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Unterscheidung und Härtung. Bewertungs- und Notenkommunikation in Lehrerzimmer und Zeugniskonferenz

Differentiation and solidification. Communication of assessments and grades in staff room and report conference

Différenciation et consolidation. La communication des jugements et des notes en salle des professeurs et en conseil de classe

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Berliner Journal für Soziologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

In Schulen werden Menschen klassifiziert und kategorisiert, indem ihr Handeln und von ihnen verfasste Dokumente durch andere Menschen bewertet werden. Essenziell für diese Differenzierungspraxis sind kontingente Lehrerurteile, die zu Noten, Zeugnissen und Abschlüssen aggregiert werden. Der Beitrag untersucht die informellen wie formellen Gelegenheiten, in denen das Lehrpersonal der Organisation Schule über Schüler und Klassen spricht bzw. über ihr Abschließen des Schuljahres entscheidet. In den informellen Ad-hoc-Gesprächen im Lehrerzimmer machen Lehrkräfte ihre Einschätzung von Schülern füreinander verfügbar, ohne dass dieses geteilte Wissen sozial folgenreich sein muss. Hingegen werden in den formellen Situationen der Zeugniskonferenz Urteile in einer dramaturgischen Inszenierung ratifiziert und fixiert. Hierdurch wird das Urteil eines Lehrers zum Urteil der Schule. Mittels einer analytischen Beschreibung dieser sozialen und numerisch-administrativen Objektivierungen zeigt der Beitrag, wie Urteile über Schüler in der schulischen Zeitordnung reversibel gehalten und zugleich gehärtet werden.

Abstract

In schools humans are classified and categorized by other humans through the assessment of their actions and documents they produce there. This practice of differentiation essentially relies on contingent teacher judgements that are aggregated into marks, end-of-year reports or school graduation certificates. The article explores the formal and informal situations of teachers talking about their students and classes and making decisions about their school reports. While teachers share their judgements on pupils in informal staff-room conversations, the thereby generated knowledge does not necessarily result in social consequences. It does, though, in formal gatherings such as report conferences, where the judgements are ratified and fixated. The judgement of an individual teacher is hereby transformed into a grade given by the school. By analytically characterizing these social and numeric-administrative objectifications the article shows how judgements on pupils are kept reversible and simultaneously become solidified during the school year.

Résumé

L’école est un lieu où des personnes sont classifiées et catégorisées, leur comportement et leur productions écrites faisant l’objet d’une évaluation par d’autres personnes. Les jugements contingents des professeurs, qui sont agrégés sous la forme de notes, bulletins et diplômes, constituent un élément essentiel de cette pratique de différenciation. Cet article étudie les situations formelles et informelles dans lesquelles le personnel enseignant de l’organisation scolaire discute des élèves et des classes ou décide de leur passage en classe supérieure. Dans les discussions informelles spontanées en salle des professeurs, les enseignants se font part de leur appréciation des élèves sans que ce savoir partagé entraîne nécessairement de conséquences sociales. Dans la situation formelle du conseil de classe, en revanche, des jugements sont ratifiés et fixés dans une mise en scène dramaturgique par le biais de laquelle le jugement d’un professeur devient le jugement de l’école. À partir d’une analyse descriptive de ces objectivations sociales et numérico-administratives, cet article montre comment les jugements portés sur les élèves pendant leur scolarité sont à la fois maintenus réversibles et consolidés.

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Notes

  1. Man kann in diesem Zusammenhang – wie Vatin (2013, S. 31 ff.) vorschlägt – zwischen der Produktion von Gütern bzw. Werten und der Bewertung dieser Güter bzw. Werte unterscheiden, wobei zu berücksichtigen bleibt, dass die Bewertung schon im Produktionsprozess mitläuft.

  2. Die bildungssoziologische Forschung, die sich konventionell mit Fragen der (Re)Produktion von Ungleichheit durch die Schule beschäftigt, tut sich bislang schwer damit, diese Dimension der schulischen Bildung analytisch in den Blick zu nehmen.

  3. Wir danken Anton Kozka und Katrin Zaborowski für ihre Unterstützung bei unserer empirischen Forschung.

  4. Die hier dokumentieren Gesprächsauszüge basieren auf Mitschriften bzw. auf Tonaufzeichnungen, die nachträglich verschriftlicht wurden. Wir verwenden folgende Transkriptionszeichen: L = Lehrperson; L1/L2 etc. = verschiedene Lehrpersonen; (…) = Auslassung in der Transkription; ((Rascheln)) = Kommentar des Transkribenten; (P) = kurze Sprechpause; Schul– = Abbruch der Äußerung. Die Auszüge wurden anonymisiert („L“) bzw. pseudonymisiert („Schneider“).

  5. Mit diesem Begriff beschreiben Lau und Wolff (1983) den Umstand, dass schwierige Entscheidungssituationen dazu führen können, in der Hierarchie von Organisationen nach oben weitergereicht zu werden.

  6. Zeugniskonferenzen sind bislang wenig untersucht worden. Maier (2016) beschreibt die schulische Selektion als „cooling out“ – als langsame Abkühlung der Schullaufbahn bei Leistungen, die für die gewählte Schulform inadäquat sind. Hier kommt die Zeugniskonferenz ins Spiel, die den Wechsel auf eine andere Schulform in Gang setzen und beschließen kann. Verkuyten (2000) zeigt, wie Lehrkräfte ihre Noten im Kontext von Beratungen rechtfertigen und erläutern müssen und wie sie auf diese Weise von anderen Lehrkräften „accountable“ gemacht werden.

  7. Der Begriff der „Versetzung“ geht historisch auf die Praxis des Dislozierens im Klassenraum zurück, die man bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen kann: Die Schüler wurden entsprechend ihrer Leistung im Klassenraum platziert. Dabei symbolisierte die räumliche Nähe oder Distanz zur Lehrperson die Leistung der Schüler (ausführlich dazu Lindenhayn 2015).

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Kalthoff, H., Dittrich, T. Unterscheidung und Härtung. Bewertungs- und Notenkommunikation in Lehrerzimmer und Zeugniskonferenz. Berlin J Soziol 26, 459–483 (2016). https://doi.org/10.1007/s11609-017-0324-8

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