Trotz seiner unbestreitbaren gesellschaftlichen Relevanz gehört das Thema Public Affairs noch nicht zu den Kernthemen der Kommunikationswissenschaft – weder im Bereich der politischen Kommunikationsforschung noch in der Unternehmens- oder Organisationskommunikation. Ein Indiz dafür ist, dass die bisher erschienenen Handbücher und Sammelbände vorwiegend eine wirtschafts- oder politikwissenschaftliche Perspektive einnehmen. Beispiele hierfür sind das 2007 bei Sage erschienene und von Harris und Fleisher herausgegebene „Handbook of Public Affairs“ sowie der 2017 bei Palgrave Macmillan herausgekommene Sammelband „Lobbying in Europe: Public Affairs and the Lobbying Industry in 28 EU countries“ (Herausgeber Bitonti und Harris). Da Public Affairs aber auf öffentliche, nichtöffentliche und teil-öffentliche Kommunikation zurückgreift, um Organisationsinteressen in der politischen Arena durchzusetzen, ist die Kommunikationswissenschaft wie kaum eine andere Sozialwissenschaft in der Lage, Public Affairs zu untersuchen.

Daher adressiert das von Ulrike Röttger, Patrick Donges und Ansgar Zerfaß herausgegebene Handbuch Public Affairs eine eklatante Leerstelle in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur. Gleichsam sollte an dieser Stelle jedoch auch auf das Handbuch Lobbyismus (Hrsg. Andreas Polk und Karsten Mause) verwiesen werden, welches derzeit bei Springer VS im Erscheinen ist und sich als vertiefende Ergänzung zu diesem Teilgebiet der Public Affairs anbietet. Dabei zeigt die fast zeitgleiche Veröffentlichung dieser verwandten Handbücher, dass die Themen Public Affairs und Lobbyismus trotz ihrer anhaltenden Relevanz kommunikationswissenschaftlich noch nicht adäquat aufgearbeitet wurden.

Das selbst auferlegte und durchaus ambitionierte Ziel des Handbuchs ist es, die Rahmenbedingungen von Public Affairs Management zu analysieren und einen umfassenden Überblick über die Einsatzfelder, Instrumente und Maßnahmen von Public Affairs zu geben. Gleichsam zielen die Herausgeber:innen darauf ab, dies nicht nur aus einer rein kommunikationswissenschaftlichen Perspektive heraus zu machen, sondern Perspektiven der Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven nebeneinander zu stellen, während gleichzeitig Public Affairs auch aus der Sicht von Praktiker:innen aus unterschiedlichen Anwendungsfeldern beleuchtet werden soll. Nach eingehender Lektüre des Buches muss man konstatieren, dass die Herausgeber:innen ihr ambitioniertes Ziel erreichen konnten. Ihnen ist zu diesem rundum gelungen Werk zu gratulieren.

Das Themenspektrum des Handbuchs umfasst dabei die Diskussion zentraler Begriffe und Definitionen (z. B. Beitrag der Herausgeber:innen und Einzelbeitrag von Donges), die Darstellung der Rolle von Public Affairs für zentrale Akteure wie Unternehmen (Beitrag Ingenhoff und Hugi) oder Interessengruppen (Beitrag Specht), die Betrachtung zentraler Rahmenbedingungen und der Wandel derer (z. B. durch Mediatisierung und Medialisierung – Beitrag Birkner), die Analyse des Berufsfeldes Public Affairs (z. B. Beitrag Fuhrberg) und die Vorstellung zentraler Anwendungsgebiete von Public Affairs (z. B. Grassroots Lobbying – Beitrag Röttger, Ecklebe und Dudenhausen). Trotz der stattlichen Länge von über 600 Seiten gelingt es dem Handbuch stets Querverbindungen zwischen den Kapiteln herzustellen, sodass insgesamt eine kohärente Perspektive auf den Forschungsgegenstand Public Affairs gegeben werden kann.

Aufgrund des breiten thematischen Spektrums und der Vielfalt der vorgestellten Perspektiven ist das Handbuch gewinnbringend für gleich mehrere Zielgruppen: Zunächst ist es eine wertvolle Ressource für die Konzeption von Lehrveranstaltungen. Außerdem ist das Handbuch ein hervorragender Ausgangspunkt für wissenschaftliche Literaturrecherche. Studierende hingegen können vor allem von den sehr präzisen Beiträgen zu Grundlagen der Public Affairs profitieren. Dabei setzt sich das Handbuch zum einen detailliert mit der Frage auseinander, was Public Affairs eigentlich sind, und wie sie mit bekannten Konzepten wie Public Relations, strategischer Kommunikation oder politischer Kommunikation zusammenhängen (Beitrag der Herausgeber:innen). Zum anderen werden auch andere zentrale Begriffe diskutiert, bei denen in der gängigen Literatur oft stillschweigend ein gemeinsames Verständnis vorausgesetzt wird. Ein Beispiel hierfür ist Donges’ Betrachtung der Begriffe Interesse, Interessenvertretung und Interessenvermittlung. Schließlich ist das Handbuch auch relevant für Praktiker:innen. Diese können vor allem von den detaillierten Betrachtungen zum Berufsfeld der Public Affairs profitieren.

Wenn man an dem Handbuch überhaupt etwas kritisieren möchte, ist es der uneinheitliche Umgang mit geschlechtergerechter Sprache. Dabei verwendet der Großteil der Kapitel das generische Maskulinum, während der Beitrag von Zimmer auf das „Gendersternchen“ zurückgreift. Der Beitrag von Thummes schließlich nutzt das generische Femininum. Vor allem als Leser:in des gesamten Buches hätte man sich hier eine einheitliche Regelung gewünscht. Trotzdem stellt das Handbuch Public Affairs einen immens wichtigen Beitrag zu der kommunikationswissenschaftlichen Betrachtung der Rahmenbedingungen, Instrumente, Einsatzfelder und Akteur:innen der Public Affairs da. Es sollte demgemäß zu den Standardwerken für Lehrende auf diesem Gebiet zählen und ist als geeigneter Ausgangspunkt für Literaturrecherchen nur zu empfehlen.