1 Architektur und Psychologie

In der Vorstellung vieler Menschen werden Architektur und Psychologie als zwei unterschiedliche Disziplinen verstanden, die kaum Berührungspunkte aufweisen. Tatsächlich kann aber die Psychologie einen wichtigen Beitrag zur Architektur liefern. Architektur wird in erster Linie als „Kunst und Fertigkeit des planvollen Entwurfs und Herstellens“ von Räumen oder Gebäuden, sogar von ganzen „gebauten Umwelten“ verstanden (Flade 2020, S. 2). Der künstlerische Anspruch an „gute“ Architektur geht dabei über den funktionalen Wert eines Raumes hinaus und strebt ein angenehmes ästhetisches Erleben der gebauten Umwelten an. Die Wahrnehmung und die Bedürfnisse in gebauten Umwelten sind für Menschen jedoch subjektiv, zudem können sie sich auch über die Nutzungsperiode intraindividuell verändern. Bei der Planung einer gebauten Umwelt ist daher ein Grundverständnis für diese komplexe Gemengelage von Bedürfnissen der Nutzer erforderlich.

Als die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten liefert die Psychologie Erkenntnisse und Methoden, die helfen können, menschliches Empfinden und Handeln in gebauten Umwelten zu verstehen. Methoden wie z. B. Beobachtungen oder Befragungen können im Rahmen der Evaluation schon existierender Umwelten Informationen darüber liefern, wie sich beispielsweise die gebaute Umwelt auf das Stresserleben auswirkt. So ergeben sich auch wertvolle Informationen für Verbesserungen. Hier zeigt sich, wo bedeutsame Berührungspunkte von Psychologie und Architektur liegen: Architekturpsychologie beschreibt das Erleben und Verhalten der Menschen in gebauten Umgebungen (Flade 2008). Dabei wird architekturpsychologisch geplanten Umwelten zugeschrieben, in Menschen bestimmte Empfindungen auslösen und Verhaltens‑, Handlungs- und Erlebensangebote machen zu können (Hegenbart 2019).

Insbesondere im Kontext der planerischen (Neu‑)Gestaltung von Arbeitsumwelten erscheint dieser Anspruch vielversprechend. Kann eine architekturpsychologische Gestaltung bei den vielfach thematisierten tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt Möglichkeiten für Organisationen eröffnen, diesen Wandel erfolgreich zu bewältigen? Welche architektonischen Gestaltungselemente sind dabei besonders relevant und wie lassen sich deren Wirkungsweisen theoretisch einordnen?

Im Folgenden soll, nach einer einleitenden Beschreibung der ausgewählten Anwendungssituation der (Neu‑)Gestaltung von Arbeitsumwelten, eine systematische Literaturübersicht zu

  1. 1.

    geeigneten theoretischen Erklärungsansätzen bezüglich der Wirkweisen architekturpsychologisch gestaltbarer Elemente, sowie

  2. 2.

    exemplarische Befunde zu diesen gestaltbaren Elementen

zusammengetragen werden.

Nach Briner und Denyer (2012) erlauben systematische Reviews Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, was bezüglich der interessierenden Forschungsfrage bekannt ist und was nicht. In diesem Sinne plädieren die Autoren bei systematischen Literaturübersichten eher zur Orientierung an leitenden Grundsätzen und Logiken, als von einem starren und engen Protokoll zur Literaturauswahl auszugehen (ebenda). Die eigentliche Methodik für die Literaturrecherche orientiert sich nach Briner und Denyer (2012) dabei an fünf Schritten:

  1. 1.

    Festlegung der Fragestellung, welche exemplarischen Befunde zur Wirkung architekturpsychologisch gestaltbarer Elemente es im Kontext veränderter Arbeitswelten gibt.

  2. 2.

    Identifikation von Beiträgen aus den Bereichen der Architektur, Psychologie und Architekturpsychologie mittels der Recherchetools EBSCOhost, Google Scholar, PsychINFO und Psyndex mit den Keywords Office Design, Work Environments, Architecture Psychology, New Work, Health, Wellbeing und Performance sowie freier Literatursuche.

  3. 3.

    Bewertung der Beiträge nach den in Tab. 1 dargestellten Einschlusskriterien.

  4. 4.

    Zusammentragen der Informationen aus den einbezogenen Beiträgen und

  5. 5.

    Auswahl exemplarischer Ergebnisse für den jeweiligen Wissensstand bezüglich der Wirkung der Gestaltungselemente.

Tab. 1 Einschlusskriterien

Diesem Prinzip folgend ist das Ziel dieses Beitrags, eine eingegrenzte Literatur-Übersicht über den spezifischen Anwendungsfall der (Neu‑)Gestaltung von Arbeitsumwelten im Kontext veränderter Arbeitsanforderungen zu liefern. Architektur sowie Psychologie sind jeweils für sich genommen vielschichtige Forschungs- und Anwendungsfelder. Eine Zusammenstellung bzw. Übersicht an Themen mit einem Bezug zur (Neu‑)Gestaltung von Arbeitsumwelten aus diesen beiden Feldern wird daher erwartungsgemäß ebenso heterogen ausfallen. Anspruch des Beitrages ist daher lediglich, ein Bild über das Spektrum an Gestaltungselementen abzudecken, ohne Quantifizierungen oder Gewichtungen abzubilden. Ebenso wenig soll bezüglich einzelner Gestaltungselemente näher in die Tiefe gegangen werden, was viel besser in entsprechenden spezifischen Arbeiten erfolgen sollte.

2 Arbeitsstätten und Veränderungen der Arbeitswelt

Büroarbeit hat sich, nicht zuletzt durch die beschleunigte Digitalisierung und zunehmende Flexibilisierung der Arbeit, in den letzten 10 Jahren deutlich verändert. Neben der klassischen Einzelarbeit rücken kollaboratives Arbeiten, Telearbeit, informeller Austausch und wechselnde Teams in den Vordergrund (u. a. Bäcklander et al. 2019). Die Arbeitstätigkeiten werden komplexer und erfordern ein höheres Maß an Aufmerksamkeitssteuerung (ebenda). Zudem umfasst die Arbeit verschiedene Teiltätigkeiten mit unterschiedlichen Anforderungen an die dafür notwendigen Arbeitsumgebungen (Becker et al. 2019). Statt fester Einzelbüros werden flexibel nutzbare Flächen für formelle und informelle Meetings, Rückzugsorte für Entspannung und Bereiche für ungestörtes Arbeiten benötigt (ebenda).

Solche Veränderungen der Arbeitswelt gelten als wesentlicher Auslöser für den (Neu‑)Gestaltungsdruck von Büroarbeits-Umwelten (Harris 2016). Mit zunehmender Digitalisierung und Ortsunabhängigkeit der Arbeit ergeben sich neue Ansprüche, aber auch neue Möglichkeiten der Raumgestaltung, die wiederum Einfluss auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Beschäftigten haben (Lütke Lanfer und Pauls 2017). Mobilität der Beschäftigten und steigende „Agilität der Arbeit“ verändern innerhalb von Organisationen das Verständnis des Büros hin zu einem „Corporate hub“ (Harris 2016, S. 8).

Diesem neuen Verständnis der Arbeitsstätte als Dreh- und Angelpunkt der Zusammenarbeit entspricht eine Vielfalt an Gestaltungsvarianten in Form unterschiedlicher Bürokonzepte. Diese reicht von traditionellen Einzelbüros, über Mehrpersonenbüros bis hin zu non-territorialen „Open Space“-Büros, mit oder ohne „Desk-sharing“. Hinzu kommen Mischformen wie Kombibüros oder „Flex offices“. Unabhängig vom Bürokonzept selbst ist in der modernen Arbeitswelt oft auch eine Integration „digitaler Räume“ gegeben (Sauerborn 2019).

Als Ergebnis mehrerer Kurzfallstudien, wie Unternehmen Bürokonzepte planen, identifizieren Kratzer und Dunkel (2017) einen eindeutigen Trend in Richtung derartiger offener Bürokonzepte. Eher heterogen ist die Befundlage zu Vor- und Nachteilen von offenen Bürokonzepten (vgl. Abschn. 2.2.4).

Die Herausforderung bei der Planung solcher veränderten Konzepte besteht darin, die unterschiedlichen Bedürfnisse so zu berücksichtigen, dass diese sowohl aus organisationaler, strategischer und ästhetischer Sicht als auch aus gesundheitspsychologischer Sicht zu einer guten Passung führen. So können einige Gestaltungselemente sowohl Stress befördern als auch Ressourcen für Kommunikation und soziale Unterstützung bieten (Colenberg et al. 2021). Darüber hinaus führt die Digitalisierung zu verstärkt ortsunabhängigem Arbeiten, muss aber auf der anderen Seite für die verschiedenen Arbeitsplätze vor Ort eine gute Möglichkeit für ungestörtes Arbeiten, Ruhezonen und gemeinsamen Arbeiten sowie Begegnung und Kommunikation ermöglichen. Traditionelle Flächenkonzepte werden hier abgelöst durch modulare Konzepte, die den veränderten Arbeitsweisen Rechnung tragen sollen. Raumfaktoren wie Schallschutz, Belichtung, Sichtschutz und Belüftung sind dabei von besonderer Bedeutung für das Wohlbefinden der Arbeitenden (Becker et al. 2019).

2.1 Architekturpsychologische Gestaltung von Arbeitsumwelten

Dieser Abschnitt geht auf Erkenntnisse zu einzelnen architektonisch gestaltbaren Merkmalen ein, die im Kontext der Planung und Bewertung von Arbeitsumwelten bekannt sind. Ausgangslage bildet eine kurze Darstellung zweier theoretischer Modelle, die die Effekte von Gestaltungselementen auf das Wohlbefinden erklären.

2.1.1 Wirkmechanismus arbeitsgestalterischer Elemente

Zur Beschreibung von Ursache-Wirkungsbeziehungen hat sich in den Arbeitswissenschaften das Belastungs-Beanspruchungs-Modell als allgemeiner Erklärungsansatz etabliert, welches auf Rohmert und Rutenfranz (1975) zurückgeht. Es fand entsprechenden Eingang in die aktuelle internationale Normierung zu den Begrifflichkeiten „Psychische Belastung und Beanspruchung“ (vgl. DIN EN ISO 10075-1:2018-01, DIN e. V. 2018). Alle auf den Menschen einwirkenden Einflüsse werden demnach zunächst als neutrale Belastung verstanden. In der Aufstellung sämtlicher möglicher psychischer Belastungsquellen aus der Arbeitsumgebung stellt der Bereich der physikalischen Bedingungen nur einen Teil der aufgeführten Faktoren dar. Ebenso werden Anforderungen der Arbeitsaufgabe sowie soziale, organisationale und gesellschaftliche Merkmale der Arbeit angeführt. Die unmittelbaren Auswirkungen auf den Menschen werden folglich als psychische Beanspruchung, langfristige Effekte als Beanspruchungsfolgen benannt. Beides kann sowohl positive als auch negative Ausprägung annehmen. Zuletzt werden individuelle Eigenschaften als vermittelnde Variablen in der Wirkbeziehung zwischen Belastungen und Beanspruchungserleben angeführt.

Das Belastungs-Beanspruchungsmodell postuliert, dass sich eine optimierte Arbeitsumwelt positiv auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und damit letztendlich so auch auf die Arbeitsleistung der Beschäftigten auswirken kann. Entsprechend diesen Prämissen gilt es, einerseits Belastungsfaktoren, die negative Beanspruchung auslösen, soweit wie möglich zu reduzieren oder ganz abzustellen. Dazu gehören u. a. Lärm, ständige Störungen bzw. Unterbrechungen beim Arbeiten oder Hitze (Colenberg et al. 2021). Andererseits geht ein ganzheitlicher arbeitsgestalterischer Ansatz über die bloße Reduktion negativer Belastungsfaktoren hinaus indem er gleichermaßen den Anspruch verfolgt, diejenigen Faktoren gezielt zu schaffen und zu fördern, die mit positiven Effekten verbunden sind. Hier werden Informationen benötigt, wie das Zusammenspiel verschiedener Raumfaktoren von den agierenden Personen wahrgenommen werden, um positive und negative Effekte gegeneinander abzuwägen.

2.1.2 Das Umwelt-Komfort-Modell

Bezüglich der physikalischen Bedingungen von Arbeitsumwelten liefert das Umwelt-Komfort-Modell von Vischer (2007) eine Integration der Wirkansätze des Belastungs-Beanspruchungs-Modells. Es beschreibt, wie durch die Gestaltung architektonischer Elemente einerseits negative – bei bewusst konzipierter Ausprägung andererseits auch positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung von Menschen begründet werden können. Demnach sind Arbeitsumwelten dann als komfortabel anzusehen, wenn sich Beschäftigte in ihnen wohlfühlen, zufrieden und leistungsfähig sind (Steidle et al. 2015). Komforterleben wird hierarchisch auf drei Ebenen angesiedelt. Auf der untersten Komfortebene ist der physische Komfort verortet, darauf bauen der funktionale sowie der psychische Komfort eines Raumes auf. Sobald ein Schwellenwert überschritten wird, bei dem ein Gestaltungsmerkmal nicht mehr als negative Belastung durch die Menschen wahrgenommen wird, spricht Vischer (2007) von physischem Komfort.

Diese Schwellenwerte können also gleichbedeutend zu den gültigen Mindeststandards und technischen Regeln zu Platzbedarf, Raummaßen, Temperatur, Licht, Raumklima etc. verstanden werden. Sind diese Mindestbedingungen unterschritten, spricht das Modell von „Diskomfort“, der einschränkend auf Wohlbefinden und Arbeitsleistung wirkt (ebenda). Ist die Stufe des physischen Komforts erreicht, kann eine negative Beeinflussung des Wohlbefindens und der Arbeitsleistung ausgeschlossen werden, jedoch sind noch keine positiven Effekte durch die Gestaltungselemente gegeben.

Um positive Wirkungen auf Wohlbefinden und Arbeitsleistung zu erreichen, müssen nach dem Komfortmodell die Umweltmerkmale weiterführende spezifische Charakteristiken erfüllen. Die nächsthöhere Ebene des funktionalen Komforts wird erreicht, wenn diese den spezifischen Anforderungen der Tätigkeiten und Arbeitsaufgaben der Beschäftigten entsprechen. Pauschale Aussagen über konkrete Ausprägungen sind hier nicht möglich. Beispielsweise könnte – bei ausreichender Lichtstärke und Blendungsfreiheit – die Lichtfarbe für eine bestimmte Tätigkeit vorteilhaft gegenüber einer anderen sein (Steidle et al. 2015). Letztendlich sind als Datenquelle zur Bewertung derartiger Qualitätsmerkmale nur die konkreten Einschätzungen der jeweiligen Beschäftigten bzw. Tätigkeitsgruppen entscheidend. Vor dem Hintergrund dieses Effekts lässt sich erklären, warum in Organisationen mit einer einheitlichen Raumgestaltung zwischen verschiedenen Abteilungen mitunter sehr große Unterschiede in der Bewertung der Raumqualität existieren.

Zuletzt beschreibt das Umwelt-Komfort-Modell den psychischen Komfort als die höchste Stufe des Komforterlebens. Der psychische Komfort wird durch den Grad an Beeinflussungsmöglichkeiten bestimmt, den die Beschäftigten auf die Umweltmerkmale haben (Vischer 2007). Deutlich wird bei diesem Modell, dass die subjektive Wahrnehmung von Gestaltungselementen wichtig für Komforterleben ist.

2.2 Befunde zu architekturpsychologischen Gestaltungselementen

Da einige Gestaltungselemente als relevant für Wohlbefinden und Arbeitsleistung identifiziert sind, soll im Folgenden eine knappe Übersicht über Befunde zu positiven wie negativen Wirkungen bestimmter architektonischer Gestaltungselemente gegeben werden.

2.2.1 Akustik & Lärm

Die Akustik in Arbeitsumwelten ist in der Forschungsliteratur stark vertreten. Als Lärm wird dabei von Menschen subjektiv negativ bewerteter Schall verstanden. Schall wird dann zu Lärm, wenn er als störend, belastend oder gesundheitsschädigend erlebt wird. Eindeutig empirisch bestätigt ist der negative Einfluss von Lärm auf das kognitive Leistungsvermögen (z. B. Passero und Zannin 2012; Schlittmeier und Hellbrück 2009).

Neben den physikalischen Eigenschaften von Schallereignissen wie dem Schallpegel, der Frequenz, Dauer und Intensität etc. haben insbesondere psychologisch wirksame Komponenten wesentlichen Anteil, ob ein akustisches Ereignis als störend empfunden wird. Hierbei sind insbesondere die subjektiven Bewertungen bezüglich des Informationsgehalts, der Vertrautheit oder Wichtigkeit eines Schallereignisses entscheidend, was im Wesentlichen auf menschliche Sprache zutrifft. Dementsprechend wird in mehr oder weniger offen gestalteten Arbeitsumwelten vor allem die Gesprächskulisse als Hauptquelle für Lärmbelästigung identifiziert (Passero und Zannin 2012). Deren Studie in einem Open Space-Büro bestätigt, dass bereits Gespräche im Hintergrund, die verständlich geführt werden, die kognitive Leistung einer Person behindern.

Als Fazit ist festzuhalten, dass bei der Planung und Gestaltung von offene(re)n Raumkonzepten gute akustische Bedingungen wesentlich sind, um die Leistung der Beschäftigten nicht negativ zu beeinflussen. In bereits bestehenden Räumen ist eine physikalisch-technische Optimierung anhand der Parameter Nachhallzeit und Sprachübertragung üblich. Entsprechend den räumlichen Möglichkeiten können dann raumgestalterische Elemente wie Trennwände oder schallabsorbierende Deckenflächen zur passiven Schalldämmung zum Einsatz kommen. Wobei dies die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eines offenen Raumkonzepts aufwirft und die praktischen Herausforderungen für Innenarchitekten und Designer unterstreicht. Die Qualität eines Entwurfs neuer Arbeitsumwelten zeigt sich auch darin, dass soweit möglich vorausschauend akustische Zonen berücksichtigt werden, die entsprechend ihrem Nutzungsziel optimiert sind, z. B. durch besondere Schallabtrennung der Verkehrswege, definierte erreichbare Räume für Interaktionen etc.

Zuletzt wird die akustische Maskierung von Lärm eine aktive Gestaltungsmöglichkeit zur Reduktion von Lärmerleben diskutiert. Hierunter wird die gezielt gesteuerte Überlagerung der Geräuschkulisse durch andere Geräusche wie z. B. Musik, Naturgeräusche oder Gegenschall verstanden. Eine empirische Evaluation der postulierten positiven Effekte steht allerdings aus (Schlittmeier und Hellbrück 2009).

2.2.2 Raumklima, Belüftung und Temperatur

Für das Raumklima gilt ebenso, dass für das Komforterleben eine individuelle Bewertung physikalischer Merkmale entscheidend ist. Die wesentlichen Parameter sind dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit. In der Literatur finden sich lediglich Befunde zu negativen Auswirkungen ungünstiger Klimamerkmale in der Arbeitssituation. So zeigen neben vielen weiteren Studien Lan et al. (2014), dass sich sowohl eine zu niedrige als auch eine zu hohe Temperatur signifikant negativ auf die menschliche Leistungsfähigkeit auswirken. Insbesondere hohe Temperaturen im Sommer erschweren Konzentrationsaufgaben. Als vermittelnde Größe im Erleben des Raumklimas ist von Bedeutung, inwieweit Belüftung natürlich durch Öffnen von Fenstern oder ausschließlich technisch-automatisch möglich ist. Automatisch gesteuerte Belüftungen wie z. B. Klimaanlagen können nach einigen Studien mit einem schlechteren Gesundheitszustand und erhöhten Fehlzeiten in Verbindung gebracht werden (z. B. Gupta et al. 2020; z. B. Parsons 2014).

Einen wesentlichen positiven Einfluss auf das thermische Erleben eines Raumes hat das individuelle Kontrollerleben der Menschen, also inwieweit Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Raumparameter bestehen. Hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich der raumklimatischen Umgebung führen zu positiver erlebtem thermischen Komfort (Hawighorst et al. 2016). Dabei ist entscheidend, inwieweit Kontrollmöglichkeiten individuell zugänglich und steuerbar sind, wie viele Kontrollmöglichkeiten vorliegen und wie einfach und effektiv sich diese bedienen lassen (ebenda).

Eine derartige planerische Umsetzung stellt vor dem Hintergrund der intensiven Bemühungen und entsprechenden Auflagen zur Energieoptimierung und Emissionsreduktion von Gebäuden eine große Herausforderung dar.

2.2.3 Licht und Beleuchtung

Obwohl die Beleuchtung nur ein Element der Arbeitsumgebung ist, erfüllt sie mehrere Zwecke. Sie beleuchtet alle Arten von Aufgaben, ermöglicht sichere Bewegung in Räumen und ermöglicht zuletzt eine ästhetische Aufwertung des Raums (Veitch et al. 2013). Vorrangig stehen jedoch auch bei der Raumbeleuchtung mögliche negative Auswirkungen, etwa durch eine zu geringe Lichtintensität oder durch Lichtphänomene wie Reflexionen, Blendungen etc. im Fokus. Der negative Einfluss auf die Arbeitsleistung wird hierbei durch die Beeinträchtigung der Sehleistung erklärt, was insbesondere bei Aufgaben, die eine hohe Detailerkennung erfordern, die Konzentration erschwert und zu schnellerer Ermüdung führt. Ebenso ist die Arbeit an Bildschirmen hierfür besonders anfällig (Esteky et al. 2020).

Auch bei der Beleuchtung gilt, dass die individuelle Beeinflussbarkeit der Lichtverhältnisse ein wesentlicher Erklärungsfaktor für visuellen Komfort darstellt, indem einem vorzeitigen Ermüden entgegengewirkt werden kann (Maleetipwan-Mattsson und Laike 2015; Veitch et al. 2013).

Weiterhin wurden positive Effekte auf die Arbeitsleistung und das prosoziale Verhalten in Abhängigkeit der Beleuchtungsstärke gefunden (Aries et al. 2020; Esteky et al. 2020; Kwon und Remøy 2019). Aries et al. (2020) stellten darüber hinaus in ihrer Arbeit fest, dass unterschiedliche Lichtfarben mit unterschiedlichen Gehirnaktivitäten in Zusammenhang stehen und somit Gedächtnisaufgaben beeinflussen können.

Abschließend muss auch zum Gestaltungselement Beleuchtung hervorgehoben werden, dass jede konkrete Lichtsituation für jeden bestimmten Ort höchst spezifisch ist und sich durch eine Vielzahl an gemeinsam wirkenden Faktoren definiert, etwa inwieweit direktes oder indirektes Tageslicht, abhängig von der Tageszeit, gegeben ist. Zwar wird allgemein unterstrichen, dass Tageslicht und die Möglichkeit, aus Fenstern blicken zu können, positive Aspekte auf die Zufriedenheit und die Gesundheit von Menschen hat (Kilic und Hasirci 2011). Tageslicht erlaubt eine direkte zeitliche Orientierung und die Möglichkeit aus Fenstern blicken zu können, kann das Gefühl der Enge in Räumen reduzieren (Flade 2008). Jedoch sind nach Kwon und Remøy (2019) Arbeitsplätze in der unmittelbaren Nähe von Fenstern aufgrund des direkten Sonnenlichts bei Beschäftigten eher unbeliebt.

Auch das unterstreicht noch einmal die Komplexität der Planungsaufgabe für eine konkrete Arbeitsumwelt. Licht hat eine enorme Bedeutung für die Komfortwahrnehmung in Arbeitsumwelten.

2.2.4 Raumgestaltung

Bezüglich des räumlichen Komforterlebens von Arbeitsumwelten sind die menschlichen Bedürfnisse nach Privatheit und Territorialität besonders zu berücksichtigen. Sie betreffen die Regulation sozialer Interaktionen. Ist diese Regulationsmöglichkeit eingeschränkt, entstehen Gefühle der Beengtheit, was negativ auf das Wohlbefinden eines Menschen wirkt. Dieses Phänomen ist als „Sozialstress“ bekannt (Flade 2020). Für Arbeitsumwelten ist aufgrund der größeren Interaktionsdichte mit vielen anderen Menschen von einem ebenso größeren Risiko für sozial stressende Räume auszugehen, als das für private Umwelten der Fall ist. Ein Ziel der architekturpsychologischen Gestaltung guter Arbeitsumwelten liegt also in der Reduktion oder Vermeidung von Quellen für Sozialstress. Diese Überlegung ist für die Auswahl der Bürokonzeption entscheidend.

Bürokonzepte

Einerseits belegen Studien, dass sich Open Space-Bürokonzepte durch Unterbrechungen wie Gespräche zwischen Mitarbeitern negativ auf Konzentration und Arbeitszufriedenheit auswirken können und somit die Produktivität verringern (Brennan et al. 2002; Cangelosi und Lemoine 1988; Kim und de Dear 2013). Darüber hinaus reduzieren sie die Zufriedenheit der Nutzer hinsichtlich der Privatsphäre (de Croon et al. 2005) sowie der Kommunikation (Brennan et al. 2002).

Andererseits zeigen Studien auch positive Aspekte von offenen Bürokonzepten auf, etwa wie Pausen- und Besprechungsräume die Zusammenarbeit erhöhen (de Been und Beijer 2014; Kwon und Remøy 2019). Insbesondere die Chance für verbesserte Zusammenarbeit begründet, warum organisationale Entscheidungsträger traditionelle Büroräume in Open Space-Büros mit offener Architektur umwandeln, die weniger Wände, Türen und andere räumliche Grenzen haben (Bernstein und Turban 2018; Harris 2016). Darüber hinaus führen Anforderungen an veränderte Bürokonzepte aufgrund sich verändernder Arbeit verstärkt zu offeneren Raumkonzepten (Bäcklander et al. 2019).

Die Befundlage zu Auswirkungen der Bürogestaltung auf die Arbeit und das Wohlbefinden ist allerdings uneindeutig (Becker et al. 2019). Eine wesentliche Einflussvariable scheint jedoch die Einbeziehung der Raumnutzer im Planungsprozess – oder allgemein die Berücksichtigung deren psychologischer Bedürfnisse zu sein (Oseland 2009).

Offene Raumkonzepte können die Zusammenarbeit anregen. Jedoch muss dabei abgewogen werden, wie viel Möglichkeiten zur Privatheit und Territorialität den einzelnen Individuen, also Optionen zur individuellen Aneignung bestimmter Räume oder Raumteile in einem Raumkonzept zugestanden werden sollen. „Territoriale Strukturen ermöglichen ein konfliktarmes Miteinander, sie beugen Konflikten vor.“ (Flade 2020, S. 31).

Hierzu ist konkretes Wissen über die zu gestaltende Arbeitsumwelt, insbesondere zu den dort angestrebten Arbeitstätigkeiten, zur Kultur und den Bedürfnissen der Nutzer entscheidend.

Laut Oseland (2009) haben Menschen das Bedürfnis nach einem ruhigen Platz, an dem sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können, gleichzeitig suchen sie aber auch soziale Räume für zwanglose Interaktion mit Kollegen (ebenda).

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Teilarbeitskontexten wie konzentrierter Einzelarbeit, Kollaboration sowie Interaktion mit wechselnden Teams und im Sinne des „Activity-based Working“ sind integrierende Raumkonzepte notwendig, die diese unterschiedlichen Anforderungen gleichermaßen zu erfüllen versuchen. Die grundlegende Gestaltungsidee ist, dass Beschäftigte verschiedene Aktivitäten in jeweils dafür maßgeschneiderten Arbeitsumgebungen optimal ausführen können sollen (Engelen et al. 2019). Eine entsprechende Raumgestaltung kombiniert daher typischerweise verschieden gestaltete, nonterritoriale Arbeitsbereiche die neben Schreibtischen, stille Räume, Telefonräume, Meeting-Räume, Lounges usw. beinhalten, um die jeweils bestimmte Aufgaben optimal zu unterstützen (ebenda). Auch diesem Zusammenhang fallen spezifische Evaluationen zu positiven und negativen Effekten differenziert aus. Verallgemeinert finden sich immer Kombinationen der bereits aufgeführten positiven und negativen Effekte der Bürokonzepte. So bestätigen Engelen et al. (2019) in ihrem systematischen Review von 17 Primärstudien positive Effekte in Bereichen der Interaktion, Kommunikation und der Zufriedenheit mit dem Arbeitsraum, aber ebenso negative Effekte bezüglich Konzentrations- und Privatheitsempfinden (ebenda).

Natürliche Innenraumgestaltung

Ein weiterer Trend der Architekturpsychologie untersucht die positive Wirkung von organischen, der Natur entlehnten Formen und Oberflächen. Begründet wird die Biophilie-Hypothese mit der angeborenen Naturverbundenheit von Menschen. Als Beleg hierfür fanden im Kontext der Innenraumgestaltung etwa Shen et al. (2020) in einer experimentellen Studie, dass insbesondere Holzumgebungen positive Auswirkung auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Zufriedenheit haben. Wie stark derartige Effekte jedoch in der alltäglichen Realität in Arbeitsumwelten wirklich gegeben sind, ist offen. Gleiches gilt für die Wirkung von Farben in diesem Kontext.

Wirkung von Farben

Farbe als ein visuelles Phänomen wird höchst individuell erlebt. Die Farbgestaltung kann das Erleben in Räumen in gewissen Grenzen mitbeeinflussen. So können Farben Räume distanzierter und raumgreifender oder enger und beengender erscheinen lassen (Bär 2008). Helle Farben lassen die Decke weiter und offener, aber auch leer und ungreifbar wirken, während eine dunkle Decke eher bedrückend und schwer empfunden wird (Nüchterlin und Richter 2019). Ebenso wird davon ausgegangen, dass die Farbgestaltung von Räumen zur Förderung von Ruhe, Konzentration und Kreativität eingesetzt werden kann. So werden die Farben rot und gelb im Allgemeinen eher als aktivierend, anregend und stimulierend empfunden, wobei die kalten Farben blau und grün eher als beruhigend und entspannend wahrgenommen werden (ebenda).

3 Schlussfolgerungen für Forschung und Praxis

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es für die Gestaltung von Arbeitsumwelten gut geeignete theoretische Erklärungsansätze zur Beschreibung von möglichen negativen sowie positiven Effekten auf Wohlbefinden sowie Leistungsfähigkeit von Beschäftigten gibt. Das Umwelt-Komfort-Modell lässt sich nutzen, um die individuell unterschiedlichen Wahrnehmungen von Arbeitsumwelten hinsichtlich physikalischer, funktionaler und psychologischer Variablen zu erklären. Erkennbar wird dabei auch die Notwendigkeit zur Berücksichtigung unterschiedlicher Erlebensweisen und Anforderungen. Die Vielzahl exemplarischer Befunde bezüglich bestimmter architekturpsychologisch gestalteter Elemente belegt, dass Gestaltungselementen zur Akustik, Belichtung und Raumklima eine große Bedeutung zukommen. Diese können aber kaum unabhängig von den Bürokonzepten und Arbeitsanforderungen bewertet werden. Trotz einiger Studien, die das Zusammenwirken einiger Gestaltungselemente in Bezug auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit betrachten (u. a. Bäcklander et al. 2019; Colenberg et al. 2021) bezüglich einer ganzheitlichen Integration, möglicher Interaktionen und Gewichtungen aller oder zumindest der wesentlichen beteiligten Gestaltungselemente.

Für die Konzeption von Arbeitsräumen scheint es unabdingbar, neben den relevanten Gestaltungselementen auch die Kontrollmöglichkeiten für die einzelnen Arbeitenden zu berücksichtigen. Darüber hinaus müssen bei der Planung des Bürokonzepts auch die Anforderungen durch die verschiedenen Tätigkeiten, die Organisationskultur und die territorialen Bedürfnisse der Beteiligten berücksichtigt werden. Wenn die Architekturpsychologie im Sinne einer praktikablen Disziplin für diesen konkreten Anwendungsfall Mehrwert verspricht, muss sie dieser Komplexität gerecht werden. Die dargestellten Zusammenhänge zwischen einzelnen Raumgestaltungsmerkmalen und dem Wohlbefinden, der Zufriedenheit und der Leistung der Beschäftigten integriert, aber dennoch praktisch abzubilden um auf dieser Grundlage evaluierbare Entwürfe planen zu können, ist ohne Zweifel methodisch herausfordernd. Aber nur ein ganzheitlicher Betrachtungsansatz aller – wenn auch heterogener – Einzelfacetten und Datenquellen kann deren Wirkweisen und Auslösebedingen unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen abbilden. Wie könnte eine derartige Herangehensweise konkret in Organisationen aussehen und was sind offene Forschungsansätze in diesem Zusammenhang? Ein wesentlicher Impuls wird in der Konsolidierung der empirischen Grundlagen zur Architekturpsychologie gesehen.

Vollständige Berücksichtigung aller Datenquellen und Datenintegration

In der Regel liegen in Organisationen bereits umfangreiche Daten vor, etwa in Form von formalen Quellen wie Organigrammen, Tätigkeitsbeschreibungen, Leitbildern zur Organisations-Kultur, Gefährdungsbeurteilungen unter anderem zu den psychischen Belastungen etc. Auch ist eine Fülle an objektiven Kennzahlen direkt erschließbar, z. B. zur Belegschaftsstruktur, zu Teamgrößen und -zusammensetzung, bezüglich des Digitalisierungsgrads, zur Nutzung von Homeoffice, zu sämtlichen bestehenden Raumparametern, aber auch bezüglich des Krankenstands, Effizienz- und Effektivitätsparametern usw. Zuletzt sind fast immer bereits auch subjektive Daten der Beschäftigten-Sichtweisen implizit oder konkret vorhanden, etwa Ergebnisse aus Beschäftigtenbefragungen zu individuellen Bedürfnissen bezüglich der Arbeitsgestaltung, zu Gründen zur Nutzung von Homeoffice, bezüglich der (Nicht‑)Popularität von konkreten Räumen oder Bewertungen der Raumqualität, zum Erleben von Zusammenarbeit in Teams, zu Verbesserungswünschen auf individueller oder auf Gruppenebene, Wohlbefinden, Stresserleben, etc.

Diese heterogenen Datenquellen zu integrieren und zusammenhängend auszuwerten ist methodisch schwierig, birgt aber großes Potenzial. Durch die Betrachtung möglichst aller Dimensionen können die besonders relevanten identifiziert und deren Wirkbeziehungen nach den Vorstellungen des Belastungs-Beanspruchungs-Modells hergestellt werden. Hierfür erscheinen neue datenbasierte Ansätze aus dem Forschungsbereich der Data Science besonders geeignet. Ein entsprechender architekturpsychologischer Forschungs- und Entwicklungsansatz könnte – wenn er abschließend zu erfolgreichen Entwürfen führt – die Konzeption von Arbeitsumwelten sinnvoll und wirksam vereinfachen. Vorranging adressiert er also die entsprechenden organisationalen Stakeholder, die sich der Frage der (Neu‑)Gestaltung stellen müssen. Ein derartiger Ansatz kann helfen, die komplexe Bedürfnislage der Organisationen abzubilden, was auch für Architekten hilfreich sein kann, die bestmöglichen Entwürfe neuer Arbeitsumwelten herzustellen.