Arbeit wird häufig als eine Quelle von Stress betrachtet mit negativen Auswirkungen auf unsere psychische und physische Gesundheit. Arbeit trägt aber auch zu unserem Wohlbefinden, Gesundheit und persönlichem Wachstum bei. Persönliches Wachstum bei der Arbeit, „thriving“ (gedeihen) oder „flourishing“ (aufblühen) ist durch die Erfahrung von Vitalität (einem positiv aktivierten Affekt) und Lernen gekennzeichnet. Studien zeigen, dass persönliches Wachstum mit einer besseren Arbeitsleistung, Kreativität, Anpassung, Gesundheit und Wohlbefinden zusammenhängt. In diesem Themenheft wird der Frage nachgegangen, wie persönliches Wachstum im Arbeitskontext gefördert werden kann.

In dem ersten Beitrag von Sabine Hommelhoff, Carina Schröder und Cornelia Niessen wird exemplarisch untersucht, ob und wie sich das Erleben von persönlichem Wachstum bei der Arbeit im Laufe der Karriere verändert. Eine Interviewstudie zeigt, dass persönliches Wachstum besonders nach der Bewältigung von Herausforderungen erlebt wird. Art, Häufigkeit und Inhalt dieser Herausforderungen scheinen aber je nach Karrierephase zu variieren, was bei Interventionen in Organisationen berücksichtigt werden sollte.

Eine wesentliche Voraussetzung für das persönliche Wachstum ist die Verfügbarkeit von Ressourcen. Dabei spielen nicht nur personenbezogene, sondern auch kontextbezogene Ressourcen bei der Arbeit eine Rolle. In ihrem Beitrag untersuchen Kerstin Rieder, Sylvia Kraus und Gerlinde Vogl, welche Ressourcen den positiven Affekt (hier Arbeitsfreude) als eine zentrale Komponente des Gedeihens von Beschäftigten auf Dienstreisen stärken. Dabei wird die Rolle von allgemeinen, arbeitsbezogenen Ressourcen (z. B. Handlungsspielraum, Führung) und mobilitätsbezogenen Ressourcen (technisch-organisatorische Unterstützung unterwegs) in Interviews und Online-Befragungen erfasst. In dem sich anschließenden Übersichtsartikel von Claudia Harzer dagegen stehen die personenbezogenen Ressourcen, hier Charakterstärken, im Fokus. Harzer fasst die einschlägige Forschung zu Charakterstärken zusammen und leitet mögliche Strategien und Interventionen auf individueller, Team- und Organisationsebene ab, die die individuelle Nutzung dieser Stärken bei der Arbeit unterstützen können.

Die konkrete Entwicklung und Evaluation eines Trainings zur Förderung von Stärken und Ressourcen ist Gegenstand des Beitrags von Annika Krick und Jörg Felfe. Sie zeigen, dass dieses Training die gesundheitsförderliche Selbstführungskompetenz unterstützt und damit positiv mit der Gesundheit der Teilnehmenden zusammenhängt. Als eine weitere Möglichkeit der Intervention zur Förderung des persönlichen Wachstums (Gedeihens) schlägt Katharina Ebner in ihrem Beitrag das Karrierecoaching vor. Ebner stellt hier speziell die Förderung des Karriereoptimismus in den Vordergrund.

Eine ganz andere Perspektive zur Frage des Gedeihens bei der Arbeit wählt Maike Keller. Die Unternehmerin zeigt Wege auf, wie ein Wirtschaftsbetrieb sich an antiker eudaimonistischer Philosophie orientieren kann, die sich an den Konzepten von Aristoteles und Epikur zum Guten Leben orientieren. Sie begründet die Notwendigkeit der Neuausrichtung von Unternehmen und zeigt auf, wie es ihr gelingt, die Prinzipien der Lebensfreude, der Seelenruhe, des Maßhaltens, der Selbstmächtigkeit und der Selbstbeschränkung, der Gerechtigkeit, der Freundschaft und Verbundenheit, der Besonnenheit, Großzügigkeit und der Tapferkeit in ihrem Unternehmen umzusetzen. Sie verbindet hier die Denktraditionen des guten Lebens mit denen guter Arbeit und guter Organisationsformen.

Zwei weitere Beiträge befassen sich mit „Achtsamkeit“, einem Thema, das nicht nur bei Berater/innen in aller Munde ist, sondern bereits in das Alltagswissen vorgedrungen ist. Im Praxisbericht stellt Sabine Bauer Forschungsergebnisse und Konzepte der Achtsamkeit vor und beleuchtet die Möglichkeiten, wie Achtsamkeitsübungen sinnvoll im Coaching eingesetzt werden können. Der Beitrag bietet vielfältige methodische Empfehlungen, wie Coachingprozesse mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen optimiert werden können. Virtuell antwortet ihr Simon Schindler, der in seinem Diskurs-Beitrag „Ein achtsamer Blick auf den Achtsamkeits-Hype“ den Stand der Achtsamkeitsforschung skizziert. Viele methodologische Probleme und Dilemmata tauchen in diesem Zusammenhang auf, sodass Sie als Leser und Leserinnen aufgefordert sind, Ihre eigene Haltung zum Achtsamkeitskonzept zu reflektieren. Es wird Sie überraschen, dass durchaus auch unerwünschte Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Achtsamkeitstrainings zu Buche schlagen. Ein Beitrag, der auf anregende Weise vermeintliche Wissensbestände zu labilisieren versteht!