Zusammenfassung
Eine nachhaltige Implementierung von Inklusion setzt voraus, dass verschiedene Dimensionen und Manifestationen von Diversität berücksichtigt werden. Während der Inklusionsgedanke im schulischen Kontext beispielsweise unter sonderpädagogischen Aspekten oder geschlechterspezifischen Fragestellungen eine Vielzahl an Publikationen aufweist, fällt die Betrachtung kultureller Diversität bislang eher rar aus. Im Rahmen einer qualitativen Studie wurde untersucht, wie interkulturell fortgebildete Lehrkräfte an Hamburger Sekundarstufen kultureller Heterogenität in Klassenräumen begegnen, um in Lerngruppen auch kulturelle Inklusion zu forcieren. Eine wiederkehrende Grundhaltung der interviewten Lehrkräfte hinsichtlich der Schaffung eines kulturellen Inklusionsraumes stellt eine permanente Selbstreflexion möglicher Vorurteile dar, die sie in Bezug auf ihre Schüler*innen haben könnten: Kulturbasierte Vorannahmen verböten sich demnach. Um einer möglichen Reproduktion von Vorurteilen entgegenzuwirken, müsse der Unterricht jede*n Schüler*in als Individuum betrachten. Ein weitestgehend individualisierter Unterricht stellt demnach einen wesentlichen Schlüssel dar, kulturelle Diversität in der Klasse zu inkludieren.
Abstract
A sustainable and profound implementation of inclusion in the school system requires a comprehensive approach towards various dimensions and manifestations of diversity in the classroom. Research has shown how to address gender-related and special needs-related diversities in order to ensure successful education, howsoever the students’ individual needs; however, a similar broad approach towards dimensions of cultural diversity in relation to inclusion within the school system is overdue. Within the framework of a qualitative study it was investigated how teachers with a special qualification for coordinating interculturally related issues in schools address cultural diversity in classrooms in secondary schools in Hamburg Germany in order to force cultural inclusion in learning groups. To create a culturally inclusive environment in the classroom, as a matter of principle the teachers tried to reassure that attention was not directed towards any kind of presumed cultural features of the students. This would consequently implicate a reproduction of stereotypes and prejudices; however, the intercultural experts agreed on the necessity of individualized concepts and structuring regarding lesson planning as the key to guarantee inclusion of cultural diversities.
Notes
Verschiedenheiten soll an dieser Stelle keineswegs als von außen oktroyierte, wertende Zuordnung von Zugehörigkeiten und Zuschreibungen zu verstehen sein. Vielmehr lässt sie sich in Analogie zum Konzept der Vielheit auffassen, wie sie der martinikanisch-französische Philosoph Édouard Glissant in seinen Ansätzen zur Poetik der Vielheit (2005) in Bezug auf Kulturen geprägt hat: Grundlegende Prämisse beim Aufeinandertreffen von (kulturellen) Vielheiten sei eine inhärente Gleichwertigkeit, ein Nebeneinander, welches in einer grenzenlosen, wenngleich utopischen Welt zu einer Vermischung, einer Kreolisierung von Kulturen führen könne.
Den hier genannten vier kulturdeterminierenden Dimensionen Hofstedes wurden zu späteren Zeitpunkten noch zwei weitere Dimensionen hinzugefügt („Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung“ und „Genuss vs. Zurückhaltung“), auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll.
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Rosenke, F. Interkulturelle Kompetenz als integraler Bestandteil pädagogischer Professionalität: wie interkulturell fortgebildete Lehrkräfte einen kulturellen Inklusionsraum schaffen. Gr Interakt Org 50, 363–372 (2019). https://doi.org/10.1007/s11612-019-00493-x
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11612-019-00493-x
Schlüsselwörter
- Kulturelle Inklusion
- Interkulturelle Schule
- Kultursensibles Unterrichten
- Kulturelle Heterogenität
- Pädagogische Professionalität