Zum ersten Mal begegnete ich Peter Findl um 1969/1970; als junger Studienassistent erhielt ich damals von Prof. Leopold Rosenmayr die Möglichkeit, in einem Proseminar zur Familiensoziologie selbstständig eine Gruppe zu leiten. Unter den TeilnehmerInnen befand sich ein bereits fortgeschrittener Student der Rechtswissenschaften. Ich war darauf durchaus etwas stolz, zeigte es doch, dass die Soziologie auch bei Studierenden einer klassischen Universitätsdisziplin auf Interesse stieß. Interessant war das Referat, das der Studierende, Peter Findl, hielt. Es ging um die Theorie der modernen Familie von Friedrich Engels in seiner berühmten Schrift zum „Ursprung der Familie, des Privateigentums und Staates“ (1884). Im Anschluss an den Anthropologen Lewis H. Morgan vertrat Engels darin die These, dass sich die Familie aus ursprünglich umfassenderen, gemeinschaftlichen Formen der Verwandtschafts- und Gruppenfamilie (in welchen auch die Frau eine wichtige Stellung innehatte) zur modern-kapitalistischen, patriarchalisch geprägten, isolierten Kleinfamilie entwickelt habe. Schon zu dieser Zeit lernte ich auch die Frau von Peter Findl, Inga, kennen, die ebenfalls Soziologie studierte und in Forschungsprojekten bei Rosenmayr mitarbeitete.

Der Kontakt zu Peter Findl intensivierte sich, als wir beide 1972–1974 als Scholaren an der Abteilung Soziologie des Instituts für Höhere Studien weiter studierten. Daraus ergab sich Ende der 1970er Jahre eine wissenschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen des großen Forschungsprojekts zur sozialen Schichtung in Österreich. Ich nehme an, dass Peter Findl, der seit 1974 in der Abteilung 1 (Bevölkerung) am Statistischen Zentralamt arbeitete, uns behilflich war, für dieses Projekt die Originaldaten von Mikrozensuserhebungen zu erhalten. Er selbst steuerte ein Kapitel zur Buchveröffentlichung bei, in welchem er sich wieder mit der Thematik der Familie befasste (Findl 1982).

Am Statistischen Zentralamt besetzte Peter Findl bereits ab 1978 verantwortungsvolle Positionen, zunächst als Leiter des Hauptreferates Bevölkerungsbewegung, ab 1997 (inzwischen mit dem Titel „Hofrat“; allerdings empfahl er seiner Sekretärin sehr rasch dessen Nichtgebrauch) als stellvertretender bzw. Leiter der Präsidialabteilung, ab 2000 im Rahmen der neuen selbstständigen Bundesanstalt „Statistik Österreich“ als Generalsekretär und Leiter der Abteilung „Informationsmanagement und Methodik“. In allen diesen Positionen entfaltete er vielfältige Aktivitäten, bei welchen er seine umfangreichen Kenntnisse aus Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften und Statistik einsetzen konnte (vgl. dazu ausführlich Zeidler und Gisser 2010). Zuletzt war er maßgeblich beteiligt an der Entwicklung und Einführung der neuen Form der Register-Volkszählung, die 2011 zum ersten Mal erfolgreich durchgeführt wurde. Weiters baute er ein System der Bevölkerungsprognose auf, entwickelte komplexe Indikatorensysteme (u. a. einen innovativen „Österreichischen Todesursachenatlas“), reorganisierte den Mikrozensus, führte selbst statistische Auswertungen durch und beteiligte sich federführend an der Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen für die amtliche Statistik. Neben all diesen Tätigkeiten verfasste er zahlreiche wissenschaftliche Publikationen in Form von Zeitschriftenaufsätzen und als Autor bzw. Koautor von Büchern; der Katalog der Library of Congress (Washington) verzeichnet sieben von ihm (mit-)verfasste Buchpublikationen (Bevölkerung Österreichs 1977; Bevölkerung und Sozialstaat 1987; Ökonomische Analyse der Sozialversicherung 1988; Auswirkungen der internationalen Wanderungen auf Österreich 1991; Haushaltsentwicklung, Wohnbau und Wohnungsbedarf in Österreich 1992; Bevölkerung, Familie und Sozialpolitik in Österreich 1994).

Alle, die Peter Findl persönlich kannten, haben ihn als einen an Vielem Interessierten, äußerst umgänglichen und angenehmen, aber auch sehr kritischen und oft ironischen Menschen in Erinnerung. Die Wertschätzung, die er bei Arbeits- und Berufskollegen, Bekannten und Freunden genoss, äußerte sich bei der beeindruckenden Beerdigung am Zentralfriedhof in Wien am 16.11.2011, die – vollkommen seinem Stil entsprechend – völlig ohne prätentiöse Reden und Umrahmungen auskam, aber dennoch sehr berührend war. Ich habe schon mehrfach bei Beerdigungen auf dem Zentralfriedhof teilgenommen (die schmerzlichste war jene meiner Frau), habe aber noch nie so viele TeilnehmerInnen, Kränze und Blumengedecke gesehen.

Abschließend möchte ich zurückkommen auf das Referat von Peter in meinem Proseminar vor 40 Jahren. Die Wohnung und die Lebensweise der Familie Findl im Schatten des Stephansdoms im Zentrum von Wien entsprach in keiner Weise dem Stil, den Engels für die moderne Kleinfamilie skizziert hatte; die Wohnung war stets offen für Bekannte, Freunde und Gäste. So konnte ich 1981 (als ich noch in Mannheim arbeitete) einmal eine schwere Erkältung, die ich mir bei einem Vortrag in Graz geholt hatte, in einem der Kinderbetten der Wohnung auskurieren. Zum Haushalt „gehörten“ auch mehrere enge Verwandte der Familie (einschließlich eines „Findelhundes“ aus Italien), die ein- und ausgingen und mithalfen, dass alles Notwendige erledigt wurde. In einem Interview im „Standard“ äußerte einmal eine prominente Wiener Naturwissenschaftlerin auf die Frage der Journalistin, ob die Kinder für eine berufliche Karriere nicht eine große Belastung darstellten, sinngemäß: Weniger die Kinder, eher der Mann. Peter Findl hat diese Aussage Lügen gestraft: Wie sonst wäre es möglich gewesen, dass seine Frau Jahre nach Beendigung ihre Soziologiestudium noch ein Medizinstudium absolvieren und lange als Ärztin bzw. Oberärztin am Hanusch-Krankenhaus wirken konnte? In diese Tätigkeit konnte sie auch ihre sozialwissenschaftlichen Fachkenntnisse einbringen – etwa durch Initiierung eines professionellen „Entlassungsmanagements“, das älteren Menschen hilft, sich nach Krankenhausaufenthalten wieder im Alltag zurechtzufinden. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass Peter und Inga trotz ihrer vielfältigen beruflichen Verpflichtungen auch drei sympathische und inzwischen selbstständige und erfolgreiche Kinder großgezogen haben.