Zusammenfassung
Der Beitrag fasst die wichtigsten empirischen Ergebnisse einer Studie zu den Folgen von Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen auf Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse zusammen und diskutiert die Auswirkungen im Lichte einer breiteren sozialwissenschaftlichen Debatte zur gegenwärtigen Restrukturierung von Arbeit und Beschäftigung im marktzentrierten Akkumulationsregime. Zu den Folgen von Liberalisierung und Privatisierung gehören unter anderem ein massiver Abbau von Beschäftigung, die Ausweitung atypischer Beschäftigung, eine Reduktion von Löhnen und eine substantielle Verschlechterung von Arbeitsbedingungen. Eine weitere Auswirkung ist die Dezentralisierung und Fragmentierung von Kollektivvertragsstrukturen. Liberalisierung und Privatisierung wirken sich deshalb nicht nur auf den Umfang und die Art von öffentlichem Eigentum und auf die governance-Struktur öffentlicher Betriebe aus, sondern verändern auch den Charakter und die Funktion des öffentlichen Beschäftigungsregimes, welches für das ökonomische Entwicklungsmodell der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle spielte. Mit Liberalisierung und Privatisierung wird der politische Charakter von Beschäftigungsstandards im öffentlichen Sektor in Frage gestellt und angeblich unpolitischen Marktprozessen untergeordnet. Das Ergebnis ist nicht nur eine „Vermarktlichung“ von Arbeit und Beschäftigung, wie das Konzept der marktorientierten Akkumulationsregimes nahe legt, sondern auch eine weit reichende Flexibilisierung, Prekarisierung und damit Rekommodifizierung von Arbeit.
Abstract
The paper summarises the empirical results of a study on the impact of liberalisation and privatisation of public services on employment, working conditions and labour relations and links these results to a broader sociological debate on the current restructuring of work and employment in the emergence of a market-oriented accumulation regime. The consequences of liberalisation and privatisation include a massive cut in public sector jobs, an extension of atypical forms of employment, a reduction in wage costs and a substantial deterioration of working conditions. Another result is the decentralisation and fragmentation of bargaining structures in public services. Privatisation and liberalisation, hence, do not only alter public ownership and governance structures of public sector firms, but also change the character and function of the public employment regime that played a decisive role in the post-war model of development. With privatisation and liberalisation the political character of employment standards in the public sector is increasingly questioned and subjected to supposedly non-political market mechanisms. The result is not only a marketisation of work and employment as indicated by the concept of the market-oriented accumulation regime, but also a far-reaching flexibilisation, precarisation and henceforth recommodification of labour.
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Additional information
Roland Atzmüller, geb. 1969. Seit 2002 Mitarbeiter von FORBA (Forschungs-und Beratungsstelle Arbeitswelt), Studium der Politikwissenschaft in Wien, 1998 und 1999 Studium in Manchester/Großbritannien. 1999 und 2000 Forschungsassistent am CRIC (Centre for Research on Innovation and Competition) an der Manchester University, 2001 Assistenzvertretung am Institut für Politikwissenschaft Wien. Forschungsgebiete: Sozial-, Arbeitsmarkt-und Ausbildungspolitik, industrielle Beziehungen, Transformationen der Arbeit und Staatlichkeit.
Christoph Hermann, geb. 1968. Seit 1998 Mitarbeiter von FORBA (Forschungs-und Beratungsstelle Arbeitswelt). Studium der Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Vergleichende Politische Ökonomie in Wien und im Rahmen eines postgraduate Studiums an der York University Toronto, Kanada. Dissertationsthema: Die politische Ökonomie der Arbeitszeit. Forschungsgebiete: Transformation von Arbeits-und Produktionsverhältnissen in vergleichender Perspektive (Schwerpunkt Arbeitszeit).
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Atzmüller, R., Hermann, C. Veränderung öffentlicher Beschäftigung im Prozess der Liberalisierung und Privatisierung. ÖZS 29, 30–48 (2004). https://doi.org/10.1007/s11614-004-0029-z
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