Seit nunmehr dreißig Jahren, seit Arlie Hochschilds bahnbrechender Studie „The Managed Heart“ über die Emotionsarbeit von Flugbegleiterinnen und Inkassoangestellten aus dem Jahr 1983, entwickelt sich ein spezifisches Feld der soziologischen Forschung, das die ehemals unverbundenen Themen Gefühle, Erwerbsarbeit und kapitalistische Wertschöpfung in Beziehung zueinander setzt.Footnote 1 Dem zugrunde liegen gesellschaftliche und ökonomische, aber auch wissenschaftliche Transformationen. So basiert der Wandel der Industriegesellschaften des globalen Nordens hin zu Dienstleistungs- und Informationsgesellschaften und damit der Übergang von industrieller zu immaterieller Arbeit bzw. Wissensarbeit auf neuen Schlüsselkompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Empathie und Einfühlungsvermögen. Auf diskursiver Ebene beflügelte die feministische Debatte durch die Problematisierung der Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit, von Reproduktions- und Produktionsarbeit bzw. vorgeblich weiblicher Emotionalität und männlicher Rationalität die Diskussion der In-Wert-Setzung von Gefühlen maßgeblich – nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Rekonfigurationen von Männlichkeit und Weiblichkeit im (Erwerbs-)Arbeitsprozess. In den letzten Jahren trägt zudem der Aufschwung praxeologischer Forschung in der Soziologie, die dem Körper und damit dem Affizieren und Affiziert-Werden besondere Bedeutung zumisst, zu einem breiteren Interesse an sinnlichen Vorgängen in der Interaktions- und Dienstleistungsarbeit bei.

Der Schwerpunkt der soziologischen Thematisierung von Gefühlsarbeit liegt auf der Kommodifizierung emotionaler Kompetenzen im Zeichen der unternehmerischen Wertschöpfung. Dabei stehen interaktive und konsumbezogene Dienstleistungen im Zentrum der Aufmerksamkeit, zum einen im Hinblick auf die Indienstnahme der „ganzen Person“, d. h. subjektiver Eigenschaften und Fähigkeiten, für den ökonomischen Zweck der Gewinnmaximierung, und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Wirkung subjektivierter Arbeitsprozesse auf die Arbeitskräfte, also der betrieblichen Subjektivierung. Die Arbeitssoziologie liefert seit dem Beginn der Diskussion über die postindustrielle Gesellschaft reichhaltige Erkenntnisse zur Subjektivierung der Arbeit – der/die ,ArbeitskraftunternehmerIn‘ bildet dabei einen zentralen Topos. Diese Argumentation geht aber implizit von AkteurInnen aus, die im Arbeitsprozess und unter dem Diktat der betrieblichen Verhältnisse mehr oder weniger bewusst auf unternehmerische Weise handeln, um dann im Privatleben möglicherweise in eine andere Rolle zu schlüpfen. Die Integration der Emotionsarbeitsforschung Hochschild’scher Provenienz in die Arbeitssoziologie hat allerdings nur teilweise stattgefunden, und die Subjektivierung der Arbeit vermittels persönlicher emotionaler skills bleibt bis zum heutigen Tag höchst erklärungsbedürftig.

Die von Michel Foucault inspirierte Diskussion über die Subjektivierung der Individuen hebt im Unterschied zum Rollenkonzept auf das stets unabgeschlossene Projekt der Subjektbildung im Kontext ganz unterschiedlicher Machtarenen in allen Bereichen des Lebens ab. Subjektivierung ist in diesem Verständnis der gleichzeitige Prozess von Regieren und Regiertwerden, von Fremd- und Selbstführung, von Unterwerfung und Personwerdung. Dieses Konzept wirft also einen anderen Blick auf die Subjektivierung im Arbeitsprozess, lässt sich doch mit der Leitfigur des „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) die Verwandlung des ,ganzen Lebens‘ in Arbeit thematisieren. Allerdings erscheint auch in dieser Theorietradition die emotionale oder affektive Dimension der Subjektivierung unterbelichtet. Während die Verwandlung des homo oeconomicus in einen reflexiven „Unternehmer seiner selbst“ (Foucault 2006, S. 314) in der soziologischen Literatur kontrovers diskutiert wird, herrscht weitgehend Schweigen über die körperliche und emotionale Dimension der Subjektivierung, die buchstäbliche Somatisierung der Fremd- und Selbstregierung.

Bei allen Defiziten konzentriert sich auf dem Forschungsfeld der Gefühlsarbeit das Gros der Studien auf marktwirtschaftliche Dienstleistungen, auf kaufmännische und Büro-Berufe, auf die Arbeit von ManagerInnen und VersicherungsvertreterInnen bis hin zur Tätigkeit in Call Centers. Sehr viel stärker noch vernachlässigt ist die Erforschung des Emotionsmanagements in jenen Arbeitsbereichen, die in der Geschichte der Soziologie als Musterbeispiele staatlichen rationalen Handelns gegolten haben: der bürokratischen Tätigkeit. Sine ira et studio, ohne Zorn und Eingenommenheit soll der Beamte seines Amtes walten, im Dienste der Allgemeinheit und der Staatsräson, schreibt Max Weber 1919. Während den politischen Führer Parteinahme, Kampf und Leidenschaft auszeichne, charakterisiere genau umgekehrt sittliche Disziplin und Selbstverleugnung die Beamtenehre (Weber 1992, S. 32). Die Unterdrückung der Affekte, vor allem der eigenen Interessen des Beamten im Dienste der Organisation und nicht zuletzt im Dienste der Allgemeinheit bezeichnet mithin die staatlich-bürokratische Tradition. Dies ändert sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit dem Umbau staatlicher Bürokratien in Dienstleistungseinrichtungen ganz wesentlich (vgl. die Beiträge von Kathrin Englert/Ariadne Sondermann und Olaf Behrend in diesem Heft). Die Debatte über Obrigkeitsstaatlichkeit und staatliche Bevormundung sowie über die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung mündete in neue Steuerungsverfahren für die Verwaltungsarbeit: Das New Public Management führte eine ökonomische Rationalität in staatliche Bürokratien mit dem Ziel ein, sowohl die Effizienz als auch die ,KundInnenorientierung‘ der staatlichen Bürokratie zu erhöhen. Ein wesentlicher Teil dieses Reformprozesses besteht darin, den Wettbewerb auch innerhalb der Verwaltung zu schüren und gleichzeitig das Engagement der Staatsbediensteten – zu Webers Zeiten noch Charakterzug der Politiker – für ihre Aufgaben zu erhöhen. Dieses verstärkte ,Interesse‘ an und in der Arbeit – ira et studium – soll nicht nur die Arbeitsabläufe effizienter gestalten und damit den staatlichen Ressourceneinsatz minimieren, sondern auch eine größere ,BürgerInnennähe‘ schaffen und die Zufriedenheit der ,KlientInnen‘ steigern. „Public servants are now required to develop ,personal‘ enthusiasms for specific policies and projects“, schreibt Paul du Gay (1996, S. 165) und verweist damit auf ein neues Steuerungsprinzip staatlichen Handelns, das eher marktförmige denn bürokratische Züge trägt und sich als entrepreneurial governance umschreiben lässt (vgl. ebd., S. 159 f.). Wie ein Teil des traditionellen staatlichen Gewalt- und Sicherheitsapparats, nämlich die Polizei, in diesem Kontext ihre Gefühlsarbeit begreift und berufliche emotionale Belastungen verarbeitet, analysiert der Aufsatz von Peggy Szymenderski in diesem Heft.

Das Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzip strukturiert nicht nur das ökonomische Feld und (in zunehmendem Maß) die bürokratische Arbeit, sondern durchzieht auch den Reproduktionsbereich, die Sphäre des Privaten, die ehemals idealerweise eine Art Gegenmodell zur berechnenden Welt der Ökonomie und den (männlichen) politischen Machtkämpfen bilden sollte. Die bürgerliche Familie ist idealtypisch der legitime Hort der (weiblichen) Emotionen, der selbstlosen Liebe und des emotionalen Rückhalts für den berufstätigen Ehegatten sowie der Fürsorge für die Kinder und pflegebedürftigen Alten. Diese Form der Beziehungsarbeit sollten Frauen im fordistischen Modell der Länder des Nordens unentgeltlich und ,aus Liebe‘ erledigen (vgl. Bock/Duden 1976) – sie war also nicht als Gefühlsarbeit anerkannt. Im Gegenteil, die Wohlfahrtsstaaten des Nordens institutionalisierten eine ungleiche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Mit der Erosion der Kleinfamilie seit den 1970er Jahren treten die kontraktuellen Züge von Partnerschaften neuerdings stärker hervor: in den Verhandlungsprozessen zwischen (materiell und sexuell) autonomen PartnerInnen über die jeweiligen Rechte und Pflichten, in der rationalen Planung der Fortpflanzung angesichts beruflicher Selbstverwirklichungswünsche oder in der Aufkündigung von Partnerschaften bei divergierenden Interessen und mangelnder Zuwendung. Wenn auf der einen Seite als weiblich erachtete affektive Kompetenzen in der Berufswelt der Dienstleistungsgesellschaft eine bedeutende Rolle zu spielen beginnen, so durchdringen auf der anderen Seite der Leistungsgedanke und die Konkurrenz um Handlungsressourcen der männlichen Erwerbsarbeitswelt sowie die In-Wert-Setzung von Tätigkeitsbereichen den Beziehungsalltag. „Existence becomes work“, prognostiziert Cristina Morini (2007, S. 46) in diesem Zusammenhang.

Mit der Kommerzialisierung der familiären Sorgearbeit (v. a. mit Hilfe und auf dem Rücken migrantischer Frauen) werden Gefühle auf neuartige Weise zum Gegenstand kapitalistischer Ausbeutung im Familienverband reicher Zuwanderungsländer (vgl. den Beitrag von Brigitte Bargetz). Und auf den sich ausdifferenzierenden Sex- und Beziehungsmärkten der westlichen Welt preisen sich die MarktteilnehmerInnen in den höchsten Tönen selbst an, in einem Prozess der Selbstvermarktung und -optimierung, in dem sie zugleich Subjekt und Objekt der Tauschbeziehung sind. Eine moderierende Kraft auf diesem Feld stellen Internetplattformen dar, die der Partnerschaftsvermittlung dienen – einer der höchst lukrativen Sektoren der Internetökonomie –, deren immaterielle Produkte emotionale Beziehungen sind, die die NutzerInnen selbst herstellen und zugleich konsumieren: als „Prosumer der Gefühle“, wie der Beitrag von Kai Dröge und Olivier Voirol analysiert. Die Liebe wird durch die Vermittlungsarbeit der Dating-Plattformen zu einer Quelle ökonomischer Wertschöpfung und reiht sich damit nahtlos in das Produktionsregime immaterieller Güter ein, das die kapitalistische Entwicklung im globalen Norden am Laufen hält.

Der marktförmige Wettbewerb zeigt sich allerorten. Foucault spricht von der Herausbildung einer „Unternehmensgesellschaft“: „Die Gesellschaft, die dem Markt entsprechend geregelt sein soll und die die Neoliberalen vor Augen haben, ist eine Gesellschaft, in der das regulative Prinzip ... in Mechanismen des Wettbewerbs (bestehen soll)“ (Foucault 2006, S. 208). In dieser Gesellschaft sind die Emotionen unmittelbarer den Verwertungsinteressen des Kapitals unterworfen, und die affektive Subjektivierung resultiert in einer Selbststeuerung, bei der die somatisierte Gefühlsstruktur und das Gefühlsmanagement dem kommerziellen Geschäft nützlich sind. Dabei stellt sich die Frage, ob die Ausbreitung solcher Affekte in der Arbeitswelt – wie etwa Kontaktfreudigkeit und (Kunden-)Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen und Vertrauen – nicht auch die Basis für Vergemeinschaftungsprozesse darstellt, die über die Konkurrenz- und Unternehmensgesellschaft hinausweisen. „Affektive Arbeit produziert soziale Netzwerke, Formen der Gemeinschaft, der Biomacht“, argumentieren Michael Hardt und Antonio Negri (2003, S. 304). „In the production and reproduction of affects ... collective subjectivities are produced and sociality is produced – even if those subjectivities and that sociality are directly exploitable by capital“, ergänzt und akzentuiert Hardt (1999, S. 96). Es klingt in diesen Zitaten an, dass die Kommerzialisierung von Gefühlen – einmal in Gang gesetzt – auch ein Potenzial an Widerstand erzeugt, das in den affektiven Interaktionen und Netzwerken liegt, die in den gegenwärtigen Arbeitsprozessen, auch in der Wissensarbeit, unumgänglich sind. Auf jeden Fall lohnt es sich, über die Offenheit und Paradoxie einer affektiven Vergesellschaftung und Subjektbildung nachzudenken. Freilich steckt die Theoretisierung der befreienden Aspekte affektiver Arbeit noch in den Kinderschuhen, zumal die angesprochene Neoliberalisierung der Gesellschaft die Freiheit in der Arbeit mit der Konstitutierung einer unternehmerischen Selbstregierung verwoben hat. Der abschließende Beitrag dieses Heftes über „Markt der Gefühle, Macht der Gefühle“ bietet in dieser Hinsicht Ansätze – die letztlich über das Themenheft hinausreichen – für eine theoretische Rekonzeptualisierung von Emotionsarbeit und affektiver Arbeit, die nicht zuletzt die Frage des emotionalen Widerstands, also die Frage einer möglichen ,Biomacht von unten‘ berührt.