1 Die Wechselwirkungen zwischen Auslandsaufenthalt, interkultureller Kompetenz und soziokultureller Anpassung für Auslandsentsendungen

Längere Auslandsaufenthalte liegen heutzutage im „Trend“. Insbesondere im jungen Erwachsenenalter gibt ein vielfältiges Angebot, um interkulturelle Erfahrungen zu sammeln, beispielsweise durch Schüler*innenaustausche während der Schulzeit, entwicklungspolitische Freiwilligendienste, Au-Pair oder Work-and-Travel nach dem Abitur, Auslandssemester oder/und berufsorientierende Praktika während des Studiums.

Doch warum entscheiden sich junge Menschen heutzutage für einen Auslandsaufenthalt? Neben der „Sammlung von neuen Erfahrungen“ zählen die „persönliche Entwicklung“ und die „besseren Berufsaussichten“ zu den Hauptgründen für ein Auslandsstudium (Bargel et al. 2010). Das zeigt, dass ein Auslandsaufenthalt, strategisch geplant, nicht nur auf die eigene Reifung, sondern auch auf den beruflichen Werdegang abzielt.

Wenn man einen Blick auf den globalen Arbeitsmarkt wirft, wird in nahezu jeder Stellenanzeige ein Auslandsaufenthalt vorausgesetzt. Es wird angenommen, dass ein Aufenthalt im Ausland zur Entwicklung eines interkulturell kompetenten Individuums beiträgt, welches sich im Rahmen einer beruflichen Auslandsentsendung gut anpassen kann. Diese Fähigkeit ist von zentraler Bedeutung, denn die kulturelle Anpassung in der Aufnahmegesellschaft gilt als primärer Erfolgsfaktor für Entsendungen (Stahl & Caligiuri 2005).

Jedoch hängt eine erfolgreiche kulturelle Anpassung von einer Vielzahl an Faktoren ab. Neben der Interkulturellen Kompetenz spielen u. a. auch die Motive für den Auslandsaufenthalt eine Rolle (Kühlmann und Stahl 2001).

Das Ziel dieser Studie ist es, die gegenseitige Beeinflussung der für eine erfolgreiche Auslandsentsendung relevanten Variablen wie Interkulturelle Kompetenz, soziokulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation und Motive für einen längeren beruflichen Auslandslaufenthalt zu untersuchen. Zudem wird die Relevanz des Lebensalters, die Dauer aller Auslandsaufenthalte und die kulturelle Distanz in diesem Zusammenhang berücksichtigt.

2 Theoretischer Hintergrund

Um diese Faktoren zu untersuchen, werden zunächst die relevanten Konstrukte wie der bildungsbezogene Auslandsaufenthalt, die Motivation mit dazugehörenden Motiven für einen beruflichen Auslandsaufenthalt sowie die Entsendung von Expatriates, die Interkulturelle Kompetenz, die soziokulturelle Anpassung und die kulturelle Distanz erläutert.

2.1 Bildungsbezogener Auslandsaufenthalt

In dieser Untersuchung wird zwischen bildungsbezogenen und berufsbezogenen Auslandsaufenthalten unterschieden. Längere, bildungsbezogene Auslandsaufenthalte sind für die junge Generation keine Seltenheit mehr. Weichbrodt (2014) untergliedert diese in sechs Formate und unterscheidet Schüler*innenaustausch, Studienaufenthalt, Auslandspraktikum, Au-Pair-Aufenthalt, Freiwilligendienst und Langzeitreise (Work-and-Travel). Diese Mobilitätsformen lassen sich zwar durch ihre Dauer, Reiseform, den Bildungszweck und das Alter der Personen abgrenzen, jedoch sind die Übergänge oft fließend (Wolff 2017).

Die erste Möglichkeit zum Sammeln interkultureller Erfahrungen beginnt für einige bereits in der Schule. Im Rahmen eines Schüler*innenaustausches besuchen 13- bis 18-Jährige eine Partnerschule, wohnen für einige Wochen bis Monate in Gastfamilien oder Internaten und erkunden in einem geschützten Rahmen fremde Kulturen, neue Sprachen und andere Lebensweisen. Dieser Trend zeichnet sich zunehmend ab.

An Schüler*innenaustauschprogrammen mit einer Mindestaufenthaltsdauer von drei Monaten nahmen im Schuljahr 2002/03 noch 13.000 Schüler*innen und im Schuljahr 2016/17 bereits 16.400 Schüler*innen aus Deutschland teil. Dabei sind knapp zwei Drittel der Teilnehmer*innen weiblich. Die beliebtesten Gastländer der Austauschschülerinnen und -schüler im Schuljahr 2016/17 sind englischsprachige Länder wie die USA, Kanada und Neuseeland (Terbeck 2017).

Auch nach dem Schulabschluss zieht es viele Absolvent*innen ins Ausland. „Work-and-Travel“ ist eine Form des Auslandsaufenthalts, bei dem junge Erwachsene bis zu einer Dauer von zwölf Monaten Arbeit mit Reisen verbinden. Weltweit wurden im Jahr 2014/15 rund 250.000 Working-Holiday-Visa ausgestellt, wobei Australien, Neuseeland und Kanada die beliebtesten Ziele der Deutschen waren (Brandt 2017).

Die Entsendung Freiwilliger in einen geregelten Freiwilligendienst, welche teilweise mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, stellt für viele Absolvent*innen eine attraktive Alternative dar. Die Freiwilligen arbeiten in internationalen Projekten mit der Motivation, sich sozial zu engagieren. Dabei werden sie pädagogisch begleitet. Im Jahre 2010 wurden 10.159 Freiwillige vermittelt, das sind neun Prozent mehr als im Vorjahr (Euler 2011). Zu einem erfolgreichen internationalen Freiwilligendienst gehört eine umfangreiche Vorbereitung, welche bspw. in Form von Seminaren je nach persönlichem Bedarf und Anforderungen des Einsatzes von den Entsendeorganisationen angeboten werden (Euler 2011).

Von „Au-Pair-Programmen“ sollen sowohl der/die Freiwillige, auch Au-Pair genannt, als auch die Gastfamilie profitieren. Für einen bestimmten Zeitraum, meist sechs bis zwölf Monate, hilft ein Au-Pair im Haushalt, kümmert sich um die Kinderbetreuung, verbessert die persönlichen Sprachkenntnisse und lernt ein neues Land besser kennen. Die Anzahl der Au-Pairs aus Deutschland ist im Gegensatz zu Freiwilligen im Auslandsdienst und „Work-and-Traveler*innen“ rückläufig. Während die Matching-Agenturen im Jahre 2013 noch rund 27.000 deutsche Bewerber*innen für Au-Pair-Programme meldeten, waren es 2014 rund 7 % Bewerber*innen weniger. Ein möglicher Grund dafür sei die Nähe zur familiären Situation im Haus der Gastfamilie. Die jungen Erwachsenen sehnen sich mehr nach etwas Neuem, einem Abenteuer (Walter-Bolhöfer 2015).

Die hohe globale Mobilität der Studierenden ist besonders hervorzuheben. Weltweit waren 2013 laut OECD um die vier Millionen Studierende außerhalb ihres Heimatlandes eingeschrieben. Die Prognose bis 2025: bis zu sechseinhalb Millionen Auslandsstudierende pro Jahr (Deutscher Akademischer Austauschdienst, kurz DAAD 2016). In einer bundesweiten Studie zeigt sich, dass rund 30 % der deutschen Studierenden einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt während ihres Studiums absolviert haben (Woisch und Willige 2015). Im Jahre 2012 waren rund 140.000 deutsche Studierende an einer ausländischen Hochschule eingeschrieben. Dabei suchten 83,4 % der Studierenden einen Studienplatz im europäischen Raum. Die Teilnehmer*innenzahlen bei dem von der Europäischen Union geförderten Programm „Erasmus“ beliefen sich 2012/13 auf rund 29.000 Studierende. Besonders beliebt waren zu dieser Zeit die Länder Spanien und Frankreich (Statistisches Bundesamt 2014). Die studienbezogenen Auslandsaufenthalte erfolgen dabei teilweise auf freiwilliger Basis oder sind fest im Curriculum integriert.

Vor allem Unternehmen schätzen Auslandsmobilität bei Studierenden. Absolvent*innen mit Auslandserfahrung haben laut einer Studie des DAAD höhere Einstellungs-Chancen als solche ohne Auslandserfahrung. Am wichtigsten sind den befragten Unternehmen die iInterkulturelle Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse sowie die sozialen und persönlichen Kompetenzen der Studierenden (DAAD 2016).

Ein Auslandspraktikum kann während eines wissenschaftlichen Praxisprojekts im Rahmen der Hochschulausbildung oder selbst initiiert durchgeführt werden. In den meisten Fällen stellt ein Auslandspraktikum eine Individualaktivität dar und wird nicht in einer Gruppe durchgeführt, was wiederum individuelles interkulturelles Lernen nach sich zieht. Eine Dauer von mindestens drei Wochen ist empfehlenswert, um gewünschte interkulturelle Lerneffekte zu gewährleisten (Heimann 2010). Auslandspraktika bieten eine geeignete Möglichkeit, um erste interkulturelle Arbeitserfahrungen zu sammeln und eine Brücke zwischen der akademischen Ausbildung und dem Berufseinstieg zu bilden.

2.2 Motivation und Motive für berufliche Auslandsaufenthalte und Entsendung

Den verschiedenen Formen von Auslandsaufenthalten liegen unterschiedliche Motivationen zugrunde. Werden Angestellte mit fehlender Motivation aufgrund ihres Arbeitsvertrages zum Auslandsaufenthalt verpflichtet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Auslandsentsendung frühzeitig abgebrochen wird. Dies verursacht Kosten auf Seiten des Unternehmens, führt aber auch auf Seiten der Angestellten zu Stress und viel zusätzlicher Belastung. Die Auslandsmotivation und die Motive der Entsandten sind folglich von zentraler Bedeutung für einen erfolgreichen beruflichen Auslandsaufenthalt. Die Intensität der Auslandsmotivation resultiert dabei aus verschiedenen Motiven, was mit dem Auslandsaufenthalt erreicht werden soll (Remhof 2015). Sie werden von Spieß und Brüch (2002) in intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotive unterschieden.

Zu den intrinsischen Motiven für einen längeren beruflichen Auslandsaufenthalt zählen insbesondere Interesse am Gastland, die Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse und Entwicklung der Persönlichkeit, allgemeines Kennenlernen fremder Länder und Kulturen sowie der Wunsch, neue Erfahrungen zu sammeln.

Extrinsische Motive sind mehr der Karriereorientierung zuzuordnen. Zu diesen Motiven zählen die Erweiterung beruflicher Entscheidungskompetenzen, Verbesserung der Qualifikation und Fachkenntnisse, höheres Einkommen, eine langfristig bessere Karriereperspektive sowie Aufstiegsmöglichkeiten (Peitz und Pfeiffer 2002).

Bei der intrinsischen Motivation handelt das Individuum folglich von innen heraus, also aus eigenem Interesse, Freude oder Genuss. Bei der extrinsischen Motivation hingegen wird das Individuum von äußeren Anreizen geleitet und handelt aufgrund von Belohnung oder Zwang (Peitz und Pfeiffer 2002).

Das internationale Personalmanagement sucht neben der fachlichen Eignung besonders nach intrinsisch motivierten Individuen für einen längeren Auslandsaufenthalt, da die Auslandsentsendung dieser Angestellten erfolgsversprechender sei (Remhof 2015). Das bestätigt auch eine Studie zur kulturellen Anpassung deutscher Unternehmensangestellten (N = 213), in der belegt wurde, dass vor allem diejenigen mit intrinsischen Motiven bessere berufliche Leistungen erbrachten, weniger gestresst und insgesamt zufriedener waren (Brüch 2001).

Nichtsdestotrotz kann jemand viel Interesse an fremden Kulturen haben und sich zugleich langfristig bessere Karrierechancen im Ausland wünschen. Die Kombination von intrinsischer Motivation und extrinsischer Motivation ist möglich, sie schließen einander nicht zwangsläufig aus (Peitz und Pfeiffer 2002).

Einen weiteren Grund für einen längeren beruflichen Auslandsaufenthalt können Fluchtmotive darstellen. Durch eine unsichere Arbeitsmarktsituation oder eine fehlende berufliche Perspektive sowie Unzufriedenheit mit politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten im Heimatland zieht es das Individuum mit Fluchtmotiven ins Ausland (Spieß und Brüch 2002).

Fluchtmotive sind jedoch kein Indiz für den Erfolg im beruflichen Auslandsaufenthalt. Mit einem Standortwechsel kann nicht garantiert werden, dass sich die eigenen Probleme in Luft auflösen, vielmehr können sich diese sogar verstärken (Bittner 1996).

Unabhängig von den Motiven für einen Auslandsaufenthalt wird dieser immer mit Zuwachs von Interkultureller Kompetenz assoziiert.

2.3 Interkulturelle Kompetenz

In vielen Publikationen wird Interkulturelle Kompetenz als Sammelbegriff für ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt verstanden. Es umfasst eine Vielzahl an Fähigkeiten, um effektiv, angemessen und erfolgreich mit Angehörigen anderer Kulturen zu kommunizieren und zu interagieren (Schnabel et al. 2015).

Als Kultur beschreibt Thomas (1993) ein gruppenspezifisches, erlernbares Orientierungssystem, an dem sich Individuen ausrichten können. Durch kulturelle Regeln werden das menschliche Handeln, die Wahrnehmung von Ereignissen sowie darauffolgende Reaktionen bestimmt, gleichzeitig schafft es Zugehörigkeit und ermöglicht Identifikation (Thomas 2004). Diese Aspekte werden meistens im Laufe der Sozialisation ausgebildet und treten interindividuell unterschiedlich auf, was sich aus der social identity-Theorie ergibt (Tajfel 2010). Individuen können sich auch zu mehreren Kulturen zugehörig fühlen (Huynh et al. 2011). Interaktionen zwischen Individuen aus unterschiedlichen Ländern sind oft nicht einfach, bedingt durch kulturelle Verschiedenheiten. Dies ist nicht zwangsläufig, aber abweichende Sprachen, Kommunikationsstile, Reaktionsmuster, Erwartungen und Interpretationen erschweren die Kommunikation möglicherweise. Ein Individuum mit Interkultureller Kompetenz in diesen Dimensionen könne das Zusammenspiel von individuellem, sozialem, fachlichem und strategischem Handeln in interkulturellen Kontexten erfolgreich meistern (Bolten 2007).

Es gibt mehrere Studien, die die Entwicklung von Interkulturellen Kompetenzen im Ausland über einen längeren Zeitraum darstellen. In einer Längsschnittstudie von Zahed (2012) wurden mithilfe des MPQ (Multicultural Personality Questionaire; Van der Zee und Van Oudenhoven 2001) ausländische Führungskräfte im ersten und im zwölften Monat ihres Programms zur Weiterbildung in Deutschland bezüglich ihrer Interkulturellen Kompetenz befragt. Das MPQ erfasst Interkulturelle Kompetenz als Persönlichkeitsmerkmale, die ein effizientes und angemessenes Handeln in interkulturellen Situationen bedingen. Kulturell empathische Menschen können sich gut in die Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken von Individuen anderer Kulturen einfühlen. Offenheit wird von den Autoren als unvoreingenommene Einstellung zu Menschen anderer Länder und Kulturen sowie Offenheit für die zugehörigen Normen und Werte beschrieben. Flexibilität steht in diesem Zusammenhang für die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsstrategien zu wechseln und sich den Gegebenheiten der Fremdkultur anzupassen. Hierzu zählt ebenfalls Initiative beim Herangehen an soziale Situationen (Van der Zee und Van Oudenhoven 2002). Emotionale Stabilität, also die Fähigkeit in stressigen Situationen ruhig zu bleiben, ist ein fünfter Aspekt, der später zum MPQ (Van der Zee und Van Oudenhoven 2001) hinzugefügt wurde. Es zeigten sich eine höhere Ausprägung der MPQ-Werte Kulturelle Empathie, Offenheit, Soziale Initiative und Flexibilität zum zweiten Untersuchungszeitpunkt.

Der Anstieg von Interkultureller Kompetenz über einen längeren Zeitraum hinweg konnte auch von Stewart et al. (2014) nachgewiesen werden. Sie untersuchten Freiwillige in China und Simbabwe, die vor und nach ihrem Auslandsaufenthalt den CQS (Cultural Intelligence Scale; Van Dyne et al. 2008) ausfüllten (Wolff 2017).

Interkulturelle Kompetenz geht einher mit soziokultureller Anpassung. Dabei sind die Begriffe nicht synonym. Vielmehr kann sich ein interkulturell kompetentes Individuum schneller und besser an eine neue Kultur anpassen. Eine angepasste Person muss aber nicht zwangsläufig interkulturell kompetent sein.

2.4 Soziokulturelle Anpassung

Um interkulturell erfolgreich und ein vollwertiger Teil der Aufnahmegesellschaft zu sein, müssen zunächst Anpassungsschwierigkeiten an fremde Kulturen überwunden werden. Es gilt, Kulturschocks zu verarbeiten, um vorzeitige Abbrüche von Auslandsaufenthalten zu vermeiden (Weaver 1986). Die Konfrontation unterschiedlicher Kulturen ist nach Festing et al. (2011) bei beruflichen Auslandsentsendungen besonders intensiv zu erleben. Der Druck des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin aufgrund hoher Investitionen und die damit verbundene Erfolgserwartung lastet auf den Entsandten. Zudem sind mit einer Entsendung vielschichtige Anforderungen verbunden, wie z. B. die berufliche Leistung und das Privatleben im neuen Kulturkreis zu vereinen.

Die vorliegende Arbeit betrachtet Soziokulturelle Anpassung als Prozess, bei dem der Wandel des Individuums im Fokus steht. Dieser wird durch den Kontakt zwischen Individuen verschiedener Kulturen verursacht (Genkova und Huber 2009). Man untersucht Faktoren, z. B. die Dauer des Auslandsaufenthalts, Identifikation mit der Aufnahmegesellschaft, Sprachkenntnisse und kulturelle Distanz, die den Verlauf der Anpassung beeinflussen.

Es gibt verschiedene Hypothesen zum Verlauf der kulturellen Anpassung. Zum einen die populäre U‑Kurven-Hypothese von Sverre Lysgaard (1995) mit den Phasen (1) Euphorie, (2) Missverständnisse, (3) Kollisionen, (4) Akzeptanz der Unterschiede und (5) Akkulturation, die aus einer Studie zum psychischen Wohlbefinden von Studierenden mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer im Ausland hervorgeht. Zum anderen die Weiterentwicklung der U‑Kurven-Hypothese zur W‑Kurven-Hypothese von Gullahorn und Gullahorn (1963), die nach erfolgreicher Anpassung im Gastland den re-enter shock bei der Rückkehr in die Heimat und den Reintegrationsprozess in die eigene Kultur beschreibt.

Diese Modelle stammen aus einer frühen Phase der Forschung und weisen konzeptuell und methodisch Probleme auf, veranschaulichen aber das Verständnis von Akkulturation als psychologischen und emotionalen Prozess im Zeitverlauf.

Anstatt den Fokus nur auf die psycho-emotionalen Aspekte zu legen, gehen Ward und Kennedy (1999) einen Schritt weiter und beziehen weitere Aspekte, wie z. B. kulturelles Bewusstsein oder Kommunikationseffizienz bei der soziokulturellen und psychologischen Anpassung mit ein (Genkova und Huber 2009).

Empirische Studien zeigen, dass sich die Soziokulturelle Anpassung im Laufe der Zeit zunächst schnell linear verbessert, sich dann langsamer weiterentwickelt und sich letztendlich auf einem individuellen Niveau festsetzt (Ward et al. 2001; Zick 2010). Neben der soziokulturellen Anpassung auf Ebene der Gruppe werden von Ward et al. (2001) auch die psychologische Adaption auf personaler Ebene, vorhergesagt durch kritische Lebensereignisse, Unterstützung durch Mitmenschen und Variablen der Persönlichkeit, sowie die ökonomische Akkulturation auf struktureller Ebene unterschieden.

Die ersten beiden Facetten der Anpassung definieren sich durch die Veränderung des Verhaltens, Handelns und Denkens von Personen einer bestimmten Kultur. Die Faktoren hängen trotz unterschiedlicher Konzeptionen zusammen und beeinflussen sich wechselseitig.

Die dritte Facette der Adaption, die ökonomische Anpassung, zeigt nach Ward (2013) die Verbindung zwischen dem Beschäftigungsverhältnis und materiellem Wohlergehen, kulturellen Netzwerken sowie Status (Zick 2010).

Begründet wird die soziokulturelle Anpassung in der Theorie des kulturellen Lernens. Durch das Erlernen der kulturspezifischen Verhaltensregeln im Gastland kann sich das Individuum im neuen Umfeld bewegen und mögliche Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion erfolgreich überwinden bzw. verhindern (Ward 2004).

2.5 Kulturelle Distanz

Wie bereits beschrieben, durchlaufen Entsandte im Prozess der Auslandsentsendung je nach Modell unterschiedliche Phasen, die auch den kulturellen Schock im Entsendungsland sowie den Schock der Rückkehr im Heimatland einbeziehen. Der Grad der kulturellen Unterschiede zwischen zwei Ländern wird als kulturelle Distanz bezeichnet. Das Konstrukt der kulturellen Distanz basiert auf den fünf Kulturdimensionen von Hofstede (Mägdefrau und Genkova 2014). Hierbei werden die Kulturausprägungen der einzelnen Dimensionen zwischen den Ländern verglichen. Je größer die Unterschiede zwischen Fremd- und Heimatkultur sind, desto stärker treten Probleme der interkulturellen Interaktion auf bzw. desto mehr muss sich ein Expatriate anpassen. Anders ausgedrückt: desto stärker benötigt ein Individuum Interkulturelle Kompetenz, desto mehr wird diese dabei aber auch geschult. Für diese Studie bezieht sich die Einteilung der Gruppen der kulturellen Distanz auf die Ländercluster nach Hofstede (2001) für die Kulturdimensionen Machtdistanz und Individualismus versus Kollektivismus.

2.6 Forschungsfragen

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, aufbauend auf bereits bestehenden Forschungsergebnissen, Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Erfolgsprädiktoren für Auslandsentsendungen zu verifizieren.

Inwieweit beeinflussen sich Interkulturelle Kompetenz, soziokulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation, intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotive gegenseitig? Welchen Einfluss haben dabei Kontextfaktoren des Individuums und der Umwelt, wie das Alter, die Dauer der Auslandsaufenthalte ab drei Monaten und die kulturelle Distanz des längsten Auslandaufenthaltes?

Ein möglicher Erfolgsprädiktor für Auslandsentsendungen ist das Alter der Expatriates. Nach Bolten (2007) kann das interkulturell kompetente Individuum das Zusammenspiel einer Vielzahl unterschiedlicher Handlungsfelder im interkulturellen Umfeld meistern. Li et al. (2013) argumentieren in einer Studie (N = 294), dass ältere Menschen aufgrund ihres Alters schon mehr Erfahrung mit verschiedenen Kulturen gemacht haben und generell mehr Gelegenheit hatten eine offene, kultursensible Herangehensweise zu entwickeln als jüngere Menschen und somit eine höhere Interkulturelle Kompetenz aufweisen. Van der Zee und Van Oudenhoven (2000) konnten den Effekt des Alters auf die Interkulturelle Kompetenz in ihrer Studie mit N = 257 Teilnehmenden hingegen nicht bestätigen. Basierend auf den unterschiedlichen Ergebnissen, soll in dieser Arbeit ein möglicher Zusammenhang geprüft werden:

H1)

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Interkulturellen Kompetenz. Das Lebensalter der Personen sagt demnach die Interkulturelle Kompetenz voraus.

Dass Interkulturelle Kompetenz im Laufe eines Auslandaufenthaltes entwickelt werden kann, wurde bereits in verschiedenen Längsschnittstudien belegt. Nun stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Dauer der Auslandsaufenthalte insgesamt eine Rolle spielt. Dass es einen positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmaß Interkultureller Kompetenz und der Dauer der Auslandserfahrung gibt, erschließt sich aus den Validierungsstudien des Tests zur Messung Interkultureller Kompetenz (TMIK) (Schnabel et al. 2014) und des TMIK‑K (Kurzversion) (Schnabel et al. 2015). Beim TMIK zeigte sich, dass die befragten deutschen Studierenden (N = 641) mit mindestens einem Monat Auslandsaufenthalt einen höheren Gesamtscore hatten. Beim TMIK‑K, bei dem deutsche und brasilianische Teilnehmende (N = 769) befragt wurden, hatten diejenigen Studierenden einen höheren Gesamtscore, die mindestens drei Monate im Ausland waren.

Korzilius et al. (2011) konnten weiterhin feststellen, dass internationale Angestellte, die signifikant länger im Ausland studiert und gearbeitet haben als ihre nationalen Kollegen und Kolleginnen, hinsichtlich der MPQ-Dimensionen Flexibilität und Offenheit (Van der Zee und Van Oudenhoven 2001) höhere Ausprägungen aufweisen. Dass die soziokulturelle Anpassung gelingen kann, hängt laut Ward (2013) u. a. auch von der Aufenthaltsdauer ab. Auch Genkova und Huber (2009) folgern anhand der Ergebnisse einer Studie mit N = 107 Teilnehmenden, dass die Dauer einen Einfluss auf die Kompetenz hat und dass längere Aufenthalte tendenziell zu bevorzugen sind.

In der Studie von Spieß und Brüch (2002) konnte zudem ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Gesamtdauer der Auslandserfahrung und der beruflichen Auslandsmotivation festgestellt werden. Je länger die Aufenthalte waren, umso höher war auch die Motivation für berufliche Auslandsaufenthalte.

Aus diesen Überlegungen kann folgende Hypothese abgeleitet werden:

H2)

Die Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte sagt ab drei Monaten die Interkulturelle Kompetenz (H2.1), soziokulturelle Anpassung (H2.2) und die berufliche Auslandsmotivation (H2.3) voraus.

Die Intensität der Auslandsmotivation ergibt sich aus verschiedenen Motiven (Remhof 2015). Das Interesse an einem fremden Land, der Wunsch, unbekannte Länder zu entdecken, die Möglichkeit der eigenen Persönlichkeitsentwicklung, aber auch eine Verbesserung der Karrieremöglichkeit oder eine bessere Bezahlung im Entsendeland können intrinsische und extrinsische Motive für einen beruflichen Auslandsaufenthalt darstellen.

Nach Remhof (2015) verfügen offene und kulturell flexible Menschen zudem über eine höhere Ausprägung der Bereitschaft für neue Erfahrungen sowie Abwechslungstoleranz und beabsichtigen demzufolge eher, im Ausland zu arbeiten. Diese Merkmale zählen nicht ohne Grund zu den wichtigsten Aspekten der Interkulturellen Kompetenz (Deardoff 2006).

Wie aus Untersuchungen hervorgeht, beeinflusst jedoch nur das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit bei Expatriates das subjektive Erfolgserleben bei Entsendungen. Eine hohe Ausprägung des Merkmals Flexibilität ist für den Auslandserfolg hingegen nicht von Bedeutung (Genkova und Kaune 2015).

Der Einfluss der Motive und der Interkulturellen Kompetenz soll in diesem Zusammenhang mit der beruflichen Auslandsmotivation untersucht werden.

Die aufgezeigten empirischen und theoretisch-postulierten Befunde lassen auf Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Konstrukten schließen. Im Rahmen dieser Arbeit soll anhand von drei Modellen die Ursache-Wirkung-Beziehung näher beleuchtet werden und zudem eine Struktur der komplexen Zusammenhänge von Variablen für Auslandsentsendungen herausgearbeitet werden. Daraus ergeben sich die folgenden weiteren Hypothesen:

H3)

Es gibt Wechselwirkungen zwischen den Variablen Dauer aller Aufenthalte ab drei Monaten insgesamt, kulturelle Distanz, Interkulturelle Kompetenz, soziokulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation, intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotive.

  • H3.1 Die Interkulturelle Kompetenz wird beeinflusst durch die Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte sowie durch soziokulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation, intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotive.

  • H3.2 Die soziokulturelle Anpassung wird beeinflusst durch die Interkulturelle Kompetenz und die kulturelle Distanz.

  • H3.3 Die berufliche Auslandsmotivation wird beeinflusst durch die Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte sowie durch Interkulturelle Kompetenz, intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotive.

Im Folgenden wird die aufgestellte Stichprobe beschrieben sowie die Methoden zur Prüfung der aufgestellten Hypothesen.

3 Methode

Um die Hypothesen zu überprüfen, wurden folgende Messinstrumente benutzt.

Zunächst wurden die Teilnehmenden nach ihren soziodemographischen Daten befragt und ob sie „[…] seit Ihrem 15. Lebensjahr ein oder mehrmals für mindestens 3 Monate am Stück im Ausland“ waren. Eine Beantwortung mit „ja“ galt als Voraussetzung für den nächsten, sich öffnenden Teil mit Fragen zur Auslandserfahrung.

Weitere datenrelevante Teile stellen Items des Multicultural Personality Questionnaire (MPQ) nach Van der Zee und Van Oudenhoven (2000), der Sociocultural Adaptation Scale (SCAS) nach Ward und Kennedy (1999), die Skalen „berufliche Auslandsmotivation“ und „Intrinsische und Extrinsische Aspekte der Auslandsmotivation“ nach Spieß und Brüch (2002), sowie selbstdefinierte Items, u. a. zum internationalen Arbeiten, dar. Erfasst wurden außerdem Fragen bezüglich der Berufserfahrung in Jahren.

Bei einer Auslandserfahrung von mindestens drei Monaten wurden die Teilnehmenden zu der Art ihres Auslandsaufenthaltes allgemein befragt (Mehrfachnennungen waren möglich) und zu der Art ihres längsten Auslandsaufenthaltes mit den Auswahlmöglichkeiten Auslandssemester/Auslandsstudium (1), Schüler*innenaustausch (2), Au-Pair (3), Work & Travel (4), Freiwilligendienst (5), Praktikum (6), Berufstätigkeit (7), Reisen (8) oder Sonstiges (9). Die Dauer des längsten Auslandaufenthalts, angegeben in Monaten, die Stadt und das Land in einem Freitextfeld, sowie eine Angabe zum Kontinent mit Europa (1), Nordamerika (2), Südamerika (3), Asien (4), Ozeanien/Australien (5) oder Afrika (6) wurden ebenfalls abgefragt.

Da die Dauer aller Auslandsaufenthalte für die Hypothesentestung eine wichtige Rolle spielt, wurden die Teilnehmenden ebenfalls nach der Summe aller Aufenthalte ab drei Monaten befragt und zudem nach ihrer Vorbereitung („Hatten Sie vor Ihrem Auslandsaufenthalt Vorbereitung?“, Ja/Nein). Bei einem „ja“ öffnete sich eine weitere Frage („Inwieweit hat Ihnen diese Vorbereitung geholfen?“) welche mit (1) „gar nicht“ bis (4) „sehr“ beantwortet werden konnte.

3.1 Stichprobenbeschreibung

Für die Fragestellung waren vor allem Teilnehmende von Interesse, die seit ihrem 15. Lebensjahr ein oder mehrmals für mindestens drei Monate im Ausland waren, da sich in anderen Studien durch diesen Mindestzeitraum eine Zunahme der Interkulturellen Kompetenz (z. B. Schnabel et al. 2015) zeigt. Unter dieser Bedingung wurden 242 Personen befragt.

Durchschnittlich benötigten die Teilnehmenden für die Beantwortung des eingesetzten Fragebogens eine Bearbeitungszeit von 15 min.

Zwei Drittel (66,1 %) der Teilnehmenden waren weiblich und ein Drittel (33,9 %) männlich. Im Durchschnitt lag das Alter der Befragten bei M = 28,26 Jahren (SD = 8,31), wobei der/die jüngste Teilnehmer*in 19 Jahre alt und der/die älteste Teilnehmer*in 67 Jahre alt war. Der Großteil ist im dörflichen Umfeld (37,6 %) und in der Kleinstadt (38 %) aufgewachsen, wohingegen 22,3 % der Teilnehmer*innen in der Großstadt aufwuchsen.

Das Bildungsniveau der befragten Teilnehmenden war überdurchschnittlich hoch. Der höchste Bildungsabschluss war mit 52,1 % der Hochschulabschluss, gefolgt von (Fach‑) Abitur mit 37,2 %, abgeschlossener Berufsausbildung (6,2 %), Promotion (3,7 %) und Realschulabschluss oder Vergleichbarem (0,8 %).

Die meisten Teilnehmenden befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in einem Studium (46,3 %) oder in einer Festanstellung (40,1 %). Die anderen Teilnehmer*innen waren freiberuflich tätig (5 %), Praktikant*innen bzw. Werkstudierende (3,7 %), Auszubildende (1,2 %), Freiwillige in einem Bundesfreiwilligendienst bzw. Auslandsjahr (0,8 %), ohne Beschäftigung (0,4 %) oder Sonstiges (2,5 %).

Die Berufserfahrung, inklusive Ausbildung und aufgerundet in Jahren belief sich auf M = 6,33 Jahre (Min = 0, Max = 45). Fast die Hälfte der Befragten waren ledig (45,9 %). 32,6 % befanden sich in einer festen Beziehung, 2,5 % in einer zeitweiligen Beziehung, 14,5 % waren verheiratet, 2,1 % verlobt, 0,4 % verwitwet und 2,1 % wollten keine Angabe machen.

Die Dauer des längsten Auslandsaufenthalts betrug im Schnitt M = 15,51 Monate (SD = 24,54, Min = 3, Max = 180). Dabei hatten 49,6 % davor eine Vorbereitung und 50,4 % keine Vorbereitung.

Der Großteil der Teilnehmenden verbrachte den längsten Auslandsaufenthalt im Auslandssemester/Auslandsstudium (39,7 %). 14 % machten Work-and-Travel, 10,7 % waren im beruflich im Ausland, oder in Schüler*innenaustauschen gereist (10,3 %). Es gab aber auch Teilnehmende im Freiwilligendienst (7,4 %), im Au-Pair-Programm (7 %), in internationalen Praktika (3,3 %), Reisen (2,1 %) und Anderes (5,4 %) (s. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Auslandsaufenthalte nach Kontinenten in eigener Darstellung

Abb. 1 stellt die Auslandsaufenthalte nach Kontinenten unterteilt dar. In Europa erfolgten die meisten Auslandsaufenthalte. Je dunkler die Darstellung der einzelnen Kontinente ist, umso höher ist die Anzahl der Teilnehmenden, die sich während ihres längsten Auslandsaufenthaltes dort aufhielten.

Als letztes wurden die Teilnehmenden nach der Summe aller Auslandsaufenthalte ab einer Mindestdauer von drei Monaten gefragt. Der Mittelwert betrug M = 22,81 Monate, also bemerkenswerterweise fast zwei Jahre, mit einem Minimum von 3 Monaten und einem Maximum von 216 Monaten, 18 Jahren (SD = 33,22).

4 Ergebnisse

Die Hypothese 1 wurde mittels einer Regressionsanalyse untersucht. Es lässt sich feststellen, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen dem Alter und der Interkulturellen Kompetenz gibt, welcher mit β = 0,14 zwar gering, aber signifikant ist (p = 0,03; ∆R2 = 0,15). Damit lässt sich Hypothese 1 bestätigen.

Für die Hypothese 2 wurde der Zusammenhang zwischen der Dauer aller Auslandsaufenthalte ab drei Monaten insgesamt mit verschiedenen Variablen geprüft. Mit ß = 0,21 (p < 0,001) kann die H2.1 bestätigt werden. Je länger die Aufenthaltsdauer insgesamt ist, desto höher fällt auch die Ausprägung der Interkulturellen Kompetenz aus.

Für die H2.2 konnte ein negativer Zusammenhang von Dauer und soziokultureller Anpassung von β = −0,11 berechnet werden, dieser ist jedoch nicht signifikant (p = 0,08).

Die Teilhypothese H2.3 kann bestätigt werden. Mit β = 0,21 gibt es einen mittleren positiven Zusammenhang, der hoch signifikant ist (p < 0,001). Je länger die Aufenthaltsdauer insgesamt ist, desto höher ist die berufliche Auslandsmotivation. Zusammen erklären die drei Variablen 23 % Varianz.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hypothese 2 sich zum Teil bestätigen lässt. Die Dauer der Auslandsaufenthalte korreliert mit der Interkulturellen Kompetenz und der beruflichen Auslandsmotivation, nicht jedoch mit der soziokulturellen Anpassung.

Bei Hypothese 3 wird angenommen, dass es Wechselwirkungen zwischen den Variablen Dauer aller Aufenthalte ab drei Monaten insgesamt, kulturelle Distanz, Interkulturelle Kompetenz, soziokulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation, intrinsische Motive, extrinsische Motive und Fluchtmotiven gibt.

Mithilfe der multiplen Regressionsanalyse wurden in den Hypothesen H3.1, H3.2 und H3.3 die Ursache-Wirkung-Beziehung für die Interkulturelle Kompetenz, die soziokulturelle Anpassung und die berufliche Auslandsmotivation geprüft.

Tab. 1 zeigt die Ergebnisse der multiplen Regressionsanalyse für die Hypothesentestung von H3.1. Die Intention dieses Modelles ist die Prüfung des gemeinsamen Einflusses der Variablen auf die Interkulturelle Kompetenz anhand der Methode „Einschluss“. Es treten signifikant gerichtete Einflüsse auf: Die Interkulturelle Kompetenz bei den Variablen Dauer insgesamt mit β = 0,13 (p = 0,03), soziokulturelle Anpassung β = 0,27 (p < 0,001), berufliche Auslandsmotivation mit β = 0,16 (p = 0,01), intrinsische Motive β = 0,18 (p = 0,01) und Fluchtmotive β = −0,17 (p = 0,01).

Tab. 1 Multiple Regressionsberechnung

Erkennbar ist, dass die soziokulturelle Anpassung den größten Einfluss auf die Interkulturelle Kompetenz hat. Obwohl der Einfluss der extrinsischen Motive mit p = 0,69 sich als nicht signifikant herausstellt, ist dennoch mit p = 0,00 von einem signifikanten und sinnvollen Modell zu sprechen. Die Hypothese H3.1 lässt sich folglich teilweise bestätigen.

Hypothese H3.2 geht von einem Einfluss der kulturellen Distanz und der Interkulturellen Kompetenz auf die soziokulturelle Anpassung aus. Aus Tab. 2 ist ersichtlich, dass sich das Modell mit ∆R2 = 0,11 (p < 0,001) als signifikant erweist und 11 % der Varianz der soziokulturellen Anpassung erklärt (siehe Tab. 2).

Tab. 2 Multiple Regressionsberechnung

Beide Variablen zeigen signifikant gerichtete Einflüsse auf das Kriterium soziokulturelle Anpassung. Kulturelle Distanz zeigt mit einem Beta-Gewicht von β = −0,19 (p < 0,001) einen signifikant negativ gerichteten Einfluss und Interkulturelle Kompetenz mit einem Beta-Gewicht von β = 0,30 (p < 0,001) einen signifikant positiv gerichteten Einfluss auf die soziokulturelle Anpassung (siehe Tab. 2).

Die Interkulturelle Kompetenz und die kulturelle Distanz beeinflussen die soziokulturelle Anpassung. Die Hypothese H3.2 kann folglich bestätigt werden.

Bei der Prüfung des gemeinsamen Einflusses der Variablen auf die berufliche Auslandsmotivation anhand der Einschluss-Methode treten signifikant gerichtete Einflüsse bei den Variablen Interkulturelle Kompetenz β = 0,14 (p = 0,03), intrinsische Motive β = 0,13 (p = 0,04), extrinsische Motive β = 0,23 (p < 0,001) und Fluchtmotive β = −15 (p = 0,03) auf (Tab. 3).

Tab. 3 Multiple Regressionsberechnung

Es lässt sich ablesen, dass die extrinsischen Motive den größten Einfluss auf die berufliche Auslandsmotivation haben. Der Einfluss der Dauer insgesamt ist mit p = 0,12 nicht signifikant. Das Regressionsmodell für die berufliche Auslandsmotivation ist mit p = 0,00 hoch signifikant und klärt mit einem korrigierten R2 = 0,11 insgesamt 11 % der Varianz auf (siehe Tab. 3). Die Hypothese H3.3 lässt sich folglich teilweise bestätigen.

5 Diskussion

Ziel der Untersuchung ist es, aufbauend auf bereits bestehenden Forschungsergebnissen Wechselwirkungen und Zusammenhänge von Erfolgsprädiktoren für Auslandsentsendungen genauer zu betrachten. Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammengefasst, diskutiert und ein Ausblick für zukünftige Forschungen gegeben.

Die Ergebnisse zeigen: Je höher das Lebensalter einer Person ist, desto höher ist die Ausprägung der Interkulturellen Kompetenz. Das Lebensalter und die Interkulturelle Kompetenz korrelieren jedoch nur geringfügig, weshalb dieses Ergebnis nicht überinterpretiert werden sollte. Es wird vermutet, dass ältere Teilnehmende bereits öfter die Möglichkeit hatten, in interkulturellen Kontakt zu treten und dabei auch ihre Interkulturelle Kompetenz ausbauen konnten. Deshalb stellen internationale Programme, wie Schüler*innenaustausche, Erasmus und internationale Freiwilligendienste, eine sinnvolle Möglichkeit für junge Menschen dar, um früh Interkulturelle Kompetenz zu entwickeln und dadurch ihre persönliche Entwicklung zu forcieren. Eine verstärkte Förderung dieser Programme durch Institutionen wird empfohlen.

Nach Berry (1997) spielt das Lebensalter auch bei der Anpassungsfähigkeit eine Rolle. Je jünger Personen sind, desto leichter fällt es ihnen, ihren Herkunftskontext zu verlassen und sich zu integrieren. Der negative Zusammenhang zwischen dem Alter und der beruflichen Auslandsmotivation wurde in einer Studie von Spieß und Brüch (2002) mit N = 317 Studierenden belegt. Eine nähere Untersuchung dieses Aspektes ist für zukünftige Forschung interessant.

Die Dauer der Auslandsaufenthalte sagt in der vorliegenden Studie hoch signifikant die Interkulturelle Kompetenz und die berufliche Auslandsmotivation voraus. Je länger eine Person im Ausland lebt und sich sozial integriert, desto höher ist die Ausprägung der Interkulturellen Kompetenz und der beruflichen Auslandsmotivation. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich eine Person während der verbrachten Zeit im Ausland immer stärker mit dem Gastland identifiziert, sich häufiger mit Problemen auseinandersetzt und durch deren Lösung ihre Interkulturelle Handlungskompetenz ausbaut. Durch Erfolgserlebnisse, Bestätigung und Anerkennung könnte die Person stärker motiviert sein, die erlernten Fähigkeiten auch bei einem Beruf im Ausland anzuwenden. Diese Theorie gilt es in weiteren Forschungen näher zu betrachten.

Überraschend ist, dass in dieser Arbeit die Dauer der Auslandsaufenthalte keinen Zusammenhang mit der soziokulturellen Anpassung aufweist. Es ist anzunehmen, dass längere Auslandsaufenthalte eine Anpassung zwar begünstigen, jedoch am Ende die Qualität des Kontaktes zu Angehörigen der Gastkultur das entscheidende Kriterium für eine gelungene soziokulturelle Anpassung ist. Um die Entwicklung Interkultureller Kompetenz durch Auslandsaufenthalte zu erfassen, sollten für eine Folgestudie mehrere Messzeitpunkte berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse dieser Studie machen deutlich, dass die soziokulturelle Anpassung beim Individuum von der kulturellen Distanz zwischen Heimatkultur und Gastkultur abhängt. Es konnte ein hoch signifikanter Zusammenhang gefunden werden: Je höher die kulturelle Distanz zum Heimatland ist, desto schlechter ist die soziokulturelle Anpassung im Gastland. Die auftretenden Schwierigkeiten nehmen also mit der kulturellen Distanz zu. Somit wurden die vorherigen Überlegungen und die empirischen Befunde von Van Vianen et al. (2004) und Genkova und Huber (2009) bestätigt. Es gibt noch einen weiteren bemerkenswerten Faktor: Nach Ward et al. (2001) können bei geringer kultureller Distanz die kulturellen Unterschiede unterschätzt werden, was auch zu Schwierigkeiten bei der Anpassung führen kann.

Selmer und Shiu (1999) untersuchten mithilfe von Tiefeninterviews die qualitative Anpassung von Führungskräften aus Hongkong, die als Expatriates in Shanghai und Peking (China) arbeiteten. Sie stellten fest, dass das gemeinsame chinesische kulturelle Erbe und Ähnlichkeiten in der Sprache die Anpassung nicht begünstigten, sondern die Unterschätzung der Unterschiede zwischen der Heimat- und Gastkultur die soziokulturelle Anpassung erschwerte.

Mit einer qualitativen Studie mit N = 125 Teilnehmenden aus 32 Ländern untersuchten Hemmasi und Downes (2013) die Cultural Distance Paradox-Hypothese. Es zeigte sich die Tendenz, dass Individuen die kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern ignorieren und davon ausgehen, dass sie wie gewohnt und ohne Probleme im Gastland weiterarbeiten könnten. Dies führt im Gastland zu Problemen beim Anpassungsprozess.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen der Interkulturellen Kompetenz und der soziokulturellen Anpassung: Die Interkulturelle Kompetenz begünstigt die Anpassung durch ihren positiven Einfluss. Hier kann die Vermutung angestellt werden, dass im Laufe einer beruflichen Auslandsentsendung ein wechselseitiges Einflussverhältnis zwischen Interkultureller Kompetenz und soziokultureller Anpassung besteht. Ein Individuum mit hoher Interkultureller Kompetenz hat es nach Remhof (2015) zunächst leichter, sich erfolgreich in ein neues soziokulturelles Umfeld einzuleben. Eine Anpassung kann durch das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede unterstützt werden. Dabei spielt die Wirkung dieser Unterschiede auf das Individuum eine große Rolle. Während des Prozesses der soziokulturellen Anpassung ist das Individuum mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, welche es zu bewältigen gilt. Dies bedingt die Entwicklung der Persönlichkeit und der Interkulturellen Kompetenz des Individuums.

Für zukünftige Studien wäre es interessant, die untersuchten Wechselwirkungen im Längsschnittdesign zu erforschen, um Informationen über die Wichtigkeit der Merkmale im Zeitverlauf herauszuarbeiten.

Anhand von drei Modellen wurde die Ursache-Wirkungs-Beziehung genauer beleuchtet. Hierbei wurde das Ziel verfolgt, Struktur in die komplexen Zusammenhänge zu bringen.

Die nachfolgenden Variablen zeichnen sich als signifikante Einflussgrößen für Interkulturelle Kompetenz ab. Einen positiven Einfluss haben die Gesamtdauer der Auslandsaufenthalte, berufliche Auslandsmotivation, intrinsische Motive und soziokulturelle Anpassung, wobei letztere den stärksten Einfluss zeigt. Einen negativen Einfluss hingegen haben Fluchtmotive. Der gemeinsame Einfluss dieser Variablen erklärt ca. 20 % der Varianz von Interkultureller Kompetenz.

Signifikante Einflussgrößen auf die soziokulturelle Anpassung sind die Interkulturelle Kompetenz und die kulturelle Distanz. Die Interkulturelle Kompetenz beeinflusst die abhängige Variable signifikant positiv und die kulturelle Distanz negativ, wobei beide einen Varianzanteil von rund 10 % ausmachen.

Die berufliche Auslandsmotivation hängt von vielen Faktoren ab. Sie wird von den intrinsischen Motiven und der Interkulturellen Kompetenz signifikant positiv beeinflusst, wohingegen die Fluchtmotive einen signifikant negativen Einfluss auf die berufliche Auslandsmotivation haben. Der gemeinsame Einfluss dieser Einflussgrößen erklärt ca. 10 % der Varianz der beruflichen Auslandsmotivation.

Diese drei untersuchten Konstrukte werden neben den in der Arbeit betrachteten Variablen von vielen weiteren Faktoren beeinflusst. Es gilt diese in zukünftigen Studien zu untersuchen.

Weiterhin konnten Wechselwirkungen der für eine erfolgreiche Auslandsentsendung sprechenden Variablen Interkulturelle Kompetenz, sozikulturelle Anpassung, berufliche Auslandsmotivation und Motive für einen längeren beruflichen Auslandslaufenthalt teilweise festgestellt werden. Zudem wurde herausgearbeitet, welche Rolle das Lebensalter, die Dauer aller Auslandsaufenthalte ab drei Monaten und die kulturelle Distanz in diesem Zusammenhang spielen. Hiermit leistet die Studie einen Beitrag dazu, die Komplexität und Vielschichtigkeit der Thematik Auslandsaufenthalte besser zu verstehen und bietet Vorschläge für weiterführende Forschungen.

6 Reflexion der Untersuchungsanlage

Im Rahmen dieser Untersuchung wurde eine Vielzahl an Variablen in die Untersuchung miteinbezogen. Obwohl dies das Ziel war, erwies sich die Strukturierung und Abgrenzung der einzelnen Themen und deren Wechselwirkungen aufgrund des großen Umfangs als schwierig.

Es wäre für künftige Forschungen über Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Prädiktoren einer erfolgreichen Auslandsentsendung daher empfehlenswert, weniger Variablen einzubeziehen und diese tiefgründiger zu analysieren.

Zugleich sind Einschränkungen im Studiendesign zu berücksichtigen: Die Rolle der sozialen Erwünschtheit wurde durch die freiwillige Teilnahme reduziert, jedoch sollte sie bei der Interpretation der Ergebnisse nicht außer Acht gelassen werden.

Das Konstrukt der Interkulturellen Kompetenz wurde in dieser Arbeit in Form von subjektiven Selbsteinschätzungen auf Likert-Skalen erfasst. Das Multicultural Personality Questionnaire (MPQ) von Van der Zee und Van Oudenhoven (2000) hat sich bereits in vielen Studien als Messinstrument mit einer hohen internen Konsistenz bewährt. Um das eigene Handeln in interkulturellen Situationen zu beurteilen, sollten in zukünftigen Untersuchungen dennoch additiv verhaltensbezogene Fragen im Fragebogen (wie z. B. im TMIK von Schnabel et al. 2014) oder Fremdeinschätzungen durch andere Personen aus dem unmittelbaren Umfeld integriert werden. Dadurch kann einer verzerrten Selbsteinschätzung und der daraus resultierenden Ergebnisverfälschung entgegengewirkt werden.

Zur Erfassung der beruflichen Auslandsmotivation und der zugrundeliegenden Motive könnten andere Messinstrumente verwendet werden. Dies kann jedoch zur Verlängerung der Untersuchungszeit um einige Minuten führen. Die verwendeten Messinstrumente weisen mit ihren Skalen von zwei bis fünf Items eine noch zufriedenstellende interne Konsistenz auf. Zur Operationalisierung der Variablen könnten in Zukunft Messinstrumente mit mehr Items gewählt werden, um die interne Konsistenz zu erhöhen.

Für diese Studie bezieht sich die Einteilung der Gruppen zur Prüfung der kulturellen Distanz auf die Ländercluster nach Hofstede (2001) für die Kulturdimensionen Machtdistanz und Individualismus vs. Kollektivismus. Die anderen Dimensionen wurden aufgrund der Vereinfachung eliminiert, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnte.

Positiv ist hervorzuheben, dass die Gesamtheit der Stichprobe eine große und nicht ausschließlich studentische Stichprobe darstellt. Die Online-Befragung erleichterte es, viele Teilnehmende mit Auslandserfahrung zu rekrutieren. Die Teilnehmer*innen konnten die Befragung zu einem für sie beliebigen Zeitpunkt bearbeiten, was eine höhere Teilnahmequote erwarten ließ. Der Ablauf erfolgte, abgesehen von den unterschiedlichen elektronischen Endgeräten, standardisiert und ohne Untersuchungsleitereffekt.

7 Fazit und Ausblick

Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung von Unternehmen werden im beruflichen Kontext zunehmend mehr Angestellte in ein anderes Land und damit in eine fremde Kultur entsandt. Das Gelingen dieser Entsendung hängt dabei von zwei Komponenten ab: Zum einen von der Eignung der Angestellten, zum anderen sind nach Koldehoff-Hayashi (2012) diverse Schritte für das internationale Personalmanagement ausschlaggebend.

Es bieten sich folgende Empfehlungen für das Personalmanagement an:

  1. 1.

    Fachliche Kompetenz sollte kein Alleinstellungsmerkmal beim Auswahlprozess sein. Beim Personalauswahlverfahren ist es empfehlenswert, einzelne Anforderungsprofile mit Hilfe von Expert*inneninterviews zu erstellen. Die Anforderungsanalyse kann zum Beispiel mit der Methode der kritischen Ereignisse (CIT) durchgeführt werden. Bei dieser Methode werden ehemalige Auslandsmitarbeiter*innen, jetzige Arbeitsplatzinhaber*innen sowie Vorgesetzte und andere Angestellte mit konkreten Fragestellungen nach erfolgskritischen Situationen im Ausland befragt. Neben den kritischen Ereignissen sind vor allem die verschiedenen Verhaltensweisen in den einzelnen Situationen von Interesse. Nachdem diese in Dimensionen geclustert wurden, bilden sie eine Grundlage für die Personalauswahl (Kanning 2015).

  2. 2.

    Die erforderlichen Bedarfe an zu entsendende Angestellte müssen klar in der Stellenausschreibung definiert sein (Kanning 2015). An dieser Stelle ist davon abzuraten, Auslandserfahrung als Einstellungskriterium vorauszusetzen. Die Ergebnisse dieser Studie liefern einen Hinweis darauf, dass bereits absolvierte Auslandsaufenthalte keine Interkulturelle Kompetenz garantieren. Die bei Auslandsaufenthalten gesammelten Erfahrungen reichen demzufolge nicht immer aus, damit eine Person interkulturell kompetent ist.

  3. 3.

    Ferner ist die Einführung eines strukturierten Fragebogens beim Auswahlprozess empfehlenswert. Somit kann ein standardisiertes und objektives Vorgehen gewährleistet werden. Die in (1) ermittelten Dimensionen werden dabei in den Fragebogen implementiert (Kanning 2015).

  4. 4.

    Neben der Verwendung von validierten psychometrischen Tests zur Messung von z. B. Intelligenz oder Persönlichkeitseigenschaften, sollte auch die Interkulturelle Kompetenz abgefragt werden. Ein geeignetes Messinstrument stellt bspw. das Multicultural Personality Questionnaire von Van der Zee und Van Oudenhoven (2000) dar. In dieser Studie konnte es mit einer hohen Reliabilität von α = 0,90 überzeugen.

  5. 5.

    Eine intensive Vorbereitung ist wichtig für die erfolgreiche Entsendung. Realistische Erwartungen an einen bevorstehenden Auslandsaufenthalt erleichtern die Anpassung des Individuums an die Fremdkultur (Ward 2013). Vorbereitungsmaßnahmen sollten sich nicht nur auf die Vermittlung von Faktenwissen beschränken, sondern auch Aspekte des interkulturellen Kontaktes aufgreifen durch die Förderung einer „colorful perspektive“ (Genkova 2019).

Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass Entsendungen von Expatriates in Länder mit geringer kultureller Distanz zunächst erfolgreicher sind. Dabei sollte nicht unterschätzt werden, dass es auch bei Ländern mit ähnlichen kulturellen Merkmalen Unterschiede gibt. Eine gute Vorbereitung ist folglich sowohl für Entsendungen in Länder mit hoher kultureller Distanz als auch in Länder mit geringer kultureller Distanz wichtig.

Mithilfe der folgenden Methoden kann der/die Angestellte auf die Entsendung vorbereitet werden: Vom Unternehmen sollten Sprachkurse, Cultural Awareness Trainings und interkulturelle Kommunikationstrainings angeboten und durchgeführt werden. Optimaler Weise wird zudem ein interkulturelles Interaktions- und Handlungstraining in multikulturellen Teams angeboten. Solche Trainings können in Echt- oder Testumgebungen erfolgen und sind für ein nachhaltiges und prozessorientiertes Lernen förderlich (Koldehoff-Hayashi 2012).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern einen Hinweis darauf, wie wichtig Interkulturelle Kompetenz für die soziokulturelle Anpassung ist. Somit lohnen sich die Investitionen in intensive Vorbereitungsmaßnahmen, die das interkulturelle Lernen im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt der Angestellten fördern.

  1. 6.

    Während der Entsendung sind begleitende Maßnahmen empfehlenswert. Nach Stahl und Caligiuri (2005) kann eine mangelhafte Betreuung das Individuum demotivieren, was sich wiederum negativ auf die Arbeitsleistung auswirken kann. Die Entsandten sollten die Möglichkeit haben, versicherungsrechtliche Unklarheiten sowie andere wichtige Fragen mit einem/einer Ansprechpartner*in der zuständigen Organisationseinheit zu klären. Darüber hinaus bietet es sich an, Mentor*innenprogramme einzuführen, die durch eine unterstützende Person vor Ort begleitet werden. Eine zusätzliche begleitende Maßnahme können Weiterbildungen darstellen (Koldehoff-Hayashi 2012).

  2. 7.

    Es ist wichtig, schon vor der Rückkehr mit den Entsandten über die Reintegration zu sprechen, um einen re-enter-shock, also einen entgegengesetzten Kulturschock, im Heimatland zu vermeiden (Oechsler 2006). Nach der Rückkehr kann ein möglicher Verlust von Autonomie und Verantwortung zu Niedergeschlagenheit bei Entsandten führen. Die im Ausland gewonnen Erfahrungen und Kenntnisse sollten aufgearbeitet werden und Anwendung finden. An dieser Stelle bieten sich Arbeitsaufträge mit internationalem Fokus an (Koldehoff-Hayashi 2012). Erst nach einer gelungenen Reintegrationsphase kann die berufliche Auslandsentsendung als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden.