Der Autor Olaf Hoffjann sagt über seinen Band selbst, das Thema habe auf der Straße gelegen. Und in der Tat: die Frage der (strategischen) Ambiguität hat eine seit Jahren steigende Aktualität in unterschiedlichen Feldern der Kommunikationsforschung. Das betrifft im Kern die (internationale) Forschung zur Strategischen Kommunikation, es trifft aber ebenso gut zu auf Arbeiten zur Wirtschafts- oder Medienethik, wo das Ausbalancieren von Ansprüchen oder die Nutzung von Vagheit in den letzten Jahren eine gewisse Bedeutung erlangt hat.

Das Indiz, von dem Hoffjann ausgeht, ist die praktische Relevanz des Einsatzes von Mehrdeutigkeit – etwa in der politischen Rhetorik. Wissenschaftlich zurückzuführen sei das Konzept wahlweise auf Eric Eisenberg oder Niklas Luhmann (beides auf 1984 datiert). Und eine Massenbewegung hin zur Mehrdeutigkeit kann er zwar bislang nicht erkennen, dennoch sei die „Lust an der Mehrdeutigkeit“ eine Reaktion auf die „Widersprüchlichkeit, die heutige Gesellschaft auszeichnet“ (S. 3). Von diesem Befund aus wird zunächst die Argumentation zweier Paradigmen für die Strategische Kommunikation aufgebaut: Hier das Streben nach Eindeutigkeit und Kohärenz, das Praktikerliteratur zur PR, aber unter anderem auch die Forschungen zur Integrierten Kommunikation beseelt, dort Ansätze zur Polyphonie, wie sie insbesondere aus Skandinavien in den letzten 15 Jahren immer wieder argumentiert wurden: Die Organisation kommuniziert vielstimmig, Aufgabe der Kommunikation ist es, diese Polyphonie, ihre Vielstimmigkeit zu „dirigieren“, zu „orchestrieren“. Diesen Perspektiven geht Hoffjann nach in Forschungen zu Corporate Social Responsibility (CSR) und zur Frage der Täuschung durch Mehrdeutigkeit, also bis hin zur medienethischen Bewertung.

Nach einer genaueren Ausdeutung des Konzeptes der Ambiguität (und ihres notwendigen Pendants der Ambiguitätstoleranz) behauptet der Autor eine „Explosion der Ambiguität“, auf die sich die aktuelle Relevanz stützt. Diese ergibt sich aus der Auflösung gesellschaftlicher Gegensätze (oben/unten), an deren Stelle das gleichberechtigte Nebeneinander tritt; das also, was einerseits unsere liberale Demokratie bedingt, andererseits in Zeiten fortschreitender gesellschaftlicher Verfeinerung (gendersensible Sprache, Inklusionsbewegungen, Mitbestimmungsansprüche, das Kosmopolitische etc.) aber auch zu gesellschaftlichen Spannungen führt. Hier treten die soziologischen Paten von Beck über Nassehi und Bauer bis Reckwitz auf, um die Argumentation zu stützen. Es geht darum, die Mehrdeutigkeit auszuhalten, die vom Journalismus getrieben und von der Öffentlichkeit gespiegelt wird.

Organisationen reagieren darauf nun mit einer doppelten Fluchtbewegung: Einmal vor der Eindeutigkeit – und vor der Mehrdeutigkeit, was in einem Oszillieren zwischen Ein- und Mehrdeutigkeit ende, situativ werde mal dieses und mal jenes eingesetzt. Hier greift der Autor viel in die konstruktivistische Trickkiste und verortet ebenso populäre Theorien der letzten Jahre wie etwa Communicative Constitution of Organizations (CCO) im Diskurs. Man vermisst ein wenig das Konzept der Ambidextrie, ansonsten aber ein schöner Bogen, der hier geschlagen wird. Im sechsten Kapitel findet sich der Ort eigener Theoriebildung, wenn es um die konkreten, unterscheidbaren Formen von strategischer Ein- und Mehrdeutigkeit und ihrer praktischen Anwendung und Relevanz geht. Der Autor dekliniert hier konkrete Einsatzbeispiele durch: Von der Darstellung im Unternehmensprofil über Themenwahl bis Absendertransparenz. Hier geht es beispielsweise um die Gründung von Cameo-Organisationen durch PR-Treibende (z. B. vermeintlich neutrale Interessenverbände), den Einsatz von vermeintlich neutralen Experten oder auch um Testimonials – alles Formen mehrdeutiger Absendertransparenz. Dieses Kapitel ist ein echter Parforceritt und theoretisch dicht, aber immer ganz nah an der praktischen Anwendung. Das darf dem Autor ruhig mal jemand nachmachen. Dürfte nur wenigen gelingen. Viel zitiert werden Goffmann, Luhmann und Hoffjann selbst – das aber ist nicht nur Selbstreferenz, sondern auch gut nachvollziehbarer Beleg dafür, dass der Autor über viele Jahre hinweg systematisch diese und andere Diskurse befeuert hat und hier nun eine Zusammenschau vorlegt, die sich schrittweise entfaltet hat.

Nach einem Kapitel über die Bedeutung strategischer Kommunikationsspiele kommt Olaf Hoffjann abschließend zur Zusammenfassung und Bewertung der Folgen. Hier geht er auch auf die ethische Valenz der Praxis ein, die er sehr eindeutig qualifiziert: Wer strategische Ambiguität einsetzt, um Adressaten zu einer für ihn günstigen, seiner eigenen Auffassung nach aber falschen Interpretation zu verleiten, verhalte sich „ethisch fragwürdig“ (oder eben unmoralisch; Anm. des Rezensenten), wenn er gleichzeitig davon ausgehe, sich dem Vorwurf einer Täuschung entziehen zu können durch Verweis auf die anderen, ebenfalls möglichen Interpretationen. Genau das ist der Punkt und von Hoffjann sehr schön dargestellt.

Fazit: Das ist ein bemerkenswertes Buch, zwar nicht frei von Redundanzen, die aber in der Art des Zugangs und der prismatischen Betrachtung und Zergliederung des Gegenstandes bedingt sind. Neben vielfältigen Tabellen, in denen Hoffjann seine Unterscheidungen strukturiert, kommen immer wieder die für ihn typischen Wolkenbilder und Kontinuumsdarstellungen vor, deren Erklärungsvorteil gegenüber der verbalen Beschreibung meines Erachtens eher gering ist. Aber Hoffjann ist nicht nur ein systemtheoretisch geschulter Denker, er ist auch einer der wenigen echten Autoren im Feld. Und das will was heißen.