Getrieben von geschickten Tastendrücken erklimmt die Spielfigur einen virtuellen Berg. Was sich am Gipfel angekommen eröffnet, ist eine schier endlose Landschaft aus schroffen Klippen und sanften Tälern, die (virtuelle) Sonne versinkt am Horizont. Ein orchestraler Soundtrack untermalt die Kulisse. Was sich bei Spieler*innen nun einstellt, ist Faszination und Staunen. Ein Gefühl von Ehrfurcht macht sich breit. Aktuelle Computerspiele bieten vielfältige solcher Momente und eben jenes Gefühl von Ehrfurcht, Faszination und Staunen (englisch Awe) steht im Vordergrund der Monographie von Daniel Possler.

Nun mag der Eindruck entstehen, eine Arbeit die sich einem solchen spezifischen Gefühl bei der Rezeption eines bestimmten Mediums, dem der Computerspiele, widmet, sei vom Fokus her eher schmal aufgestellt und biete somit nur wenig Anschluss für weitere Arbeiten der Kommunikationswissenschaft. Dieser Eindruck wird beim Blick in die über 400 Seiten starke theoretische Arbeit aber schnell revidiert. Ziel der Arbeit ist es zwar, das Empfinden von Staunen und Faszination beim Videospielen zu erklären und dessen Beitrag zum Unterhaltungserleben theoretisch zu ergründen. Die Arbeit erreicht dieses Ziel aber durch die Ableitung eines unterhaltungstheoretisch und emotionspsychologisch fundierten Rahmenmodells, welches gedacht ist, die Unterhaltungsforschung theoretisch weiterzuentwickeln. Awe und Computerspiele sind dabei Anwendungsfelder, die nicht zufällig ausgewählt wurden. Das Modell an sich erweist sich aber, wie gerade die hervorragende Diskussion am Ende der Arbeit aufzeigt, als flexibel übertragbar auf weitere Situationen.

Der Autor geht dabei den Weg, sein Modell auf Basis eines sehr umfassenden Literaturüberblicks zu entwickeln. Trotz der Breite an rezipierter Literatur liegt das Augenmerk aber klar auf medienpsychologischen Ansätzen der Unterhaltungsforschung und emotionspsychologischen Erörterungen, insbesondere Appraisaltheorien und Scherers Component Process Modell. Eine besondere Würdigung verdient dabei der Ansatz, zwei im Bereich der Unterhaltungstheorien aktuelle Prozessmodelle zu berücksichtigen, sich nicht nur auf Unterhaltung als Erleben positiver (affektiver) Zustände (Enjoyment) zu beschränken, sondern auch die Aspekte bedeutsamer Unterhaltung (englisch Appreciation) zu berücksichtigen.

Das eigene, abgeleitete Modell ist dann zweistufig aufgebaut und skizziert im ersten Schritt, unter welchen Bedingungen die Emotion Awe beim Videospielen auftritt. Der zweite Schritt stellt dann den Zusammenhang zum Unterhaltungserleben, also sowohl Enjoyment als auch Appreciation, her.

Das, was man an der Arbeit kritisieren kann, hat der Autor fundiert im Schlusskapitel der Arbeit zusammengefasst. Das aufgezeigte Model ist alles andere als sparsam, sondern komplex und stellt eine Vielzahl an Annahmen in den Raum, die zwar alle gut begründet sind, sich aber auch empirisch behaupten müssen. Die Argumentation des Autors im Verlauf der Arbeit ist auf Vollständigkeit ausgerichtet und verdichtet teils recht wenig. Stellenweise wünscht man sich eine Kurzversion der Arbeit, die die abschließenden Kapitel auch tatsächlich liefern. Die Literatursichtung ist umfassend, vernachlässigt aber eher mediensoziologisch ausgerichtete Quellen. Zwar strebt die Arbeit an, auch die philosophischen Aspekte des Gefühls „Awe“ zu berücksichtigen. Die Ausführungen bleiben aber eher holzschnittartig und es stellt sich die Frage, ob solche Bezüge angesichts der klar psychologisch ausgerichteten Grundstruktur der Arbeit überhaupt notwendig sind. Die bewusste Entscheidung, die Rolle von Musik bei Computerspielen auszuklammern, ist sicher dem Umfang der Arbeit geschuldet, vernachlässigt aber eine entscheidende Komponente bei der Entstehung von Awe.

Die Argumentation ist insgesamt nicht frei von Redundanzen, was dem durchaus logischen Aufbau der Arbeit geschuldet ist, jeweils erst allgemeine Konzepte zu skizzieren, diese dann auf den Gegenstand zu übertragen, was nicht ohne Dopplungen in der Argumentation vonstattengeht.

Kritisch lässt sich ferner anmerken, dass selbst die Engführung auf Computerspiele noch zu breit ist, denn das, was die Arbeit beschreibt, findet sich so nur bei ganz spezifischen Formen von Computerspielen – oftmals, aber nicht ausschließlich bei stark narrativ geprägten Titeln, wie sie eher im Bereich des PCs oder als große Triple‑A Titel anzutreffen sind. Die Beschreibung der Besonderheiten von Computerspielen zu Anfang der Arbeit wirkt dabei ein wenig aus der Zeit gefallen und ergänzt ähnliche, teils deutlich ältere Beschreibungen nur wenig. Die Stärke der Arbeit liegt aber auch nicht darin, ein für Computerspiele spezifisches Modell für die Emotion Awe abzuleiten, sondern ein komplexes unterhaltungstheoretisches Modell mit einem hohen Grad an Generalisierbarkeit. Computerspiele sind hierfür ein geeignetes Anwendungsbeispiel und die Emotion Awe ist eine Emotion, die als „Peak d[e]s Unterhaltungserleben[s]“ (S. 392) ein wenig heraussticht.

Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf eine empirische Umsetzung des Konzepts – und einem sehr holzschnittartigen Überblick der bisher veröffentlichten eigenen Arbeiten dazu. Der aufgezeigte Forschungsausblick ist anspruchsvoll und liefert Material für weit mehr als ein Forscher*innen-Leben, stellt also eher ein unterhaltungstheoretisches Forschungsprogramm dar, denn die üblichen Implikationen am Ende einer Forschungsarbeit. Es bleibt nur zu wünschen, dass, nachdem ein solch komplexes Modell nun vorliegt, die weiteren Schritte dann in die Tat umgesetzt werden, um zu ergründen, welche Annahmen sich auch in der Empirie bestätigen werden.