„Festschriften sind eine Publikationsgattung mit eigenen Regeln und Usancen.“ Dem ersten Satz in Jürgen Wilkes Beitrag zu diesem Sammelband wäre eigentlich nichts hinzuzufügen. Wenn da nicht zwei Leerstellen wären. Dass es sich um eine Festschrift zu Ehren von Gabriele Melischek und Josef Seethaler handelt, können die Leser*innen jedenfalls nicht auf den ersten Blick erkennen. Ein entsprechender Untertitel fehlt, kein Wort davon auch im Klappentext. Das ist schade.

Die drei Herausgeberinnen schreiben in ihrer Einleitung, sie wollten mit dem Band ihre Wertschätzung ausdrücken, Anlass seien die „runden Geburtstage beider JubilarInnen“ gewesen (S. 9). Die wissenschaftliche Lebensleistungen der beiden Genannten wird hier zurecht an etlichen Stellen gewürdigt, fokussiert aber im Beitrag von Herbert Matis, der die jahrzehntelangen Anstrengungen von Melischek und Seethaler für die Etablierung der Kommunikationswissenschaft innerhalb der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nachzeichnet.

Neunzehn Autor*innen haben beigetragen. Nach der Einführung bieten Christian Oggolder und Jürgen Wilke zwei historische Perspektiven auf Medien und Demokratie. Wilke rekonstruiert sehr interessant eine Pionierstudie des Internationalen Arbeitsamts von 1928, mit der erstmals die Arbeitsbedingungen und das Lohnniveau von Journalist*innen erforscht wurden. Dieses frühe Exempel von Journalismusforschung ist hochrelevant, spätestens seit im Fach die Prekarisierung der journalistischen Profession diskutiert wird.

Der normative Absatz des Bandes, den schon der Buchtitel signalisiert, führt zwingend zur Frage der Medienqualität. Maren Beaufort fächert die Pluralität nebeneinander existierender Qualitätsbegriffe auf, betont die oft missachtete Definitionsmacht des Publikums, was Qualität sei, und kommt zu dem Schluss, dass Menschen, die sich von der Medienrezeption vor allem Partizipation (an Gesellschaft und Demokratie) erhoffen, wenige dementsprechende Medienangebote auf dem Markt vorfinden.

Partizipation ist auch ein Leitmotiv von Mark Eisenegger und Linards Udris, die die „Medienqualität in der digitalen Ära“ untersuchen. In der Perspektive des partizipatorischen Demokratiemodells seien „Unterhaltung und Softnews (…) nur insofern zulässig, als sie dem Ziel demokratischer Aktivierung dienen“ (S. 100, ebenso 107). Das Diktum „zulässig“ geht aber doch sehr weit, denn Pressefreiheit ist ja ein Grundrecht, das es weitestgehend in die Freiheit der Ausübenden stellt zu entscheiden, was und wie man sich ausdrücken möchte. Unklar bleibt auch, was die beiden Autoren zu „Softnews“ usw. zählen. Das gerade in digitalen Medienangeboten zu beobachtende click baiting etwa? Wäre also eine aufmerksamkeitserregende Schlagzeile erlaubt, wenn sie nur auf demokratiepolitisch relevante Inhalte hinführt? Zur „Aktivierungsqualität“ gehören auch Emotionen, erfahren wir zum Schluss. Auch Empörung sei erlaubt, wenn denn angegeben werden könne, „welche Gründe die Empörung rechtfertigen“ (S. 109). Nun, Eisenegger und Udris wissen selbst, dass es noch empirischer Untersuchungen bedarf, um dieses Qualitätsmodell auf seinen Realitätsgehalt hin zu testen.

Der „Rolle der Medien und des Journalismus für die Demokratie“ sind gleich vier Beiträge gewidmet (nebenbei bemerkt: „Rolle für“ ist nicht ganz stilsicher). Otfried Jarren beschreibt lesenswert die Interaktion der Akteure im medial-demokratischen System, er lässt auch die Intermediäre nicht aus. Neben ein paar Druckfehlern irritiert jedoch die fünffache Verwendung der Formel „im Schatten des Staates“. Jarren meint damit die strukturelle Ausgestaltung des „Netzwerks der Medien“ (S. 120) im Zusammenwirken mit politischen und rechtlichen Institutionen. Mit dem „Schatten“ verbindet der Autor offenbar keine kritische Wertung – die aber hätte diskutiert werden können, wenn man an die aktuell grassierenden Unterstellungen denkt, Medien erfüllten Aufträge des Staates.

Bedrückend wirkt die Bestandsaufnahme von Andy Kaltenbrunner und Daniela Kraus zur erodierenden Pressefreiheit in Österreich. Viele Kräfte verrichten hier ihr demokratiegefährdendes Werk. Und als hätte es noch eines Beweises bedurft, wie ernst die Lage in dem EU-Staat ist, stürzte Österreich im jüngsten Pressefreiheits-Ranking von Platz elf auf 31 ab. In einem eigentümlichen Kontrast dazu steht es, wenn wir gleich im nächsten Aufsatz von Nina Steindl, Thomas Hanitzsch und Corinna Lauerer erfahren, dass Österreichs Journalist*innen politische oder sonstige Einflussnahmen auf ihre Arbeit entweder gar nicht oder als sehr schwach wahrnehmen – was übrigens bei deutschen Journalist*innen nicht viel anders ist.

Beigetragen zu diesem Band haben auch Roland Burkhart und Uta Rußmann (über den Zusammenhang von Negative Campaigning und Wahlkampfberichterstattung), Uwe Hasebrink (über die Qualität von Nachrichtenmedien aus der Publikumsperspektive) sowie Hans-Bernd Brosius und Christina Peter (mit einer Studie zur Rezeption von Corona-Berichterstattung und der daraus resultierenden Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz staatlicher Präventionsmaßnahmen).

Unter dem normativen – und unbestreitbar wahren – Titel „Demokratie braucht Medien“ sind hier etliche lohnende Lektüren versammelt. Die weite Spannbreite des Titels wurde aber nicht ausbuchstabiert – was wohl auch nicht zu erwarten war, zumal von einer Festschrift; dazu bräuchte es ein Handbuch von vielen Hundert Seiten. Dennoch vermisst man manches, das sich bei diesem Thema aufdrängt. Wenn man die Prämisse akzeptiert, dass Demokratie von unten wächst, hätte man sich einen Blick auf den Lokaljournalismus gewünscht. Oder auch auf den Hauptstadtjournalismus, also die Interaktion von politischer und journalistischer Elite. Ebenso auf die Vertrauenskrise des Journalismus, die nur hier und da anklingt. Es fehlt also an Problematisierung, aber auch an kundigem Blick auf die journalistische Praxis. Die Leistungen des modernen Investigativjournalismus für die Demokratie – auch das wäre ein lohnendes Thema gewesen.