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Break-out im türkischen Lebensmittelhandel

Neue Perspektiven auf die soziale Einbettung migrantischer Ökonomien

Break-out in Turkish food retailing – New perspectives on the social embeddedness of immigrant economies

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Zusammenfassung

Der Beitrag diskutiert auf Basis einer qualitativ-empirischen Untersuchung des türkischen Lebensmittelhandels in Wien die soziale Einbettung von Break-out-Prozessen. In der sozialwissenschaftlichen Literatur bezeichnet „Break-out“ das Heraustreten migrantischer Unternehmen aus der „ethnischen Enklavenökonomie“, indem potentielle KundInnen der Mehrheitsgesellschaft gewonnen werden. Häufig wird Break-out auf eine individuelle und ökonomisch motivierte Marketing-Strategie reduziert, während die soziale Dimension bislang nur wenig Berücksichtigung findet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Marktorientierungen migrantischer Unternehmen in einem Spannungsfeld gegensätzlicher Erwartungen – jener der migrantischen Community wie jener der Mehrheitsgesellschaft – verortet sind. Anhand einer Typologie unterschiedlicher Umgangsweisen mit diesen Erwartungen wollen wir die Verwobenheit von ökonomischen und sozialen Faktoren aufzeigen und zu einem besseren Verständnis der sozialen Einbettung migrantischer Ökonomien beitragen.

Abstract

Based on a qualitative-empirical study of the Turkish food retail sector in Vienna, this article discusses the social embeddedness of break-out-processes. In socio-scientific literature, the term “break-out” is used to describe the process by which immigrant entrepreneurs leave their “ethnic enclave economy” by gaining consumers beyond their own community. While research appears to reduce break-out to an individual and economically driven marketing strategy, the social dimension has been neglected so far. Our findings demonstrate that the entrepreneurs’ market orientation is located between the contradictory contexts of different expectations—those of the immigrant community as well as those of the majority community. On basis of a typology of different ways of dealing with these expectations we want to reveal the interrelationships between economic and social factors and, furthermore, to contribute to a deeper understanding of the social embeddedness of immigrant economies.

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Notes

  1. Die Auswahl der beiden Gebiete verdankt sich der Annahme, dass unterschiedliche Stadien der Stadtteilentwicklung einen Einfluss auf Break-out-Prozesse haben: Während das Brunnenmarktviertel im Zuge von Stadterneuerungs- und Sanierungsmaßnahmen seit Mitte der 1990er-Jahre als beliebtes multi-ethnisches Kunst- und Kulturviertel gilt, hat das im 20. Gemeindebezirk liegende Gebiet rund um den Hannovermarkt eine deutlich schwächere Aufwertung erfahren (vgl. Parzer und Czingon 2011). Beide Stadtteile sind durch eine hohe Konzentration an türkischen Lebensmittelgeschäften gekennzeichnet.

  2. Besonderer Dank gilt Melek Hacioglu, die uns in der Erhebungsphase maßgeblich unterstützt hat.

  3. Dank gebührt an dieser Stelle den Studierenden der Lehrveranstaltung „Ethnische Ökonomien in Wien“ (Leitung M. Parzer), die mit ihren Datenerhebungen und -auswertungen zur erfolgreichen Durchführung des Forschungsprojekts beigetragen haben: K. Ablasser, H. Heissl, J. Holzner, H. Horak, J. Dagmara, T. Miemietz, M. Plate, J. Renat, A. Sandri, K. Schneider, S. Slamanig, S. Straßer, R. Toppelreiter, A. Tulla, J. Weber und E. Wimmer.

  4. Zu weiteren Einflussfaktoren siehe Parzer und Czingon 2011.

  5. Unter „eigener Community“ wird hier und im Folgenden die „türkische Community“ bezeichnet – womit wir die Selbstbeschreibung der AkteurInnen übernehmen: In ihren Erzählungen rekurrierten alle interviewten UnternehmerInnen auf die „türkische Community“, ohne eine Differenzierung nach „ethnischer“ Zugehörigkeit (z. B. kurdisch) oder Religion (z. B. sunnitisch, alevitisch) vorzunehmen. Dennoch zeigt sich in den Interviews, dass es häufig zu einer Gleichsetzung von „türkisch“ und „muslimisch“ kommt, vor allem dann, wenn der Umgang mit religiösen Vorschriften angesprochen wird.

  6. Anmerkungen zur Signatur: I steht für Interviewtranskript, Z. für die jeweilige(n) Zeile(n) im Transkript, aus denen das Zitat stammt. P steht für Protokoll.

  7. Dies gilt in erster Linie für UnternehmerInnen, die einer streng islamischen Glaubensgemeinschaft angehören; nicht jedoch für z. B. alevitische Geschäftsleute.

  8. Als Hadsch wird die Pilgerfahrt nach Mekka bezeichnet, zu der jeder erwachsene Muslim, der es sich gesundheitlich und finanziell leisten kann, verpflichtet ist. Hat ein Muslim die Pilgerreise unternommen, ist er Hadschi (vgl. Hofmann 2001, S. 45 f.).

  9. Harām ist ein arabisches Wort, das für das islamrechtlich Verbotene steht. Eine Tat, die vom Koran als harām eingestuft wird, gilt als sündhaft (vgl. Hofmann 2001, S. 57).

  10. Der entwickelten Typologie liegt weder eine lineare Stufenlogik noch die Annahme eines „wünschenswerten“ Endzustandes zugrunde. Übergänge zwischen den einzelnen Handlungsfeldern sind im Laufe des Lebenszyklus eines Unternehmens zwar durchaus möglich, aber keinesfalls notwendig. Zudem ist anzumerken, dass die Einteilung in unterschiedliche Break-out-Orientierungen ausschließlich analytischen Zwecken dient. Die empirische Wirklichkeit kennt selbstverständlich keine so klaren Grenzen und zeichnet sich vielmehr durch verschiedenste Variationen und Mischformen der dargestellten Typen aus.

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Für ihre kritischen Kommentare und wertvollen Hinweise danken wir Barbara Gruber, Thomas Miemietz, Eva Wimmer sowie den anonymen Gutachtenden der ÖZS.

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Parzer, M., Czingon, C. Break-out im türkischen Lebensmittelhandel. Österreich Z Soziol 38, 55–75 (2013). https://doi.org/10.1007/s11614-013-0069-3

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