiger Hinweis auf die Notwendigkeit inhaltlicher Anpassung im Sinne des spezifischen Handlungsfeldes, in dem sich die zu analysierenden Marken bewegen. Dadurch entsteht an anderer Stelle basistheoretischer und methodischer Zusatzaufwand, wobei die vorliegende Arbeit ein Stück dieses inhaltlichen Weges bereits zuliefert und zudem als Tutorial für integrative, aber dennoch individualisierende Modellbildung dient.

Damit wird auch der forschungsmethodische Mehrwert des Buches eingeleitet. Die zunehmende Verbreitung der Qualitative Comparative Analysis, hier als fuzzy-set-Version, kann als Ausdruck eines Trends betrachtet werden, quantitative und qualitative Erhebungsverfahren sinnstiftend miteinander zu verknüpfen. Die QCA soll großen Datenmengen aus standardisierten Erhebungen zusätzliche qualitative Tiefe verleihen, indem Schattierungen zwischen Fällen und Variablen deutlich werden. Hier wird dadurch beispielsweise identifiziert, welche Faktorkombinationen einen höheren oder weniger hohen Markenwert bewirken, und welche Faktoren in welcher Kombination hinreichende oder notwendige Bedingungen für das angestrebte Ergebnis „hoher Markenwert“ darstellen. Insgesamt lohnt es deshalb, diese Methode bei der Messung von latenten Konstrukten weiter zu testen, gerade dann, wenn diese stärker von der Bewertung Dritter abhängen (etwa Authentizität, Vertrauen oder Qualität).

Bleibt abschließend noch zu durchdenken, welche Wünsche ein:e Leser:in gegenüber dieser Forschung äußern könnte. Unter anderem fällt auf, dass die Arbeit lediglich global und eher knapp an den Praxisdiskurs sowie an die journalistische Kommunikator- und Medieninhaltsforschung angebunden wird. Gianna Luisa Ehrlich reflektiert den Mehrwert ihrer Befunde auch für die journalistische Praxis im abschließenden Kapitel, jedoch könnte man hier noch weiter gehen. Zum einen wäre vorstellbar, auch innovativere Formate des (Nachrichten‑)Journalismus sowie laienjournalistische Akteure einzubeziehen. Beide bilden in der Diskussion um Markenbildung und Markenwert wertvolle Beispiele. Für praktizierende Journalist:innen und Medienmanager:innen wäre es hilfreich, die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit direkt mit realen Ankerbeispielen zu verknüpfen. Gleichzeitig sollte diskutiert werden, inwiefern das hier präsentierte Markenwert-Modell auch Social-Media-Nachrichtenformate abbilden kann und ob speziell für junge Rezipient:innen, die auch von klassischen, großen Medienmarken verstärkt adressiert werden, abweichende Faktorkombinationen gelten. Sicher ist dagegen, dass Gianna Luisa Ehrlichs Arbeit zum konsumentenbasierten Markenwert von Nachrichtenmedien in der vorliegenden Form aus verschiedenen Gründen sehr komplex und anspruchsvoll zu lesen ist. Das Buch, aus dem deutlich das Herzblut und die Gründlichkeit einer ausgezeichneten Dissertation sprechen, könnte insofern noch als Aufsatz, Praxishandreichung oder Short Scale erscheinen, um den inhaltlichen Mehrwert auch Studierenden, Praktiker:innen und der breiten Öffentlichkeit optimal zugänglich zu machen.