Martin Herzer präsentiert mit seinem Buch eine Geschichtsschreibung des vom Autor so betitelten „Euro-Journalismus“ der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte. Der Autor verfolgt dabei das Anliegen, mit der Legende vom Journalismus als historisch anti-europäischer Kraft aufzuräumen, wie sie nach seiner Lesart die bisherige Literatur zum Thema dominierte.

Nach einer Einführung und einem kurzen Kapitel zum neutralen bis anti-europäischen Journalismus der 1950er und 1960er Jahre widmet sich Herzer chronologisch in vier Kapiteln der Genese der Berichterstattung zur EU und ihren Vorgängerorganisationen EWG und EG. Einhergehend schildert er den Wandel des zugehörigen „Euro-Narrativs“ vom Rand- zum Mainstreamthema. Vor allem für die erste Hälfte dieses Zeitraums orientiert er sich dabei eng an den Biographien ausgewählter Protagonisten, was zugleich die Zugänglichkeit des Buches jenseits des Fachpublikums erhöht. Für die Spätphase des beschriebenen Zeitraums wird dieser biographische Fokus, wohl vor allem aufgrund der zunehmend unübersichtlichen Zahl der AkteurInnen, weitgehend aufgegeben. Das ist aus der rein erzählerischen Ästhetik heraus schade, tut der Lesbarkeit und Verständlichkeit aber keinen Abbruch. Zu bemängeln ist formal allenfalls die Unvollständigkeit des Abkürzungsverzeichnisses, das – angesichts des Dschungels von Akronymen, der die europäische Bürokratie umgibt – für so manche Leserin und so manchen Leser ein wichtiges Werkzeug darstellen dürfte.

Das Buch liefert einen Mehrwert, indem es sich nicht nur auf die Presse konzentriert, sondern seine Beobachtungen auch mit Befunden über Fernsehsender und Nachrichtenagenturen zusammenbringt. Der geographische Fokus liegt auf französischen, englischen, italienischen und deutschen Medien. Dabei scheint die Fokussierung weniger methodologisch untermauert, als von der Zugänglichkeit von Archivmaterial bestimmt, sodass die Diskussion von Nachrichtenagenturen im Wesentlichen zu einer Fallstudie der britischen Agentur Reuters gerät und ansonsten deutsche Zusammenhänge häufig detaillierter beschrieben sind als andere. Vereinzelt unternimmt der Autor zudem unerklärte Exkurse, etwa zur spanischen Mediensphäre. Sowohl diese Bruchstückhaftigkeit als auch die enge Fokussierung ergeben sich allerdings ganz natürlich aus den limitierten Rahmenbedingungen historischer Forschung und individueller Recherchearbeit.

Zu kurz greift vielleicht Herzers zeitliche Rahmung des Themas, wonach der letzte Weltkrieg eine klare Epochengrenze darstelle und die Geschichte der europäischen Einigung und ihre journalistische Diskussion ausschließlich diesseits dieser Grenze angesiedelt seien. Formal liegt diese Periodisierung auf der Hand, jedoch birgt sie die Gefahr, größere Zusammenhänge zu übersehen. So schreibt Herzer, in der Nachkriegszeit sei „die neue Profession des European Civil Servant“ [Hervorhebung ALG] entstanden und habe die des Colonial Administrators abgelöst (S. 303). Gleichwohl ließe sich aber im Widerspruch zu dieser Darstellung argumentieren, dass es sich bei ersterem um eine Form des International Civil Servant handelte, wie er oder sie sich bereits in der Zwischenkriegszeit etablierte. Parallel dazu professionalisierte sich zur gleichen Zeit der, wie der Autor selber andeutet, noch ältere Typus der transnationalen JournalistInnen. Laut Herzer habe sich der frühe Euro-Journalismus durch eine gewisse „Expertise in den Formalia der EWG“ und einen Glauben an einen „tieferen Sinn der Europäischen Einigung“ ausgezeichnet, sei aber in anderen außen- und wirtschaftspolitischen Fragen uneinig gewesen (S. 4). Herzers frühere Co-Autorin Heidi Tworek hat diese Art des gemeinsam wirkenden aber zugleich weltanschaulich heterogenen Kollektivs bereits für die Zwischenkriegszeit bezüglich anderer Projekte transnationaler (und damit vorrangig europäischer) Verständigung beschrieben. Vereinzelt treten sogar Herzers Protagonisten, namentlich Iverach McDonald und Felix von Eckardt, bereits als Teil der transnationalen journalistischen Sphäre um den Völkerbund in Erscheinung. Herzers Befund eines pro-europäischen Umschwungs ab den frühen 1960er Jahren, der durch die nach 1920 geborenen (und damit erstmalig in einer explizit multilateral und transnational organisierten Weltordnung aufgewachsenen) ProtagonistInnen getragen sei, erscheint damit noch einmal in etwas anderem Licht.

Etwas unklar bleibt die tatsächliche Tragweite, die der Berichterstattung bei der Etablierung des „Euronarrativs“ zukommt. Der Rezensent teilt hier allerdings nicht den Eindruck Christian Henrich-Frankes, der (in einer Rezension des Bandes auf H‑Soz-Kult) Herzers Befunde als „zu teleologisch der eigenen Botschaft verpflichtet“ erachtet: Herzer ist um eine kritische Einordnung durchaus bemüht und betont mehrfach die institutionelle Tendenz zur Überbewertung des Zusammenhanges zwischen Mediendarstellung und öffentlicher Meinung, ebenso wie die direkte Verflechtung der Euro-JournalistInnen mit den politischen Eliten und das sich daraus ergebende Konfliktpotential. Allein im chronologischen Erzählstrang des Buches selbst spielt dieser Punkt eine untergeordnete Rolle.

Ebenso wie die enge geographische und zeitliche Fokussierung ist dies dabei nicht als Mangel aufzufassen, sondern verdeutlich vielmehr den allgemeinen Forschungsbedarf. Insgesamt stellt dieses für eine breite LeserInnenschaft gut zugänglich und informativ geschriebene Buch einen wertvollen Beitrag dar, der den Diskurs sinnvoll ergänzt und zugleich interessante Fragen anregt.