Der Titel des Buches deutet es bereits an: Miira Hill geht es um eine historische Einordnung des relativ neuartigen Veranstaltungsformats Science Slam in die Geschichte der öffentlichen Wissenschaftskommunikation und sie zeigt auf, dass manches, was auf den ersten Blick sehr innovativ erscheint, gar nicht so neu ist. Die Dissertation ist im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Innovationsgesellschaft heute“ an der TU Berlin entstanden, was die besondere Berücksichtigung des Innovationsthemas erklärt. Nach der Einführung unternimmt die Verfasserin zunächst einen Parforceritt durch die Geschichte der Wissenschaftskommunikation seit dem 17. Jahrhundert. In der Tat ist ein Blick zurück oftmals hilfreich, um sowohl die Interdependenz als auch die Kontingenz gegenwärtiger Entwicklungen zu erkennen. Interessant sind vor allem die Ausführungen zum „scientific self“, also zum Selbst- und Fremdbild der Wissenschaftler:innen. Die Verfasserin präsentiert in diesem Zusammenhang neun verschiedene Typen von Wissenschaftlerpersönlichkeiten, die für „Slammer:innen“ relevant seien. Inwiefern diese Typologie aus ihrer eigenen empirischen Erhebung abgeleitet wurde bzw. auf welche anderweitigen Beobachtungen sich diese stützt, bleibt leider völlig unklar.

Hill belässt es jedoch nicht bei einer historischen Einordnung, sondern bemüht sich auch um eine soziologische Rahmung ihres Forschungsgegenstands. Dabei wagt sie sich an die ganz großen Themen: die Moderne, das Verhältnis von Rationalität und Gefühlen, der Neoliberalismus und seine Technologieversessenheit, Donald Trumps „post-truth politics“, die legendäre Vertrauenskrise der Wissenschaft. All diese Überlegungen sind nie so richtig falsch; dennoch wirken sie an vielen Stellen zu hoch gegriffen und in ihrer distanzlosen Aneinanderreihung auch eklektisch. Ging es nicht eigentlich um Science Slams? Doch das alles ist offenbar wichtig, weil Science Slams eben nur funktionieren, wenn ihre Sprecher:innen als vertrauenswürdig gelten.

Dementsprechend ernst wird es dann im dritten Kapitel, in dem Hill nichts weniger als ein theoretisches Rahmenkonstrukt für die Wissenschaftskommunikationsforschung entwirft. Dabei setzt sie sich recht ausführlich mit dem Sozialkonstruktivismus nach Berger und Luckmann und deren Einfluss auf die Science and Technology Studies (STS) auseinander. Auf Hegel und Marx rekurrierend, macht sich Hill außerdem Gedanken über die Dialektik von Wissen und Gesellschaft und die Objektivierung von Wissen durch Verkörperung. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Hill die Trivialisierung von Science Slams beklagt und für eine striktere Qualitätskontrolle eintritt. Diese soll gewährleisten, dass das Forschungsthema im Mittelpunkt steht und der Science Slam nicht zu einer Comedyshow verkommt.

Nachdem die Verfasserin das ganze Panorama der sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie an die Wand geworfen hat, präsentiert sie ihre eigene empirische Studie zu Science Slams, die zwar explorativ angelegt ist und zum Teil auf der „Grounded Theory“ basieren soll, andererseits jedoch „clear theoretical assumptions about communicative action and genre“ folgt, wobei auf die Formulierung von Hypothesen verzichtet wird. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass es sich um eine soziologisch-ethnographische Studie handelt. Dementsprechend ungewohnt mag einer kommunikationswissenschaftlich geschulten Leserschaft der methodische Zugriff und Umgang mit den empirisch gewonnenen Daten, wie auch die Art und Weise, in der die Befunde dargestellt werden, erscheinen. Grob gesagt, handelt es sich um eine qualitative Inhaltsanalyse von Science Slam-Videoaufzeichungen (N = 19), Veranstaltungswebseiten (N = 14), teilweise leitfadengestützten Interviews mit Zuschauern (N = 6) und Organisator:innen (N = 10) sowie einer ungenannten Zahl von Zeitungsartikeln. Hinzu kommen „documented experiences in the field of ethnography“ (N = 20), womit vermutlich Aufzeichnungen einer teilnehmenden Beobachtung gemeint sind. Aus den Interviews hat die Verfasserin einige interessante Einblicke in die Entstehung und Herausbildung des Science Slams gewonnen. So wird deutlich, wie wichtig YouTube als Distributionskanal geworden ist, nicht nur, um die Zielgruppe zu erreichen, sondern auch, um den Ideenaustausch und den Qualitätsdiskurs unter den „Slammer:innen“ zu organisieren. Thematisiert wird auch der Widerspruch, auf den Science Slammer:innen stoßen, sei es innerhalb des Wissenschaftssystems, sei es von Seiten der scheinbar eifersüchtigen Poetry-Slam-Szene. Nicht uninteressant ist auch die Beobachtung, dass eine der wesentlichen Triebfedern des Science Slams die notwendige Suche nach Forschungsförderung ist.

Die Autorin schließt mit einigen Überlegungen zu öffentlichkeitstheoretischen Problemen und Fragen, die sie auf Science Slams bezieht. Denn auch wenn Science Slams die Wissenschaft aus dem viel zitierten „Elfenbeinturm“ herausgeholt haben, zeigt sich, dass sie zum einen meist nur ein bürgerliches, hochgebildetes Publikum erreichen, und zum anderen eben auch nur Forscher:innen die Sprecherrolle eröffnen. In ihrer Studie hat Hill diesen Aspekt leider nicht untersucht, aber dies wäre ein spannender Ansatzpunkt für weitergehende kommunikationswissenschaftliche Forschung.

Nun stellt sich sicherlich die Frage, ob eine kommunikationswissenschaftliche Rezension einer ethnographischen Arbeit gerecht werden kann. Unterschiedliche Disziplinen arbeiten mit unterschiedlichen Methoden und Ansätzen. Was in der einen Disziplin als besonders aussagekräftig gelten mag, wird in der anderen Disziplin als methodisches Manko aufgefasst. Dafür ist die Arbeit von Hill ein gutes Beispiel, und sie zeigt auf, dass die aktuell geforderte Integration des Forschungsfelds Wissenschaftskommunikation nicht bloß eine Frage des guten Willens ist, sondern eine echte Herausforderung darstellt. Ungeachtet solcher interdisziplinären Gräben, die ein gegenseitiges Verständnis mitunter erschweren, hinterlässt die Lektüre dieses Buches den Eindruck einer geradezu schwindelerregenden Achterbahnfahrt, deren abenteuerliche Dialektik aus Theorie und Empirie sicher einen interessanten Spannungsbogen für einen unterhaltsamen Science Slam bietet.