Der journalistische Nachrichtenartikel in gedruckter oder digitaler Form, der Kommentar unter einem YouTube-Video oder der Blogeintrag stehen aus unterschiedlichen Perspektiven im Erkenntnisinteresse der Kommunikationswissenschaft. Mit dem Aufkommen digitaler Technologien und der damit einhergehenden Popularität von Social-Media-Plattformen vervielfältigten sich die – meist textuellen – Meinungsäußerungen im digitalen Raum. Entsprechend steht die Kommunikationswissenschaft vor einer beeindruckenden Menge an erfass- und auswertbaren Daten. Die Verarbeitung, Ordnung und Interpretation dieses Datenvolumens stellen das Fach vor methodische Herausforderungen. Die Identifizierung von verschiedenen Themen spielt hierbei eine zentrale Rolle. In diesem Kontext argumentiert Elisabeth Günther ausführlich und nachvollziehbar für das Topic Modelling als eine sinnvolle und notwendige Ergänzung des methodischen Werkzeugkastens der Kommunikationswissenschaft.

Das mit dem Herbert von Halem Nachwuchspreis ausgezeichnete Buch verfolgt den Ansatz der umfassenden Einführung in den breiteren Kontext des Topic Modellings. Elisabeth Günther nähert sich dem Topic Modelling aus unterschiedlichen Perspektiven und führt diese gekonnt zu einer Einordnung in die Methoden der Kommunikationswissenschaft zusammen. Konkret wird zunächst der breite Kontext des Technologiewandels, der Algorithmik sowie deren Auswirkung auf die empirische Forschung thematisiert. Hierbei spannt Elisabeth Günther einen relativ großen – eventuell einen etwas zu weiten – Bogen und führt die lesende Person in die Begrifflichkeiten „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“ (KI) ein, welche kritisch und realitätsnah betrachtet und eingeordnet werden. Die Autorin nimmt hier einen deutlichen Standpunkt ein und bricht mit den teilweise zu erwartungsvollen Erzählungen in Bezug auf die Möglichkeiten der KI ohne hierbei die Tragweite der „vierten industriellen Revolution“ (S. 33) zu unterschätzen. Hier findet Elisabeth Günther – wie auch im späteren Verlauf des Buches – eine gelungene Balance zwischen der Darstellung der technologischen Innovationskraft und kritischer Reflektion. Der Ansatz der umfassenden Einführung spiegelt sich auch bei der Darstellung der algorithmischen Verarbeitung natürlicher Sprache wider. Hier werden die wichtigsten Meilensteine in der Forschung von de Saussure über Peirce zu Shannon und Weaver wiedergegeben. Diese Einführung in den Bereich der Algorithmik, der „Künstlichen Intelligenz“ und der Verarbeitung natürlicher Sprache kristallisiert sich in der Formulierung von drei Motiven an die Kommunikationswissenschaft für den Umgang mit algorithmischen Methoden. Das erste Motiv argumentiert, dass eine „strikte Dichotomie aus ‚Mensch‘ vs. ‚Maschine‘“ (S. 163) fehlschlägt. Elisabeth Günther spricht sich im Zuge dessen für das Begreifen von Code als Form der Operationalisierung von menschlichen fuzzy concepts aus. Mit dem zweiten Motiv knüpft die Autorin an die Dekonstruktion der Erzählung der KI als Wundertechnologie an und fordert eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Schwächen von algorithmischen Verfahren in der Kommunikationswissenschaft. Dieser Gedanke wird im dritten Motiv fortgeführt; hier plädiert die Autorin für eine aktive Rolle des Fachs um die „Auswirkungen algorithmischer Entscheidungssysteme für die Gesellschaft einordnen, bewerten und über konkrete Vorschläge mitgestalten zu können“ (S. 166).

Elisabeth Günther nähert sich dem Topic Modelling, neben der technologischen Entwicklung und der algorithmischen Logik, auch aus der Perspektive des Konstrukts „Thema“. In diesem Abschnitt des Buches werden verschiedene wissenschaftliche Zugänge zu diesem Konstrukt, beginnend mit der Kommunikationswissenschaft, dargestellt. Vorgestellt werden alle relevanten theoretischen Konzepte vom Gatekeeper Ansatz bis zur Fragmentierungsthese, bevor auf das „Thema“ als Wissensstruktur eingegangen wird. Elisabeth Günther kommt zu der wichtigen Erkenntnis, dass kein universales Verständnis des Begriffes existiert und sowohl die Kommunikationswissenschaft als auch die Forschung zur „Künstlichen Intelligenz“ hierbei unterschiedliche Ausgangspositionen einnehmen. Der Einfluss dieser Unterschiedlichkeit, unter anderem auf die methodischen Ansätze, zieht sich als zentrale Erkenntnis durch die folgenden Kapitel.

Die methodischen Zugänge zum „Thema“ werden in der Gegenüberstellung der klassischen manuellen und der algorithmischen Themenanalyse beziehungsweise dem Topic Modelling verglichen. In diesem Abschnitt sind insbesondere die Gedanken zur Operationalisierung und Messung des „Themas“ von Interesse. Die Messung eines Themas durch Codierer*innen in einem gelenkten Rezeptionsprozess, welches einen gewissen Grad an Flexibilität durch menschliche Kognition und Weltwissen ermöglicht, und dem streng regelbasierten Vorgehen eines Computers unterscheiden sich in einigen Punkten grundsätzlich. Diese Unterschiede werden im Folgenden mit der Untersuchungsanlage sowie dem Forschungsprozess als Ganzes in Bezug gesetzt. Hier wird auch die Qualität der Messung thematisiert. Elisabeth Günther argumentiert im Zuge dessen für die Reliabilität als triadische Beziehung, welche sich zwischen dem Apparat, dem Kontext und dem Material aufspannt und vergleicht anhand dieser die manuelle Themenanalyse mit dem Topic Modelling. An dieser Stelle zahlt sich die umfangreiche Einführung und die Annäherung aus mehreren Perspektiven aus. Elisabeth Günther führt die zuvor eingeführten Konstrukte und Gedanken gekonnt zusammen und setzt interessante und wichtige Impulse für den Umgang mit algorithmischen Verfahren in der Kommunikationswissenschaft.

Der von Elisabeth Günther aufgespannte Bogen mündet in der Formulierung von sieben Thesen, welche „die Integration der algorithmischen Themenanalyse in die Kommunikationswissenschaft diskutieren“ (S. 323). In diesen plädiert die Autorin für eine umfassende, selbstbewusste, gestaltende und gleichzeitige kritische Integration des Topic Modellings in die Kommunikationswissenschaft als Ergänzung zu den bereits bestehenden Methodenapparat.

In der Gesamtbetrachtung bietet das Buch eine umfangreiche und gelungene Auseinandersetzung mit der algorithmischen Themenanalyse, welche mit relevanten Denkanstößen für die Kommunikationswissenschaft unterfüttert wird. Entsprechend handelt es sich um kein Lehrbuch im klassischen Sinne, es fehlen konkrete Handlungsanweisungen oder Praxisbeispiele, stattdessen zielt das Buch auf ein breiteres Verständnis und die Reflexion der methodischen Entwicklung ab. Das Buch enthält sowohl für weiter fortgeschrittene Studierende als auch methodisch interessierte Kommunikationswissenschaftler*innen interessante Gedanken, Denkanstöße und eine Zusammenfassung relevanter Konstrukte im Kontext der algorithmischen Themenanalyse.