Wer sich für die Krisenkommunikation in der digitalen Gesellschaft interessiert, wird an dem hier zu besprechenden Werk weniger Freude haben. Anders als der griffige Titel suggeriert, befasst sich das Buch nur am Rande mit der Digitalisierung der Kommunikation in und über Krisen, was freilich nicht verwundert, da es zuvorderst mit einem anderen Fokus konzipiert wurde. Das originäre Manuskript hat die Philosophische Fakultät der Universität Jena 2020 unter dem Titel „Nachhaltige Kommunikation – die Eigendynamik von Kommunikationsprozessen am Beispiel der Krisenkommunikation“ als Dissertation angenommen.

Mit der Schrift möchte die Autorin ein „Verständnis komplexer Zusammenhänge für die nachhaltige Krisenkommunikation“ (S. 25) schaffen und die Frage beantworten, „wie Kommunikation zu Krisenzeiten nachhaltig werden bzw. sein kann und welche Kommunikationsformen ressourcenorientierte, wertschätzende und langfristige Beziehung etablieren bzw. pflegen können.“ (S. 20) Eine solche Analyse sei sinnvoll, denn „Theoriebildungen zur Beschreibung von Unternehmenskommunikation zu Krisenzeiten lassen sich weniger finden und sind oft eher in deskriptiver und einzelfallorientierter Praxisliteratur zu verorten.“ (S. 19). Vor zwei Jahrzehnten hätte ich dieser pauschalen Kritik weitgehend zugestimmt. Systematische Literaturanalysen, etwa von Diers-Lawson (2017) oder Ha und Boynton (2014), das von Schwarz et al. (2016) publizierte Handbuch zur internationalen Krisenkommunikationsforschung oder der von der Autorin zwar mehrfach zitierte, aber nicht wirklich gewürdigte Theorienüberblick von Sellnow und Seeger (2013) zeigen freilich ein anderes Bild. Die dort erläuterten Ansätze zur theoretischen Durchdringung von Krisenkommunikation – und die damit verbundenen empirischen Studien – blendet sie fast vollständig aus.

Um „Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Krisenkommunikation“ (S. 235) zu erarbeiten, erscheinen der Autorin andere, bisher wenig beachtete theoretische Diskurse bedeutsamer. Nach der Klärung einiger grundlegender Begriffe beschäftigt sie sich im dritten Kapitel zunächst mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit, was mir gleichermaßen interessant wie paradox erscheint. Wie lässt sich Kommunikation in und über Krisen nachhaltig gestalten, wenn diese „oft unerwartet“ (S. 71) auftreten? Die Antwort fällt etwas enttäuschend aus, löst jedenfalls die Paradoxie nicht auf – nicht zuletzt, weil Kommunikation und Krisenkommunikation oftmals gleichgesetzt werden.

Im Kern gehen Störmers Empfehlungen für eine nachhaltige (Krisen‑)Kommunikation selten über das normative Grundgerüst einschlägiger PR-Praxisratgeber hinaus. So seien „Informationen für Stakeholder nicht nur kontinuierlich und konsistent zu vermitteln, sondern auch präzise darzustellen“ (S. 98), wobei die „angesprochenen Themen tatsächlich bedeutsam für die Stakeholder“ (S. 241) sein sollten. Wichtig seien zudem „Authentizität“ (S. 104), „regelmäßige Kommunikation“ (S. 98) und „langfristige Reziprozitätsbeziehungen“ (S. 96), bei denen durch „Dialogizität Verbindlichkeit hergestellt“ und den Stakeholdern die Möglichkeit gegeben werden solle, „die Beziehung mitzugestalten“ (S. 99).

Allerdings sähen sich Organisationen „mit einem zunehmend komplexen Kommunikations- und Informationssystem und seinen schwer prognostizierbaren eigendynamischen Ordnungen“ (S. 121) konfrontiert. Im vierten Kapitel rückt die Autorin daher die Komplexität und Eigendynamik von Kommunikationsprozessen in den Mittelpunkt – Aspekte, die im theoretischen Diskurs über Krisenkommunikation in der Tat kaum Beachtung fanden. Erneut erscheinen jedoch die „Lösungsansätze“ (Buchtitel), die sich aus der eklektisch anmutenden Analyse von Komplexitäts- und Chaostheorien, Invisible-Hand-Prozessen und „eigendynamische[n] Impulsverläufe[n] der Krisenkommunikation“ (S. 144) ergeben, eher unterkomplex (und manchmal etwas wirklichkeitsfremd).

Nachvollziehbar ist zwar die Einschätzung, dass die Dynamik von Kommunikation in Krisen dazu führe, dass „Prozesse nicht bis ins Detail steuerbar“ (S. 117) seien. Statt Steuerungswünschen sollten Organisationen allerdings eine „Sensibilisierung für Instabilitätspunkte“ (S. 261) entwickeln, d. h. Issues, die zu einer Krise werden können, frühzeitig erkennen, sowie einen „langfristigen Beziehungsaufbau zu relevanten Anspruchsgruppen“ (S. 256) sicherstellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass weder Issues Management noch eine „vertrauensbildende, glaubwürdige und nachhaltige Beziehungspflege“ (S. 117) an der erschwerten Steuerbarkeit kommunikativer Prozesse etwas ändert, sobald eine Krise trotz dieser sinnvollen Maßnahmen ihren Lauf genommen hat.

Nicht berücksichtigt werden in diesem Kontext daneben empirische Befunde, nach denen etablierte Beziehungen zu Redaktionen keineswegs ein Garant für erfolgreiche organisationale Krisenkommunikation sind. Denn in Krisen steigen zwar die Resonanzquoten von Pressemitteilungen, gleichzeitig erhöht sich bei deren Verarbeitung aber die journalistische Eigenrecherche, Wertungen fließen ein und das Input-Material wird stärker gekürzt. Insofern ist es zwar anerkennenswert, dass die Autorin im fünften Kapitel zusätzlich netzwerktheoretische Perspektiven diskutiert; die Berücksichtigung der Befunde empirischer Forschung hätte den Wert der Dissertation jedoch gesteigert.

Zusammengenommen hat Maja Störmer die theoretische Debatte über die organisationale Krisenkommunikation im Hinblick auf die Diskussion von Nachhaltigkeits‑, Komplexitäts- und Netzwerkaspekten zwar bereichert, ohne allerdings die krisenkommunikationsorientierte Forschung hinreichend differenziert zu berücksichtigen. Angesichts vielfältiger Studien zur Relevanz sozialer Medien oder des wichtiger werdenden Diskurses über KI-Systeme in der Krisenkommunikation reicht es zudem nicht aus, digitale Strukturen und Prozesse als Treiber des komplexen Wandels der Kommunikation lediglich über eine undifferenzierte Chiffre wie Web 2.0 zu erfassen.