Seit über 20 Jahren gibt es artop, ein Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin, seinerzeit mit der Gründungsidee ins Leben gerufen, ein interdisziplinäres Institut an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis zu schaffen. Hervorgegangen aus dem Institut für Psychologie und in direkter Traditionslinie der Gestaltpsychologie und später der Kybernetik, fußt die Identität von artop zu einem großen Teil auf den Spuren, die Wertheimer, Köhler, Lewin und Klix in der Psychologie hinterlassen haben. Später kamen andere Einflüsse hinzu, die sich heute am ehesten mit einem systemischen Verständnis auf Basis der humanistischen Psychologie beschreiben lassen. Seit seiner Gründung ist artop kontinuierlich gewachsen und profitiert in Coaching, Training, Organisationsberatung und verschiedenen anderen Formaten vom umfangreichen Wissen und den vielfältigen Kompetenzen seiner Beraterinnen und Berater. Bei der Vielfalt von Themen und Projekten ist es selbst für uns nicht immer einfach, die Klammer zu finden, die alles inhaltlich umschließt.

Die Abkürzung „artop“ steht für Arbeits- und Technikgestaltung, Organisations- und Personalentwicklung. Das sind die Felder unseres Wirkens, welches wir in die Bereiche Ausbildung, Beratung und Forschung unterteilen. In allen Themen geht es um Psychologie in gesellschaftlichen Praxisfeldern, es geht um Exzellenz, um Individualität, um Fundierung und Reflexion. Und es geht um unsere Haltung als Berater und Beraterinnen, wenn wir für Ausbildungsteilnehmer/innen Lernerlebnisse kreieren, die sich einprägen, helfen, das eigene Profil zu entwickeln; wenn wir im Coaching-, Beratungs- und Trainingskontext mit anderen in Beziehung treten und Räume schaffen, in denen Lernen und Veränderung geschehen können, und wenn wir in unserer Forschung und wissenschaftlichen Arbeit Theorie und Anwendung miteinander zu verknüpfen suchen.

Im vorliegenden Heft geben wir einen Einblick in unsere Themen, Ansätze und Praxisfelder. Dabei handelt es sich um eine eher spontane und zufällige Auswahl, durch die es gleichwohl gelungen ist, die Spannungsfelder, in denen wir uns bewegen, nämlich die zwischen Wissenschaft und Praxis, Organisation und Person, Sein und Tun, Geist und Körper abzubilden.

Im ersten Aufsatz werden durch Thomas Bachmann anhand einer umfangreichen Befragung von Personalverantwortlichen implizite Theorien über Lernen und Veränderung durch Coaching in Organisationen beleuchtet. Anlass für diese Untersuchung war die Beobachtung, dass viele Organisationen Coaching zwar ähnlich implementiert haben, trotzdem aber ein sehr uneinheitliches Bild darüber besteht, was Coaching ist und was es bewirken kann und soll. Mit dieser Arbeit setzen wir die Tradition der Coachingforschung bei artop mit einer weiteren empirischen Arbeit fort.

Der zweite Beitrag von Stefan Bedenk und Sebastian Kunert setzt sich mit Ansätzen der Organisationsberatung auseinander, welche sich gezielt mit Innovationen in Organisationen beschäftigt. Dazu entwickeln die Autoren einen übergreifenden, modernen Innovationsbegriff und leisten dabei eine sortierende Definitionsarbeit. Höchst praxisrelevant wird diese durch Erfahrungen aus eigenen Beratungsprojekten angereichert.

Sprachliche Bilder in Coaching und Beratung sind das Thema des dritten Beitrags in diesem Heft. Thomas Bachmann schlägt hier eine Brücke von der reinen Anwendungsorientierung von sprachlichen Bildern, die sich u. a. durch Kunstfertigkeit, Sprachtalent, Kreativität, Situationshaftigkeit, Anschaulichkeit und Emotionalität auszeichnet, hin zu den kognitionspsychologischen Grundlagen und Prozessen, die bei der Generierung und beim Verständnis sprachlicher Bilder von Bedeutung sind. Daraus werden wichtige Hinweise und Anforderungen abgeleitet, die die Arbeit mit sprachlichen Bildern in Coaching und Beratung verständlicher und anschlussfähiger machen können.

Julia Pullen zeigt in ihrem Beitrag, wie körperorientiertes Arbeiten im Coaching eingesetzt werden kann. Dabei zeigt sie, wie sich neurobiologische Zustände in körperlichen Mustern und damit im Verhalten und Erleben niederschlagen und umgekehrt. Anhand eines ausführlichen Fallbeispiels wird gezeigt, wie sich körper- und emotionsorientiertes Arbeiten anschlussfähig in Coachingprozesse integrieren lassen.

Sandrina Lellinger und Thomas Bachmann versuchen in ihrem Aufsatz eine Verbindung zwischen dem Konzept von Kontakt und den Kontaktfunktionen aus der Gestalttherapie und Ansätzen aus der Systemtheorie. Sie können zeigen, wie sich diese beiden theoretischen und praktischen Quellen ergänzen und dabei helfen, menschliches Verhalten in sozialen Situationen als systemische Kontaktregulation zu verstehen. Es werden Implikationen und Beobachtungshilfen für Coaching und Beratung abgeleitet.

In seinem Praxisbericht lässt uns der Journalist, Berater und Radiomoderator Carsten Tesch an seiner Methode des systemischen Storytellings teilhaben. Er zeigt und unterlegt aus systemtheoretischer Perspektive, wie Organisationen durch Spiegelungen in Form ungehinderter journalistischer Tätigkeit verzaubert, gerührt, angeregt oder irritiert werden können und wie dieses Vorgehen im Rahmen von Change-Projekten nutzbringend eingesetzt werden kann.

Der Diskursartikel von Jana Löffler und Frank Schmelzer greift ein zentrales Thema der westlichen Welt in unserer Zeit auf: Selbstoptimierung als Antwort auf den gesellschaftlichen Druck der VUKA-Welt (volatil, unsicher, komplex, ambivalent). Anhand des Konstrukts Psychopolitik und einer konkreten Fallgeschichte balancieren die beiden Autoren auf dem schmalen Grat zwischen Selbstausbeutung und Selbstbefreiung.

Ich wünsche allen Lesern dieser Ausgabe der OSC interessante, lehrreiche, nachdenkliche oder vielleicht auch vergnügliche Momente bei den nun folgenden Einblicken in unsere Arbeit und deren theoretische Grundlagen.