1 Einleitung: Unterhaltspflichten und -ansprüche von Ehe- und LebenspartnerInnen

Mitte der 1970er-Jahre wurde in Österreich gegen starke Widerstände eine tiefgreifende Reform des Ehe- und Familienrechts umgesetzt, die einen formalen Übergang vom patriarchalen zum partnerschaftlichen Familienmodell und damit auch Änderungen im Unterhaltsrecht mit sich brachte. Der Ehemann verlor seinen rechtlichen Status als Familienoberhaupt, Paare wurden stattdessen zur einvernehmlichen Lebensgestaltung verpflichtet (Holzleithner 2002, S. 48 f.; Neuwirth 2015, S. 10 f.). Gestützt wurde diese rechtliche Entwicklung zudem durch die Einführung der getrennten Besteuerung von Ehepaaren im Jahr 1973. In den 1980er- und 1990er-Jahren folgten im Sinne der zunehmenden rechtlichen Gleichbehandlung der Geschlechter entsprechende Änderungen in einzelnen Bereichen des Sozialrechts, wie etwa 1981 die Einführung der Witwerpension oder 1989 die Einschränkungen des Anspruchs auf Notstandshilfe von Frauen, deren Männer im Vollverdienst stehen (vgl. Mairhuber 2000, S. 134 ff.). Damit kam es auch zu Änderungen in der Anwendung und Berücksichtigung von Unterhaltspflichten und -ansprüchen – also dem zugrundeliegenden Unterhaltsprinzip – in den verschiedenen Sozialrechtsbereichen.

In den vierzig Jahren, die seit den großen Ehe- und Familienrechtsreformen vergangen sind, haben sich die gesellschaftlichen Heirats‑, Scheidungs- und Beziehungsmuster fortschreitend verändert. Scheidungen sind häufiger, Eheschließungen deshalb aber nicht selten geworden; die nichteheliche Lebensgemeinschaft hat enorm an Bedeutung gewonnen, die Ehe aber nicht abgelöst. In den letzten Jahren wurden in vielen europäischen Staaten Ehen für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet oder, wie 2010 auch in Österreich, eingetragene Partnerschaften eingeführt.

Auch im Bereich der Geschlechtergleichstellung und insbesondere der Integration von Frauen in den Erwerbsarbeitsmarkt ist es in den letzten vier Jahrzehnten zu erheblichen Veränderungen gekommen. Gleichzeitig erhalten Frauen nach wie vor niedrigere Einkommen als Männer, und sie übernehmen den Großteil der unbezahlten gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit: Das gilt für Care-Arbeit, also die Pflege und Betreuung von Kindern und bedürftigen erwachsenen Angehörigen, ebenso wie für Hausarbeit (vgl. Mairhuber 2015).

Was bedeuten diese ambivalenten Entwicklungen – starker Wandel einerseits, zähe Ungleichheiten anderseits – für die materielle und soziale Absicherung von verheirateten, geschiedenen, in Partnerschaft oder getrennt lebenden Erwachsenen? Wie schlägt sich das Unterhaltsprinzip heute in der österreichischen Gesetzgebung, Rechtslehre und Rechtsprechung nieder, und welche Widersprüchlichkeiten finden sich dabei? Welche Wege gehen andere Staaten – und welche Folgen hat dies jeweils für die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter?

Diesen Fragen wenden wir uns im vorliegenden Beitrag auf Basis von Analysen zum Unterhaltsrecht im engeren Sinn (Ehe- und Scheidungsrecht) und dem Unterhaltsprinzip in anderen Rechtsbereichen zu. Dabei liegt der Fokus dezidiert auf dem Unterhalt zwischen erwachsenen (Ex‑)PartnerInnen. Fragen des Kindesunterhalts, die ebenfalls höchst relevant sind, häufig jedoch mit dem PartnerInnenunterhalt vermengt behandelt werden, klammern wir für diese Betrachtung explizit aus, um die Aufmerksamkeit auf das Unterhaltsprinzip zwischen Erwachsenen, abseits von Elternschaft, zu richten.Footnote 1

In unserer Analyse stellen wir Vergleiche zwischen der Situation in Österreich, Schweden und Dänemark an. Ein komparativer Ansatz bei der Untersuchung familienrechtlicher Fragestellungen erlaubt es, unterschiedliche rechtliche Ansätze hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile, Potenziale und nicht intendierten Wirkungen zu vergleichen und zu beurteilen (vgl. Boele-Woelki 2008, S. 8). Der Vergleich mit den beiden skandinavischen Staaten wurde einerseits aufgrund der großen Unterschiedlichkeit zu Österreich in der Ausgestaltung und Anwendung des Unterhaltsprinzips gewählt. Andererseits zeichnen sich beide Staaten durch eine stärkere Arbeitsmarktintegration und damit höhere materielle Eigenständigkeit von Frauen aus.

Dem Rahmenthema des vorliegenden Sonderheftes, der Frage nach dem Verhältnis von Recht und Gesellschaft, nähern wir uns dabei aus einer interdisziplinären Perspektive, die soziologische, politikwissenschaftliche und juristische Sichtweisen miteinander verbindet. Theoretisch fügen wir Zugänge der feministischen Rechtswissenschaft, der politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem adult worker model und der sozialkonstruktivistisch orientierten Soziologie der Zweierbeziehung zusammen.

2 Das Verhältnis von Recht und Gesellschaft: Theoretische Verbindungsstränge

Das Ehe- und Familienrecht ist an der Konstruktion von familiären Beziehungen und familienbezogenem gesellschaftlichem Handeln wesentlich beteiligt; Adaptionen des Ehe- und Familienrechts sind daher ein zentrales Element in der Gestaltung von sozialem Wandel (vgl. Zartler und Hierzer 2015, S. 233). Wie Lucke (1996, S. 54) hervorhebt, verweist das Ehe- und Familienrecht wie kaum ein anderes Rechtsgebiet auf den sozialwissenschaftlichen Erkenntnisbereich, im Speziellen den familiensoziologischen. Doch in beide Richtungen fehlt es an Verbindungslinien: Sozialwissenschaftliche Perspektiven fließen nicht immer in rechtswissenschaftliche Analysen ein, während familiensoziologische Fragestellungen – etwa zum Thema Trennung und Scheidung – rechtliche Aspekte oft nicht hinreichend beleuchten (Zartler et al. 2015, S. 14).

Auch die Soziologie der Zweierbeziehung, in den späten 1990er-Jahren aus einer fundamentalen Kritik an den Konzepten und Ausblendungen der deutschsprachigen Familiensoziologie entstanden (vgl. Lenz 2003), wendet sich rechtlichen Rahmenbedingungen des Paarlebens nur am Rande zu (vgl. Lenz 2009). In wissenssoziologischer Tradition geht dieser Ansatz davon aus, dass Paare eine eigene gemeinsame Wirklichkeit herstellen, was aber nur „im vielfältigen Rückgriff auf einen kulturell vorgegebenen Vorrat von Handlungs- und Deutungsmustern“ erfolgen kann (Lenz 2009, S. 54). Daraus folgert Lenz, dass die Ebene der kulturellen Vorgaben in Analysen von Zweierbeziehungen einbezogen werden muss (ebd.). Aus wissenssoziologischer Perspektive ist dieser Folgerung ohne Zögern zuzustimmen, da es der sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie gerade um die Verbindungen zwischen subjektivem und gesellschaftlichem Wissensvorrat (Schütz und Luckmann 2003) und die Dialektik zwischen selbst produzierter und als objektiv erfahrener Wirklichkeit geht (Berger und Luckmann 2000, S. 65). Hinzuzufügen ist aber, dass zu den gesellschaftlich vor-ausgedeuteten und handlungsleitenden Wissensbeständen wesentlich auch die Ebene der rechtlichen Konstruktion des Paares und der Partnerschaft gehört. Wie weit und wie direkt sich rechtliche Rahmenbedingungen in das Handeln übersetzen, ist eine diffizile, gesondert zu erörternde Frage. Doch ist davon auszugehen, dass das Ehe- und Familienrecht symbolische Leit- und Orientierungsbilder liefert und appellativen wie imperativen Charakter hat (Lucke 1996, S. 182 f.). Darüber hinaus schafft es schlicht gesetzliche Tatsachen und damit – auch materielle – Lebensbedingungen für Gesellschaftsmitglieder.

Besonders die feministische Rechtswissenschaft weist seit vielen Jahren darauf hin, dass rechtsbezogene Analysen sich auf sozialwissenschaftliche und soziologische Befunde stützen müssen (Greif und Schobesberger 2007, S. 117; Baer 1994, S. 158 ff.) und dass ein interdisziplinärer Austausch zwischen feministischer Rechtswissenschaft und sozialwissenschaftlicher Geschlechterforschung erforderlich ist (Wersig 2014, S. 213). Hintergrund dieser Forderung ist die Einsicht, dass in formal geschlechtsneutralen Formulierungen vergeschlechtlichte Ungleichheiten zum Tragen kommen, wenn die empirisch bestehenden vergeschlechtlichten Lebensrealitäten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Lucke (1996, S. 85) bringt diese Problematik als das „Unsichtbarmachen geschlechtstypischer Betroffenheitsstrukturen qua geschlechtsneutraler Formulierung“ auf den Punkt (vgl. dazu auch die diskursanalytische Untersuchung zum Unterhaltsrecht von Voithofer 2013, S. 287 ff.).

Die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, vor allem von Müttern, führt dazu, dass seit einigen Jahrzehnten das Ende des männlichen Ernährermodells postuliert wird (vgl. Lewis 2001; Leitner et al. 2004) – ein Modell, in dem der Mann über Erwerbstätigkeit die Familie ernährt und die Frau die unbezahlte Versorgungsarbeit übernimmt. Theoretisch, aber auch praktisch-politisch angestrebt wird nun das DoppelverdienerInnenmodell, in dem sowohl Frauen als auch Männer durch Erwerbstätigkeit für ihre eigene Existenzsicherung (und die ihrer Kinder) verantwortlich sind (vgl. Ulrich und Neuwirth 2015). Als Vorbild gelten Staaten – wie etwa Dänemark und Schweden –, in denen sich die Etablierung eines adult worker model abzeichnet (vgl. Kulawik 2005, S. 11). Soziale Absicherung wird an die eigene Erwerbstätigkeit gebunden, gleichzeitig werden vom Ehestand abgeleitete Rechte eingeschränkt bzw. abgeschafft.

Was passiert allerdings, wenn die Norm des adult worker model, nämlich die kontinuierliche Vollzeiterwerbstätigkeit, nicht von jeder erwachsenen bzw. erwerbsfähigen Person erfüllt werden kann (vgl. Leitner et al. 2004, S. 13)? Die Frage der vergeschlechtlichten Arbeitsteilung und ihrer Folgen für die Arbeitsmarktintegration bleibt in diesem Modell nämlich häufig ausgeblendet bzw. wird ein gleichberechtigter Zugang schlicht vorausgesetzt (Arn und Walter 2004; Wersig 2014, S. 207). In diesem Zusammenhang ist dann die Rede vom modernisierten Ernährer- oder ZuverdienerInnenmodell, bei dem in der Regel der Mann in Vollzeit berufstätig ist, während die Frau in Teilzeit erwerbstätig ist und die Versorgungsarbeit leistet (vgl. Pfau-Effinger 2000).

Gleichzeitig bestehen in manchen Ländern aber auch Beharrungstendenzen sowie politische Bestrebungen in Richtung „Re-Familialisierung“ (Leitner 2003), wobei weiterhin Frauen die familiäre Versorgungsarbeit zugewiesen wird. „Während einige Politikbereiche die Erwerbsbeteiligung von Frauen als Norm voraussetzen, wird in anderen Bereichen das männliche Ernährermodell weiterhin konserviert“, stellt Kulawik (2005, S. 11) fest. Widersprüche innerhalb der rechtlichen Regelungen des Ehe- und Scheidungsrechts und auch zwischen den verschiedenen wohlfahrtsstaatlichen Regelungsbereichen sind Ausdruck dafür. Untersuchungen von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen im Spannungsfeld zwischen Ernährermodell und adult worker model stellen daher ein zentrales und aktuelles Thema feministischer Rechtswissenschaften (Wersig 2014, S. 206 f.), aber auch feministischer Sozialpolitikanalyse (vgl. Leitner et al. 2004; Daly 2011) dar.

3 Methodische Vorgangsweise: Rechtliche Grundlagen und empirische Annäherungen

Hauptanliegen der vorliegenden Forschungsarbeit war es, die Bedeutung der Unterhaltslogik im österreichischen Recht herauszuarbeiten und sie in einen internationalen Vergleich zu stellen.Footnote 2 Dazu haben wir textliche Analysen von Gesetzen und Dokumenten mit empirischen Erhebungen unter ExpertInnen und PraktikerInnen verbunden. Ziel war es dabei, rechtliche Bestimmungen aufzuarbeiten und zu vergleichen sowie Aspekte ihrer praktischen Umsetzung zu erheben. Zudem wurden Rechtsnormen an sozialwissenschaftliche Befunde, etwa zu Arbeitsmarktintegration und sozialer Absicherung von Frauen, rückgebunden.

Da die unterhaltsrechtliche Sichtweise in Österreich in zahlreichen gesetzlichen Bereichen eine Rolle spielt, wurde als erster Schritt der Erhebung ein Einstiegsworkshop mit ExpertInnen unterschiedlicher Fachbereiche durchgeführt, um explorativ das Feld abzustecken. Auf Basis dieser Erkenntnisse erfolgten im zweiten Schritt die Erhebung und Beschreibung des Status quo. Dazu fand zunächst eine Literatur- und Dokumentenanalyse statt, die sozialwissenschaftliche und juristische Publikationen und Dokumente sowie einschlägige Gesetzestexte in den unterschiedlichen als relevant identifizierten Rechtsbereichen umfasste. In einem dritten Schritt wurden fünf leitfadengestützte Interviews mit ExpertInnen und PraktikerInnen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, in denen die Konsequenzen der Unterhaltslogik schlagend werden, durchgeführt.

Auch die komparative Perspektive, d. h. die Recherche und Analyse für Schweden und Dänemark, ruhte auf mehreren Säulen: Die erste Säule bildete eine Literatur- und Dokumentenanalyse, die wissenschaftliche und juristische Fachliteratur sowie öffentliche Informationen, Publikationen und Gesetzestexte umfasste, die zum Teil originalsprachlich in Stockholm erhoben wurden. Die zweite Säule bildete die Kontaktierung von ExpertInnen aus Wissenschaft und öffentlichen Institutionen in Schweden und Dänemark. Sie stellten vertiefende Daten und Informationen zur Verfügung und beantworten Grundsatz- und Detailfragen zu vorhandenen vorläufigen Daten und Ergebnissen.

Die nach diesen Schritten erstellten Ergebnisse wurden im Rahmen von zwei Fokusgruppen mit österreichischen ExpertInnen aus Sozialpartnerschaft, Politik, Verwaltung und Recht diskutiert, die Inhalte der Fokusgruppen wiederum in die Ergebnisse eingearbeitet. Alle erhobenen Inhalte aus den Fokusgruppen und Interviews wurden, sofern sie nicht schriftlich eingeholt worden waren, protokolliert oder transkribiert und themenanalytisch ausgewertet (vgl. Lueger 2010).

4 Der Unterhalt während und nach einer Ehe in Österreich: Zwischen Hausfrauenehe und Selbsterhaltungspflicht

Trotz Ehe- und Familienrechtsreformen sowie einer jahrzehntelangen Politik der Gleichstellung der Geschlechter ist in Österreich die Hausfrauenehe rechtlich noch immer anerkannt bzw. findet diese – vermeintlich geschlechtsneutral bzw. im generischen Maskulinum männlich formuliert – im Gesetz explizit Erwähnung. So haben laut ABGBFootnote 3 (§ 94 Abs 1) zwar beide EhepartnerInnen gemeinsam zur Deckung ihrer Bedürfnisse beizutragen, jedoch wird ebenfalls festgehalten, dass „der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag leistet“ (§ 94 Abs 2 ABGB). Auch nach herrschender Rechtslehre sind die EhepartnerInnen bei aufrechter Ehe – im Unterschied zur Situation nach Scheidung – nicht verpflichtet, sich primär selbst zu erhalten (Schwimann und Kolmasch 2010, S. 179).

Diese Regelungen und Auslegungen sind Ausdruck einer traditionellen Rollenaufteilung, in der Frauen (auch für längere Zeit) auf existenzsichernde Erwerbstätigkeit verzichten und/oder nur in Teilzeit beschäftigt sind – ein Muster der geschlechtlichen Arbeitsteilung, das in Österreich nach wie vor sehr verbreitet ist (vgl. Mairhuber 2015).Footnote 4 Damit sind Frauen in aufrechter Ehe oftmals vom Unterhalt des Mannes abhängig, was ExpertInneninterviews zufolge immer wieder zu Problemen führt. Langfristig gesehen sind Frauen in der Folge (vor allem im Alter) von abgeleiteten Ansprüchen abhängig (dazu näher: Abschn. 5).

Rechtlich hängt der Unterhalt für die geschiedene Ehepartnerin in Österreich immer noch primär vom Verschulden bzw. Schuldausspruch, aber auch vom Grund der Scheidung (Eheverfehlung, Zerrüttung, Einvernehmen) ab.Footnote 5 Hier kann zwischen vier verschiedenen Situationen unterschieden werden. 1) Bei Scheidung mit einseitigem oder überwiegendem Schuldausspruch besteht Anspruch auf „angemessenen Unterhalt“ (§ 66 EheG). Grundsätzlich bedeutet dies, dass selbst bei einseitigem Verschulden des Ehemannes die Ehefrau keinen unbedingten Unterhaltsanspruch hat, sondern – laut Rechtsprechung – die Pflicht, sich durch Erwerbstätigkeit selbst zu erhalten (Gitschthaler und Höllwerth 2011, S. 545). Auch wenn eine Frau ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Haushaltsführung und/oder Kindererziehung aufgegeben hat, ist sie nach einer Scheidung primär selbst für ihren Unterhalt zuständig (Bundesministerin für Frauen und Gleichstellung 2006, S. 136). Der Unterhaltsanspruch beträgt höchstens 33 % des Netto-Einkommens des Ehemannes bzw. 40 % des gemeinsamen Einkommens; auch diese Wertgrenzen wurden von der Rechtsprechung entwickelt und finden sich nicht im Gesetz. 2) Haben beide EhepartnerInnen gleiches Verschulden an der Scheidung, besteht nur Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag (§ 68 EheG). Laut Rechtsprechung beläuft sich dieser auf 10 % bis 15 % des Netto-Einkommens des Ehemannes (Schwimann und Kolmasch 2010, S. 214 f.). 3) Ebenso kann bei einer einvernehmlichen Scheidung ohne rechtswirksame Unterhaltsvereinbarung ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag bestehen (§ 68 EheG oder § 68a EheG). 4) Nur bei einer Scheidung gem. § 55 EheG wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren (Zerrüttungsscheidung) besteht Anspruch auf Unterhalt wie bei aufrechter Ehe (§ 69 Abs 2 EheG), wenn beispielsweise eine Ehefrau gegen ihren Willen und aufgrund des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Ehemannes (dieser muss auch die Scheidung einreichen) geschieden wird.Footnote 6

Die überwiegende Mehrzahl der Scheidungen in Österreich erfolgt im Einvernehmen und meist ohne Unterhaltszahlungen (Böheim und Buchegger 2004, S. 39). 2008 wurden 87,4 % der Ehen einvernehmlich geschieden, nur 5,7 % der Scheidungen erfolgten nach § 55 EheG und 6,9 % aus anderen Scheidungstatbeständen (Schwimann und Kolmasch 2010, S. 209). Nach der Erfahrung einer interviewten Scheidungsanwältin ist es sehr schwierig, bei der Scheidung ein „alleiniges oder überwiegendes Verschulden des Ehemannes“ nachzuweisen und Anspruch auf einen „angemessenen Unterhalt“ zu erhalten. Daher werden die meisten Scheidungen mit Schuldausspruch aus beidseitigem Verschulden geschieden. Damit haben Frauen faktisch nur mehr Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag. Dennoch scheint vielen Frauen in Österreich der Tatbestand, dass die „Ehe keine Versorgungseinrichtung ist, denn vom Unterhalt können Frauen meist nicht leben“, nicht bewusst zu sein, wie es eine Expertin einer Frauenberatungsstelle im Interview ausdrückt. Die Tatsache, dass die Erwerbsquoten alleinerziehender Frauen deutlich über und die Teilzeitquoten unter den durchschnittlichen Erwerbs- und Teilzeitquoten von Frauen liegen, kann auch als Hinweis dafür gelten, dass diese auf (Vollzeit‑)Erwerbstätigkeit angewiesen sind (vgl. Statistik Austria 2017b).

Aufgrund großer Versorgungsprobleme vor allem von älteren Frauen wurde nach langjähriger Diskussion 2000 ein vom Verschulden unabhängiger Unterhaltsanspruch für zwei besondere Bedarfslagen eingeführt: im Fall der Betreuung eines gemeinsamen Kindes sowie bei Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung aufgrund der vorangegangenen Ehegestaltung (§ 68a Abs 1 und Abs 2 EheG). Auch wenn diese Neuregelung im Sinne einer besseren Absicherung von finanziell abhängigen Frauen nach Ehescheidungen eingeführt wurde, kam es damit zu einer weiteren zumindest rechtlich-formalen Stärkung der Hausfrauenehe bzw. Nicht-Erwerbstätigkeit von Frauen. Gleichzeitig ist der zugesprochene Unterhalt ExpertInnenauskünften zufolge meist sehr niedrig (zwei Drittel des sogenannten angemessenen Unterhalts), überdies zeitlich beschränkt, und diese Bestimmung kommt in der Praxis nur selten zur Anwendung.

5 Widersprüche im österreichischen Sozial- und Steuerrecht: adult worker oder abhängige Partnerin?

Die widersprüchliche Sichtweise des Ehegesetzes spiegelt sich auch im Sozial- und SteuerrechtFootnote 7 wider. Hier führt der Ehestand bzw. die Unterhaltsberechtigung – manchmal auch im Zusammenhang mit Nicht-Erwerbstätigkeit – einerseits zu (abgeleiteten) Ansprüchen bzw. Leistungserhöhungen, andererseits aber auch zu Leistungseinschränkungen. Im Bereich der Pensionsversicherung schlägt sich das Unterhaltsprinzip in Form der Witwen‑/Witwerpension (§ 258 ASVG) und im Ausgleichszulagenrecht (§§ 292 bis 299 ASVG) nieder.

Bei der Witwenpension handelt es sich um ein abgeleitetes Recht, das vor allem für (ältere) Frauen in Österreich vor dem Hintergrund niedriger eigener Pensionsansprüche (Mairhuber 2015, S. 20 f.) de facto noch immer ein wesentliches Element der Existenzsicherung im Alter darstellt. Im Fall einer Scheidung ist es aber – auch nach langer Ehedauer – äußerst schwierig, Anspruch auf eine entsprechende Leistung zu erhalten. Selbst bei einer Scheidung gegen den Willen der Frau müssen zusätzlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit Anspruch auf eine volle Witwenpension besteht. Wird bei der Scheidung – wie in den meisten Fällen in Österreich – auf Unterhalt verzichtet, erlischt auch das Anrecht auf Witwenpension. Der Anspruch geht ebenso verloren, wenn die grundsätzlich berechtigte, geschiedene Frau eine Lebensgemeinschaft eingeht und somit das (von der Rechtsprechung entwickelte) Ruhen des Unterhaltsanspruchs zum Tragen kommt (dazu näher: Abschn. 7).

Anspruch auf Ausgleichszulage besteht in Österreich, wenn das Einkommen der PensionsbezieherInnen unter dem sogenannten Ausgleichszulagenrichtsatz liegt (§§ 292 bis 299 ASVG). Dabei wird zwischen einem Richtsatz für Alleinstehende (2016: 882,78 €) und einem Richtsatz für Ehepaare (2016: 1323,58 €) unterschieden. Der Ehepaarrichtsatz führt in der Realität vor allem bei Frauen zur Verminderung des Leistungsanspruchs, da das Einkommen des Ehemannes, aber auch Unterhaltsleistungen geschiedener Ehepartner, angerechnet werden (Mairhuber 2015, S. 21).

Besonders ausgeprägt ist das Unterhaltsprinzip in der österreichischen Krankenversicherung. Diese sieht eine Mitversicherung (§ 123 ASVG) nicht nur von PartnerInnen vor, sondern auch von anderen haushaltsführenden und pflegenden Angehörigen. Die Mitversicherung erwachsener Angehöriger, die sich der Erziehung eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes widmen oder dies für mindestens vier Jahre getan haben, sowie Angehöriger, die eine/n Versicherte/n mit mindestens Pflegestufe 3 pflegen, ist zudem beitragsfrei (§ 51 d Abs 3 ASVG). Im Fall einer Scheidung entfällt trotz Unterhaltsanspruch und -leistung die Mitversicherung (Ausnahme: BeamtInnen). Die Mitversicherung von ausschließlich haushaltsführenden Angehörigen ist eine fragwürdige sozialversicherungsrechtliche Konstruktion, da das gesamtgesellschaftliche Interesse nicht ersichtlich ist. Die beitragsfreie Mitversicherung erwachsener Angehöriger ohne zeitliche Befristung kann u. a. die Nicht-Erwerbstätigkeit dieser Personen fördern.

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung hat die Anrechnung des PartnerInneneinkommens bei der Gewährung der Notstandshilfe (§ 36 Abs 2 und 3 AlVG) gravierende Auswirkungen. Diese führt de facto vielfach dazu, dass erwerbslose Frauen keinen Anspruch auf Notstandshilfe haben und damit vollständig vom Partner abhängig sind (vgl. Mairhuber 2015, S. 17 f.). Zudem kommt es laut ExpertInnen im Vollzug im Fall von getrennt lebenden EhepartnerInnen immer noch zur Anrechnung von fiktiven Unterhaltsleistungen, also Leistungsansprüchen, die zwar theoretisch bestehen, aber nicht erbracht werden.

Grundsätzlich wird in Österreich seit 1973 die Einkommensteuer nach dem Prinzip der Individualbesteuerung erhoben und entspricht damit der Norm des adult worker model. Zivilstand sowie Unterhaltsberechtigungen und -verpflichtungen finden aber auch im Steuerrecht Berücksichtigung. Mit dem Alleinverdienerabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 1 EStG), der erst seit 2011 an das Vorhandensein eines Kindes geknüpft ist, wird das Prinzip der Individualbesteuerung durchbrochen und die Nicht-Erwerbstätigkeit bzw. finanzielle Abhängigkeit der Frauen gestützt. Einer interviewten Steuerrechtsexpertin zufolge ist der Alleinverdienerabsatzbetrag in seiner Wirkung sehr eingeschränkt, hat aber starken symbolischen Charakter.

6 Ehe und Scheidung in Schweden und Dänemark: Das Recht auf gleichen Lebensstandard und die Fähigkeit zur Selbstversorgung

In Schweden und Dänemark sind explizite Unterhaltsbestimmungen, anders als in Österreich, nur mehr in geringem Ausmaß vorhanden. Das Ehe- und auch das Sozialrecht zielen auf die Förderung einer Teilnahme beider PartnerInnen am Erwerbsleben ab (Åkerblom 2009). Schweden und Dänemark sind von der Grundvorstellung geprägt, dass sich erwerbsfähige Erwachsene durch Erwerbsarbeit selbst versorgen und in Fällen, in denen dies nicht (mehr) möglich ist, individuelle wohlfahrtsstaatliche Leistungen erhalten. Damit bleibt für unterhaltsrechtliche Logiken weniger Raum.

Das System der sozialen Sicherung gliedert sich in Schweden und Dänemark grob gesprochen in einen wohnsitzbezogenen Teil, der eine Grundsicherung – auch im Alter – bietet, und einen erwerbsarbeitsbezogenen Teil, der ein höheres Leistungsniveau bzw. den Lebensstandard sichert. Beide Teilbereiche beziehen sich primär auf das Individuum, was die Abhängigkeit von einem Ernährer reduziert und Erwerbstätigkeit begünstigt (Martinek 2009, S. 2; Åkerblom 2009). Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Arbeitsmarktintegration schlagen aber auch bei den schwedischen und dänischen wohlfahrtsstaatlichen Leistungen zu Buche (vgl. Statistiska Centralbyrån 2016; Rolandsen Agustín 2015).

Wendet man sich dem Unterhaltsrecht im engeren Sinn zu, so beinhaltet das Eherecht auch in Schweden und Dänemark Bestimmungen über die gegenseitige Unterhaltspflicht von Eheleuten. Diese Unterhaltspflicht endet in der Regel, wenn ein/e PartnerIn stirbt oder die Ehe aufgelöst wird (Agell 2003, S. 95). Sowohl in Schweden als auch in Dänemark gilt dabei der Grundsatz, dass EhepartnerInnen einen ähnlichen Lebensstandard haben sollen (Nyström 2010, S. 42). Zum dafür notwendigen Unterhalt sollen beide PartnerInnen während der Ehe nach ihren jeweiligen Möglichkeiten beitragen (Nyström 2010, S. 42 f.; Agell 2003, S. 93).

Im dänischen Recht wird dabei, ähnlich wie in Österreich, explizit festgehalten, dass ein/e EhepartnerIn sowohl durch Geldleistungen als auch durch die Tätigkeit im gemeinsamen Haushalt einen Beitrag zur Erfüllung der Unterhaltsbedürfnisse während der Ehe leisten kann (Lund-Andersen und Magnussen 2008, S. 4). Dagegen wurde die Nennung der Hausarbeit in Schweden aus gleichstellungsideologischen Gründen aus dem Gesetzestext gestrichen (Agell 2003, S. 61). Die Unterhaltsbestimmungen während der Ehe bauen in Schweden auf dem Gedanken auf, dass die Eheleute im Normalfall die Hausarbeit teilen, sich gemeinsam um Kinder kümmern und beide erwerbstätig sind. Das dänische Recht baut weniger offensiv auf diesem Partnerschaftsmodell auf (Agell 2003).

In beiden Staaten gilt der Grundsatz, dass der Wunsch nach einer Scheidung eines Partners bzw. einer Partnerin ohne Angabe von Gründen zu respektieren ist – im Gegensatz zum Verschuldens- bzw. Einvernehmensprinzip in Österreich. Im Einklang mit dem Grundsatz des ähnlichen Lebensstandards während einer Ehe geht das schwedische Recht auch im Fall einer Scheidung von der Annahme aus, dass die EhepartnerInnen auf dem gleichen ökonomischen Niveau stehen und sich daher nach der Scheidung selbst versorgen können. Unterhaltszahlungen für geschiedene EhepartnerInnen kommen in sämtlichen nordischen Staaten nur in einer Minderheit der Fälle vor, und wenn, dann in der Regel lediglich für eine Übergangszeit (Agell 2003). Das entspricht dem in Österreich erst seit 2000 bestehenden verschuldensunabhängigen Unterhalt, der zwar eine Ausnahme hinsichtlich der Voraussetzungen der Unterhaltsgewährung darstellt, das Grundsystem jedoch erweitert. In Dänemark und Schweden wird hingegen der Ausnahmecharakter des Unterhalts in Hinblick auf die prinzipielle Ablehnung von Scheidungsunterhalt betont.

Besonders restriktiv ist im innernordischen Vergleich dabei die Handhabung in Schweden (Agell 2003, S. 469 f.). Anders als in Dänemark wird im schwedischen Eherecht der ursächliche Zusammenhang zwischen der Ehe und der mangelnden Möglichkeit, sich selbst zu versorgen, als Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch betont (Agell 2003, S. 77; Nyström 2010, S. 45 f.). Das Prinzip des Unterhalts findet sich also nach wie vor im Eherecht beider Staaten, ist aber stark eingeschränkt. In Schweden wurde damit von der Gesetzgebung explizit auf die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen und die veränderten Geschlechterrollen reagiert (Grauers 2008, S. 56; Agell 2003, S. 58).

7 Lebensgemeinschaften in Österreich: Keine Rechte, aber Folgen?

Ungeachtet ihrer VerbreitungFootnote 8 sind Lebensgemeinschaften in Österreich nicht normiert: „Was eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist und wann sie vorliegt, wird durch die Rechtsprechung der Höchstgerichte definiert“ (Aichhorn 2013, S. 6). Laut Rechtsprechung sind die wesentlichen Elemente, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft in Österreich ausmachen, die Wohngemeinschaft, die Wirtschaftsgemeinschaft und die Geschlechtsgemeinschaft. Laut neuester Judikatur kann dabei eines der drei Elemente wegfallen, wenn die beiden anderen besonders ausgeprägt sind bzw. ein Zusammengehörigkeitsgefühl der PartnerInnen wie in einer typischen Ehe vorliegt (vgl. Gitschthaler und Höllwerth 2011, S. 1082 f.). Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften unterliegen denselben Annahmen.

Zwischen LebenspartnerInnen besteht keine gesetzliche Unterhaltspflicht. Auch wenn etwa die Lebensgefährtin nicht erwerbstätig ist, sich um Haushalt und (gemeinsame) Kinder kümmert, hat sie keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen durch den Partner (Aichhorn 2013, S. 8). Gleichzeitig ruht beim Eingehen einer Lebensgemeinschaft nicht nur der Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Mann, sondern gegebenenfalls auch die Witwenpension für geschiedene PartnerInnen. Dabei handelt es sich um keine gesetzliche Regelung, sondern um die ständige Rechtsprechung.

LebenspartnerInnen können sich zwar vertraglich zu Unterhaltsleistungen – sowohl für die Zeit der aufrechten Lebensgemeinschaft als auch nach deren Auflösung – verpflichten (Gitschthaler und Höllwerth 2011, S. 1087 f.). Diese Unterhaltsvereinbarungen bewirken aber keinen Anspruch auf abgeleitete sozialversicherungsrechtliche Leistungen. Die interviewten ExpertInnen orten hierin ein großes Problem, da Lebenspartnerschaften zwar gesetzlich nicht zum gegenseitigen Unterhalt verpflichten, gleichzeitig aber vor allem bei subsidiären Leistungsansprüchen im Sozialrecht (etwa: Notstandshilfe) de facto von einer Unterhaltsleistung des Partners bzw. der Partnerin ausgegangen wird. Dadurch verlieren vor allem Frauen häufig den Anspruch auf eigenständige Absicherung. Bei der Berechnung des Anspruchs auf Notstandshilfe wird das Einkommen der LebenspartnerInnen herangezogen, obwohl gegenüber diesen kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht. Gleichzeitig werden in der Arbeitslosenversicherung die – allerdings sehr geringen – Familienzuschläge (0,97 €/Tag) auch für LebenspartnerInnen gewährt, wenn das Einkommen der PartnerInnen sehr niedrig ist und ein Kind im Haushalt lebt, für das Familienbeihilfe bezogen wird. Damit wird die geringfügige bzw. Nicht-Erwerbstätigkeit der PartnerInnen (mit Kindern) – ebenso wie durch die Anwendung des Alleinverdienerabsetzbetrags auf Lebensgemeinschaften – zumindest symbolisch begünstigt. Im Bereich der Krankenversicherung wird durch die Einbeziehung von Lebensgemeinschaften in die (beitragsfreie) Mitversicherung ebenfalls deren Nicht-Erwerbstätigkeit gefördert.

8 Die Lebensgemeinschaft in Schweden und Dänemark: Zwischen freier Liebe und geregelten Verhältnissen

Nichteheliche Lebensgemeinschaften von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren werden in Schweden durch das „Sambo-Gesetz“ (sambo – von sam: zusammen, bo: wohnen) geregelt. Dieses Gesetz bezieht sich auf unverheiratete Personen, die dauerhaft (Richtwert: ab sechs Monaten) in einem gemeinsamen Haushalt wohnen und in einer Partnerschaft zusammenleben, die „normalerweise sexuelle Verbindungen beinhaltet“ (Regeringskansliet 2010, S. 2; Übersetzung K. S.; vgl. Jänterä-Jareborg et al. 2015).

Da die Geltung des Sambo-Gesetzes anders als beim Eingehen einer Ehe nicht unbedingt aktiv von den PartnerInnen anerkannt wird, besteht darüber in der Regel auch weniger Bewusstsein (Nyström 2010, S. 53 f.; Jänterä-Jareborg et al. 2015, S. 10). Das Gesetz wurde folglich auf die akutesten Probleme bei Ende einer Beziehung begrenzt (Grauers 2008, S. 230) und bietet „einen Minimalschutz für den oder die schwächere/n PartnerIn“ (Regeringskansliet 2010, S. 1; Übersetzung K. S.). Es enthält v. a. Bestimmungen zur Aufteilung gemeinsamer Güter, die in den Bereich des Haushalts fallen.

Eine Sambo-Partnerschaft endet u. a., wenn ein/e PartnerIn heiratet oder stirbt, wenn die beiden einander heiraten oder sich trennen. Die LebensgefährtInnen haben während der Beziehung keine Verpflichtung, einander zu versorgen oder zum gemeinsamen Haushalt beizutragen (Jänterä-Jareborg et al. 2015, S. 19; Nyström 2010, S. 53 ff.; Regeringskansliet 2010, S. 9). Sie haben weder während noch nach der Partnerschaft Anspruch auf Unterhalt.

In Dänemark sind nichteheliche Lebensgemeinschaften rechtlich deutlich weniger geregelt als in Schweden. Hintergrund ist auch hier die Ansicht, dass die PartnerInnen sich nicht bewusst wie bei der Ehe für rechtliche Konsequenzen entscheiden – bzw. sogar bewusst dagegen (Lund-Andersen 2015, S. 6; Grauers 2008, S. 229 ff.). Aus der geringfügigen rechtlichen Regelung von Lebensgemeinschaften ergibt sich, ähnlich wie in Österreich und im Unterschied zu Schweden, dass der Rechtsprechung besonderes Gewicht zukommt (vgl. Nielsen 2001, S. 19 ff.). Definitionen der Lebensgemeinschaft sind in unterschiedlichen Rechtsbereichen uneinheitlich (Lund-Andersen 2015, S. 4).

Prinzipiell haben PartnerInnen in Dänemark keine rechtliche Verpflichtung, gegenseitig zum Unterhalt beizutragen, weder während noch nach der Beziehung. Auch die Aufteilung gemeinsamer Güter bei einer Trennung ist nicht spezifisch geregelt; über diese, wie auch über vereinzelt zugesprochene einmalige Geldleistungen, entscheidet ggf. das Gericht (Lund-Andersen 2015, S. 23). Rechtlich bestehen weder Unterhalts- noch Erbansprüche – allerdings können solche Ansprüche von den PartnerInnen eigenständig vereinbart werden (Lund-Andersen 2015; Enhörning 2006).

Indes ist sowohl in Schweden als auch in Dänemark die Logik des nicht vorhandenen Unterhaltsprinzips nicht ungebrochen: So fallen in beiden Staaten bei Vorliegen einer Lebensgemeinschaft manche Ansprüche auf (bedarfsabhängige) Sozialhilfeleistungen weg.Footnote 9 Es wird somit trotz der fehlenden Unterhaltsverpflichtung durchaus davon ausgegangen, dass die PartnerInnen einander unterstützen (Jänterä-Jareborg et al. 2015, S. 19). Im Todesfall des Partners bzw. der Partnerin kann es in beiden Staaten zu einer zeitlich befristeten (staatlichen) Geldleistung kommen. Zudem sieht das Erbrecht in Dänemark Steuererleichterungen vor. In Ausnahmefällen werden in Schweden auch Unterhaltspflichten für in einem anderen Haushalt lebende Kinder reduziert, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil in einer Sambo-Beziehung lebt (Lund-Andersen 2015, S. 2, S. 32; Jänterä-Jareborg et al. 2015, S. 19). Eine 2014 in Dänemark in Kraft getretene gegenseitige Unterhaltspflicht für bestimmte nichteheliche Lebensgemeinschaften, die den Wegfall von Sozialleistungen implizierte, wurde aufgrund heftiger Proteste kurz darauf wieder abgeschafft (Lund-Andersen 2015, S. 6, S. 11).

9 Schlussfolgerungen: Die Ungleichzeitigkeit von Recht und Gesellschaft, der Bedarf nach empirischer Forschung und die normative Sicht auf das Paar

Das patriarchale Familienmodell und damit das männliche Ernährermodell, in Österreich rechtlich Mitte der 1970er-Jahre weitgehend abgeschafft, spielen in vielen verschiedenen österreichischen Rechtsbereichen nach wie vor eine große – und gleichzeitig widersprüchliche – Rolle: In aufrechter Ehe wird durch die Gesetzgebung, aber auch durch die Rechtslehre, die traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung begünstigt. Im Fall der Scheidung wird hingegen, vor allem durch die Rechtsprechung, die eigenständige Existenzsicherung erwerbsfähiger Erwachsener betont. Im Steuer- sowie im Sozialrecht führt der Ehestand – insbesondere im Zusammenhang mit Nicht-Erwerbstätigkeit – zu (abgeleiteten) Ansprüchen bzw. Leistungserhöhungen, im Fall der Ausgleichzulage und der Notstandshilfe hauptsächlich für Frauen faktisch aber auch zu Leistungseinschränkungen. Nach einer Scheidung besteht in der Praxis, wenn überhaupt, nur ein geringer Unterhaltsanspruch, abgeleitete Ansprüche sind kaum mehr vorhanden, gleichzeitig können selbst fiktive Unterhaltszahlungen Leistungsansprüche vermindern. Aufgrund von Lebenspartnerschaften entstehen weder gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen noch Ansprüche auf abgeleitete Sozialleistungen, gleichzeitig verhindern bzw. verringern Lebenspartnerschaften aber sowohl nacheheliche Unterhaltszahlungen als auch Sozialleistungen.

Mit Blick auf die faktische Geschlechtergleichstellung gelangen wir zu folgendem Schluss: Grundsätzlich ist für erwachsene Menschen eine Individualisierung der Existenzsicherung und damit ein weitgehender Abbau unterhaltsrechtlicher Bestimmungen im Ehe‑, Scheidungs- sowie Steuer- und Sozialrecht anzustreben. Im Fall der Übernahme von Kinderbetreuung und Angehörigenpflege sind aufgrund des hohen gesamtgesellschaftlichen Interesses zeitlich begrenzte Regelungen (etwa Anspruch auf Unterhaltszahlungen, Transferleistungen, Anrechnungsbestimmungen) notwendig.Footnote 10 Bevor abgeleitete Ansprüche verringert oder abgeschafft werden können, muss jedoch die eigenständige Absicherung in den verschiedenen Bereichen des Sozialrechts entschieden verbessert werden. Denn solange Frauen aufgrund der real bestehenden geschlechtlichen Arbeitsteilung auf den Unterhalt angewiesen sind, kann dieser nicht ohne soziale Folgen schlichtweg gestrichen werden – selbst dann, wenn die Unterhaltszahlungen an Ehefrauen wie in Österreich in der Regel eher niedrig ausfallen.

Eine konsequente Umsetzung eines an Bedarf und Leistungsfähigkeit der einzelnen Person orientierten Sicherungsmodells in allen Rechtsbereichen und damit die teilweise weitere Abschwächung des Unterhaltsprinzips in Österreich wäre zwar im Sinne einer Weiterentwicklung des adult worker model bzw. eines DoppelverdienerInnenmodells, setzt aber auch tiefgreifende Veränderungen in vielen anderen Bereichen – etwa Erwerbsarbeitsmarkt, Kinderbetreuungseinrichtungen – voraus. So stellt Lachmayer (2015, S. 176 f.) fest, dass die Schwierigkeit, ein gleichstellungsförderndes Steuer- und Abgabenrecht zu entwickeln, darin besteht, dass sich Lenkungsziele (Herbeiführung von Verhaltensänderungen durch Steueranreize) und Verteilungsziele (Verminderung ungleicher sozialer Absicherung) kurzfristig in ihren Wirkungen aufheben bzw. widersprechen und somit die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen und die Bekämpfung der Frauen(alters)armut divergierende Maßnahmen darstellen.

Auch das Beispiel der restriktiven Unterhaltsregelungen nach einer Scheidung in Schweden illustriert, dass rechtliche Veränderungen mit hoher Sensibilität für reale Gegebenheiten und einem pragmatisch-realistischen Blick auf tatsächliche empirische Verhältnisse zu erfolgen haben, wenn sie nicht neue vergeschlechtlichte Ungleichheiten schaffen sollen. So ist eine (vermeintlich) auf Geschlechtergleichstellung und Unabhängigkeit von Frauen abzielende Regelung, die nur äußerst begrenzt Unterhalt für Frauen vorsieht, dann kontraproduktiv für die Lebensverhältnisse von Frauen, wenn die reale Situation diesem rechtlichen Ideal nicht entspricht. Auch ideologisch oder politisch begründete Maßnahmen müssen auf ihre Kompatibilität mit der empirischen Wirklichkeit hin überprüft werden. Solange Frauen deutlich weniger verdienen als Männer, zu hohen Anteilen Teilzeit arbeiten, den Großteil sowohl der unbezahlten Hausarbeit als auch der Kinderbetreuung und Angehörigenpflege übernehmen, kann auf die Idee der Pflicht zur Selbstversorgung von Frauen, wie sie in Schweden vorherrscht, nur sehr bedingt rekurriert werden, ohne dass soziale Schieflagen entstehen.

Dahlberg (1995, S. 24) weist in einer Analyse der Geschlechtergleichstellung im schwedischen Recht kritisch darauf hin, dass Veränderungen in Richtung Geschlechterneutralität eine androzentristische Tendenz hatten, indem sie darauf hinausliefen, dass Frauen sich an das männliche Lebensmuster anpassen sollten. Denn selbst in Schweden, wo die Ungleichheiten in der Erwerbsbeteiligung und im Einkommen zwischen Frauen und Männern geringer ausfallen als in Österreich, zeichnen sich Härtesituationen für Frauen ab. Nyström kommentiert in diesem Zusammenhang in Bezug auf Schweden, dass hier die Rechtslage der Gesellschaftsentwicklung bis zu einem gewissen Grad vorausgeeilt ist: Das Gesetz geht davon aus, dass die EhepartnerInnen ökonomisch gleichgestellt sind – die Realität hält damit jedoch nicht Schritt (Nyström 2010, S. 45). Feministische Wissenschafterinnen haben daher die „Geschlechtsneutralität“ des schwedischen Gesetzes als „Geschlechtsblindheit“ kritisiert: Zwar wurde der nacheheliche Unterhalt abgeschafft, um die Selbstversorgung und damit Gleichstellung zu fördern, doch ist es nicht gelungen, in diesem Bereich durch Gesetze Realität zu schaffen (Burman et al. 2004, S. 145 ff.; Martinek 2006, S. 7).

Angesichts dieser Ungleichzeitigkeit von rechtlicher Regelung und empirischer Wirklichkeit wäre generell wichtig und aufschlussreich, in weiteren Forschungen deren Konsequenzen auf der empirischen Ebene zu untersuchen, also etwa die finanzielle Situation von Frauen nach einer Scheidung, die Häufigkeit, Länge und Höhe tatsächlich zugesprochenen Unterhalts, das Armutsrisiko etc. Gegenwärtig liegen konkret für Österreich kaum spezifische empirische Untersuchungen über die tatsächliche Höhe von Unterhaltsleistungen an Frauen nach einer Scheidung vor (vgl. als Ausnahmen Böheim und Buchegger 2004; Atteneder et al. 2010).

Sowohl in Bezug auf die Ehe als auch die Lebensgemeinschaft ist anzunehmen, dass das Bewusstsein der PartnerInnen über die Rechtslage unzureichend ist (vgl. u. a. Nyström 2010). Hier liegt nun ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die eingangs erwähnte Zusammenarbeit von Sozial- und Rechtswissenschaften (vgl. auch Cottier 2010): Es braucht empirische Forschung, um erstens zu untersuchen, unter welchen Erwartungen und welchem Rechtsbewusstsein PartnerInnen Ehen und Lebensgemeinschaften eingehen, und zweitens, wie es tatsächlich um die materielle und soziale Situation nach der Auflösung einer Ehe oder Lebensgemeinschaft bestellt ist.

Aufschlussreich ist die durchgeführte Analyse des Weiteren in familien- und paarsoziologischer Hinsicht. Wie in anderen familienbezogenen Rechtsbereichen gilt: „Die Rechtswissenschaft kommt (…) nicht um die soziologische Gegenwartsdiagnose der ‚Pluralisierung‘ der Familienformen herum“ (Cottier 2010, S. 206). Auf die empirische Verbreitung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung der drei untersuchten Staaten insofern reagiert, als sie mehr oder weniger umfassende Definitionen und Regelungen eingebracht haben. Kriterien wie gemeinsame Sexualität (vgl. Lenz 2009, S. 48 f.), Zusammenwohnen oder Wirtschaftsgemeinschaft, die in Ermangelung eindeutiger Abgrenzungen von Lebensgemeinschaften dabei zum Einsatz kommen, sind freilich nicht „neutral“ oder „objektiv“, sondern prägen ihrerseits das gesellschaftliche Verständnis davon, was als „Paar“ gilt.

Abschließend halten wir fest: Das Familien- und Eherecht und auch die auf vielfache Weise verknüpften Bereiche des Sozial- und Steuerrechts orientieren sich vor allem in Schweden und Dänemark zunehmend am adult worker model. Für Österreich ist die Situation, wie ausgeführt, gegenwärtig sehr widersprüchlich bzw. sind abgeleitete Ansprüche für die soziale und materielle Sicherheit von Frauen nach wie vor höchst relevant. Damit das adult worker model auch in Österreich Anknüpfungspunkt für Veränderung im Sinne einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter sein kann, welche gleichzeitig Autonomie und Sicherheit sowohl für Frauen als auch Männer ermöglicht, muss dieses erweitert werden. Wie Wersig (2014, S. 207) kritisieren auch Arn und Walter (2004, S. 135 ff.) die Ausblendung von Sorgearbeit im adult worker model und konzipieren als Antwort darauf das „integrale adult worker model“, in dem sowohl Frauen als auch Männer explizit für Sorgearbeit verantwortlich gemacht werden. Denn nur wenn Männer ihren Teil der Versorgungsarbeit übernehmen, kann dieses Modell auch tatsächlich zur Gleichstellung beitragen. Auch im „Modell der universellen Betreuungsarbeit“ von Fraser (1996, S. 490) liegt der Schlüssel zur Verwirklichung der umfassenden Gleichstellung der Geschlechter darin, „die gegenwärtigen Lebensmuster von Frauen zum Standard und zur Norm für alle zu machen“ (Fraser 1996, S. 492), denn der weibliche Lebenszusammenhang umfasst, wenn auch mit großen Problemen behaftet, sowohl existenznotwendigen Einkommenserwerb als auch gesellschaftlich notwendige Versorgungsarbeit.