Der Briefwechsel ist als Form der Wissenschaftskommunikation ein wenig in Vergessenheit geraten; schon deshalb bin ich Elena Link und Alexander Rihl dankbar für ihren Beitrag in der Publizistik, weil sie dieses diskursive Format in das zeitgemäße Gewand eines Mail-Threads gekleidet haben. Wichtiger als die Form ist aber selbstverständlich der Inhalt. Und der lässt mich nachdenklich zurück.

Dabei gibt es viele Dinge in diesem Beitrag, die mich alles andere als nachdenklich stimmen, wie etwa die Reflexion der eigenen Position im Feld, das erkennbare Ringen um differenzierte Sichtweisen, die Offenheit, in der Probleme benannt werden, und die klare Handlungsorientierung. So sehen Texte aus, die uns inspirieren können, Sichtweisen zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten.

Nachdenklich machen mich hingegen die Wahrnehmungen aus dem Mittelbau, von denen die Autor*innen berichten: Von Ängsten ist die Rede, Befürchtungen, negativen Konsequenzen nach fachpolitischen Äußerungen und von Gift für eine aufgeschlossene Diskussionskultur in unserer Fachgesellschaft. Hängt denn wirklich im Jahre 2022 eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaft davon ab, ob man in einem Forum etwas zur Gender-Debatte postet? In einer DGPuK, die Jahr für Jahr diverser wird?

Die Schilderungen zeigen: Es gibt Kolleg*innen in unserem Fach, die diese Frage für sich mit ja beantworten. Und das sollte uns als Community in zweierlei Hinsicht Sorgen machen. Zum einen als Indiz dafür, dass es an Instituten für Kommunikationswissenschaft noch Arbeitskontexte zu geben scheint, in denen eine fachpolitische Positionierung nicht als willkommene Irritation, sondern als Störung wahrgenommen wird. Zum anderen, und das scheint mir der wichtigere Punkt zu sein, weil es uns nicht ausreichend gelingt, die Vorbehalte zu zerstreuen, dass fachöffentliche Äußerungen Kandidierenden in Berufungsverfahren zum Nachteil gereichen.

Was also tun? Ich teile die Einschätzung von Elena Link und Alexander Rihl, dass anonymisierte Debatten das Problem nur verschleiern, ganz unabhängig davon, in welcher Schärfe es sich stellt. Ich teile die Position, dass es uns gelingen muss, fachpolitische Fragen übergreifend über Statusgruppen zu diskutieren. Und ich teile die Wahrnehmung, dass Schärfe und Zuspitzung legitim, aber nicht immer geeignet sind, um Kolleg*innen am Beginn ihrer Karriere zu einer Teilnahme an Diskursen zu ermuntern.

Ich hadere dagegen mit dem Wunsch nach mehr Regulierung von Debatten, allein schon deshalb, weil sich beim jüngsten Beispiel „Genderstern“ eine Online-Debatte entwickelt hat, die aus meiner Sicht weit mehr war als ein „Strohmann-Argument zur Meinungsverstärkung ohnehin privilegierter alter weißer Männer“, wie Link und Riehl schreiben. Vor allem aber droht es den Fokus zu verschieben – weg vom Problem der Machtstrukturen in Arbeitskontexten hin zu einer Diskussionskultur, die sicher nicht perfekt, aber, wie die beiden Autor*innen ausführen, auch nicht strukturell problematisch ist.

Wenn wir als Community hier Befürchtungen zerstreuen wollen, sind zunächst Daten gefragt. Dass die Mittelbausprecher*innen diese jetzt in regelmäßigen Abständen erheben wollen, ist ein wichtiger Schritt, um die Tragweite von möglichem Machtmissbrauch nicht nur nach Bauchgefühl einschätzen zu können. Schon jetzt braucht es aber meines Erachtens noch mehr ‚mächtige‘ Kolleg*innen, die eine offene Arbeits- und Führungskultur vorleben, gerade auch im Hinblick auf faire Wettbewerbsbedingungen in Bewerbungsverfahren. Und auch wenn der (Arbeits-)markt nicht alles richtet – aktuell spielt er allen in die Karten, die selbstbewusst ihre Standpunkte vertreten.