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Kreative als aktivierte Wirtschaftsbürger. Zur wohlfahrtsstaatlichen Rahmung von künstlerisch-kreativer Arbeit

Creatives as activated entrepreneurs. A new welfare arrangement for artistic-creative work in the German welfare regime

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Österreichische Zeitschrift für Soziologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der Beitrag beleuchtet die wohlfahrtsstaatliche Rahmung von künstlerisch-kreativer Arbeit. Von sozialwissenschaftlicher, aber auch von politischer Seite werden Akteure künstlerisch-kreativer Erwerbsfelder als Vorreiter künftiger Arbeits- und Lebensverhältnisse etikettiert sowie als Experimentierfeld für die Flexibilisierung von Erwerbsarbeit betrachtet. Noch nicht hinreichend beleuchtet ist jedoch, wie sich das wohlfahrtsstaatliche Arrangement zur sozialen Absicherung von künstlerisch-kreativer Arbeit entwickelt hat. Die These lautet, dass die wohlfahrtsstaatliche Regulierung von künstlerisch-kreativer Arbeit seit den 1960er/1970er-Jahren einen Gestaltwandel durchlaufen hat. Das neue wohlfahrtsstaatliche Arrangement zur sozialen Absicherung von künstlerisch-kreativer Arbeit entspricht, pointiert gesagt, einer „Angebotspolitik für den ‚defizitären‘ Unternehmer“. Zu differenzieren ist es in dreierlei Hinsicht. Zum Ersten handelt es sich um eine semantische Rekonstruktion des empirischen Felds, das als volkswirtschaftlich produktiver Hoffnungsträger modelliert wird. Zum Zweiten verändert sich die politisch-diskursive Anrufung von sozial schutzbedürftigen Künstlern in Richtung eines unternehmerischen Selbst, das sozialpolitisch zu aktivieren und betriebswirtschaftlich zu disziplinieren sei. Zum Dritten verändert sich die wohlfahrtsstaatliche Steuerung und sozialpolitische Absicherung von Kulturschaffenden. Grundlage des Beitrags sind empirische Untersuchungen, die die Autorin seit 2007 in der Kultur- und Kreativwirtschaft durchführt.

Abstract

This text lights up the welfare-state framing of artistic-creative work in the German Welfare regime. The argument is that the welfare state framing of the cultural and creative industries has substantially changed as well normatively as with regard to welfare instruments. With this, it is part of the change of the German Welfare regime which, based upon the Agenda 2010-policy change, has turned from a caring to an activating Welfare regime. While in the 1960s and the 1970s artists have been perceived as a socially vulnerable group who need to be protected from market risks, nowadays this social group is mainly regarded as entrepreneurs. In a nutshell, the new welfare-state arrangement with regard to artistic-creative work addresses the “deficit” entrepreneur. It consists of three core aspects. First, there is a semantic reconstruction of the empiric field. It is modeled as ‘Kultur- und Kreativwirtschaft’ and, therefore, it is mainly perceived as an economically productive field. Second, to fulfill the productive hopes and aims, artists and creatives are perceived to be activated sociopolitically and to be disciplined economically in order to change them into economically valuable entrepreneurs. Third, the new welfare arrangement is partly privatised and aims to create market oriented competitiveness among artists and creatives. The text is based upon empiric investigations in the cultural economy and creative economy which the author carries out since 2007.

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Notes

  1. Die sozialrechtlichen Grundlagen der Künstlersozialversicherung sind im Rahmen des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) geregelt.

  2. Aufnahmekriterium ist nach § 2 KSVG, dass die künstlerische Tätigkeit selbstständig und erwerbsmäßig ausgeführt wird. Als erwerbsmäßig gilt, wenn die Tätigkeit auf eigenschöpferischer Basis ein Mindesteinkommen von derzeit 3.900 € jährlich erzielt. Die Finanzierungsstruktur der KSK beruht auf drei Säulen, nämlich auf den Versicherungsbeiträgen (20 %), als Pendant zum Arbeitgeberanteil auf der Künstlersozialgabe (30 %) sowie auf staatlichen Zuschüssen (20 %) (Enquete-Bericht 2007, S. 298).

  3. Im Folgenden als KuK zitiert.

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Manske, A. Kreative als aktivierte Wirtschaftsbürger. Zur wohlfahrtsstaatlichen Rahmung von künstlerisch-kreativer Arbeit. Österreich Z Soziol 38, 259–276 (2013). https://doi.org/10.1007/s11614-013-0092-4

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