Verschiedene Autoren aus Praxis und Wissenschaft betrachten Coaching immer noch als Black Box, von der man nicht so genau weiß, was sie enthält. Und auch aus der Coachingszene werfen etliche Akteure immer wieder Fragen auf, was sich im Coaching eigentlich ereignet. In der vorliegenden Ausgabe von OSC präsentieren wir eine Reihe von Beiträgen, die sich aus je unterschiedlicher Perspektive mit genau solchen Fragen befassen: Was passiert eigentlich im Coaching, welche Kompetenzen braucht der Coach, welche Besonderheiten müssen beim organisationsinternen und beim -externen Coaching bedacht werden, welche Vielfalt der Perspektivität ist für die Klientel angemessen? usw.

Im ersten Beitrag gehe ich, Astrid Schreyögg, einer im Coachingmilieu häufig diskutierten Frage nach, ob der Coach ausschließlich Prozessberater ist oder ob er auch als Expertenberater fungieren sollte. Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst gezeigt, welche Intentionen Edgar Schein mit der Kreation seines Ansatzes ursprünglich verfolgt hat. Aus der historischen Genese erschließt sich, dass die Basis von Coaching als personenorientierte Beratung tatsächlich in der Prozessberatung bestehen muss. Aus der spezifischen Zielsetzung von Coaching als Beratungsform für Fach- und Führungskräfte ergibt sich aber darüber hinaus, dass der Coach auch über eine fachliche Expertise im Bereich von Management und von Organisationen verfügen sollte, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Aus solchen Überlegungen folgt zweierlei: Bei bestimmten Fragestellungen wird der Coach zumindest sequenziell auch als Expertenberater gefragt sein. Und daraus folgt weiterhin, dass Coachingausbildungen diese Wissensbestände auch in ihren Lehr-Lern-Canon aufnehmen müssten.

Eva-Maria Graf, Yasmin Aksu und Sabine Rettinger gehen noch tiefgreifender der Frage nach, „was macht eigentlich der Coach“. Diese Autorinnen gehen das Thema aus linguistischer Perspektive an. Zunächst stellen sie eine Forschungsgruppe vor, die sich mit der qualitativ-linguistischen Erforschung von Coachinggesprächen und verwandten Formaten befasst. Daran anschließend erläutern die Autorinnen anhand von Beispielen, welchen spezifischen Beitrag sie aus der Sicht der Linguistik zur Erforschung von Coaching leisten können.

Aus einer gänzlich anderen Perspektive betrachtet Stefan Stenzel das Tun von Coaches. Als Psychologe bei SAP sucht er Bestimmungsmerkmale für den Aufbau eines organisationsinternen Coachingpools zu entwickeln und gleichzeitig die betrieblichen Vor- und Nachteile von organisationsinternem und -externem Coaching abzuwägen. Nach einer Vielzahl von Überlegungen gelangt der Autor zu dem Fazit, dass für die Etablierung eines internen Pools, der einen externen zu großen Teilen überflüssig machen würde, nicht zuletzt wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen. Entscheidende Frage ist auch hierbei, was sollte der Coach im einen wie im anderen Setting genau tun.

Im vierten Hauptbeitrag geht Anne Rosken einem inhaltlich bedeutsamen Thema von Coaching nach: dem Diversity Management. Die Autorin zeigt, dass Diversity, ein moderner Terminus für gesellschaftliche Heterogenität, in der aktuellen gesellschaftlichen Situation immer bedeutsamer wird. Was macht aber nun der Coach mit diesem Phänomen, wie kann er ihm gerecht werden? Die Autorin postuliert, dass der Umgang mit Diversität zwar schon im Kindesalter eingeübt werden sollte, dass aber Diversity-Programmen in Organisationen heute eine zunehmend große Bedeutung zukommt. Die Formate Supervision und Coaching würden von der Implementierung solcher Programme nicht nur profitieren, sie könnten selbst einen entsprechenden Beitrag zur Förderung solcher Maßnahmen leisten.

Im ersten der beiden Praxisberichte zeigt Mechthild Beuge-Galm, wie die „Black Box Coaching“ durch den Entwicklungsprozess im Rahmen eines Teamcoachings gefüllt werden konnte. Im Verlauf von zwei Jahren gelang es, ein Schulleitungsteam für eine gute Zusammenarbeit zu unterstützen. Der zweite Praxisbericht von Thorsten Geck thematisiert Konfliktberatung mit einer Doppelspitze in der öffentlichen Verwaltung. Coaching wurde hier mit Ansätzen aus der Mediation angereichert.

In den beiden Diskurs-Beiträgen geht es um zwei unterschiedliche und auch unterschiedlich brisante Themen. Zuerst zeigt Paul B. Schmidt, dass Charisma, auch als Amtscharisma, eine zentrale Bedeutung in der aktuellen Missbrauchsdebatte spielt. Gerade hier verortet der Autor eine wesentliche Wurzel entsprechender Übergriffe, indem eine verantwortliche Balance zwischen Distanz und Nähe des Professionellen zu den jeweiligen anvertrauten Klienten in charismatischen Konstellationen verloren gehen kann. Für Coaches und Supervisoren ist es notwendig, diese Dynamiken zu erfassen. Mit dem anderen Diskurs versucht Bernhard Kuntz die Zunft der Coaches zu schocken. Er behauptet nämlich: „Als Coach wird man kein Millionär“. Man bleibe zwar auch nicht ganz arm, die Gewinne hielten sich aber in engen Grenzen. Bei der Lektüre spürt man förmlich die Lust des Autors, all die überschießenden Erwartungen von Adept/innen der fast zahllosen Coachingausbildungen radikal einzudämmen.