FormalPara Gierke, Lioba A., und Fabiola H. Gerpott (Hrsg.):

Statussymbole im Wandel. Haben, was andere nicht haben können. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2022. ISBN: 978-3-985-42-022‑3. Preis: € 49,–.

Reflektiert man den Begriff der klassenlosen Gesellschaft von Karl Marx so, wie Peter Ludes ihn 1979 rekonstruiert hatte, könnte man geneigt sein, diese Utopie als eine Vision sozialer Ordnung zu deuten, in der es keinerlei relevante soziale Unterschiede mehr gibt, höchstes marginal-minimalistische noch – zumindest keine sozialen Ungleichheiten mehr, die sozial ungerechte Ungleichbehandlungen bedingen. Da diese Vision bislang Utopie blieb, ist ungewiss, ob völlige Klassenlosigkeit überhaupt je erreicht werden kann.

Was für fortgeschrittene Industrienationen allerdings festgestellt werden kann, ist ein Evolutionsverlauf, bei dem es zunehmend schwerer fällt, sie weiterhin als Klassengesellschaften im Marxschen Sinne zu deuten. Was wir stattdessen beobachten, sind zunehmend weniger solche groben, sondern immer mehr feine Unterschiede, wie Pierre Bourdieu sie in seiner großen Studie behandelte, ebenfalls 1979 veröffentlicht.

Dabei hat sich heutzutage fast schon die Gewohnheit herausgebildet, solche feinen Unterschiede vorrangig für die Konsum- und Privatsphäre zu hypostasieren, so als ob wir in einer reinen Konsumgesellschaft leben würden, für die Aspekte wie Arbeit, Beruf, Einkommen gänzlich zweitrangig geworden sind. Vor allem die feinen Unterschiede in der Lebensführung sind es demnach, die heutige soziale Ungleichheiten begründen, während der Arbeits- und Produktionssektor hierfür eine marginalisierbare Rolle zu spielen scheint.

Diesem Fehlschluss, wie er gerade auch in der internationalen Verbrauchs- und Verbraucherforschung mit Verve tradiert wird, gleichsam eine Myopie (keine Utopie), ist auf das Deutlichste entgegenzutreten, und der Sammelband Statussymbole im Wandel von Lioba A. Gierke und Fabiola H. Gerpott eignet sich dafür vorzüglich. Denn was in den zwölf Beiträgen nahezu durchgängig aufgezeigt wird, sind Beispiele für die ständige Emergenz von Statussymbolen, wie sie in Zeiten der Pandemie, die uns beschleunigte Digitalisierung und unfreiwilliges Homeoffice beschert hat, geradezu kulissenhaft in Erscheinung getreten sind – Beispiele, die überwiegend dem Kontext von Arbeit, Management und Professionalität entlehnt wurden, wie die Einleitung darlegt.

Ohne hier die historisch-theoretischen Referenzen eigens zu würdigen – die verwendeten Quellen sind soweit einschlägig, wie den beiden ersten Beiträgen „Soziale Selbstinszenierung und Einzigartigkeit: Wie funktionieren Statussymbole im Management“ von Ulrich Hemel und „Was können Machthabende aus der Geschichte lernen, wenn es um die Etablierung von Statussymbolen geht“ von Markus Hühn zu entnehmen ist – erscheint bemerkenswert, wie der Zwang des Arbeitens von Zuhause, als man sich einander über Monate hinweg nur noch über Konferenzsoftware begegnete, die Art und Weise der Selbstpräsentation spürbar veränderte. Not macht erfinderisch.

Fein herausgearbeitet haben dies Fabiola H. Gerpott und Rudolf Kerschreiter in ihrem Beitrag „Mehr als das Bücherregal im Hintergrund: Wie Führungskräfte in Online-Meetings Status signalisieren und Einfluss ausüben“. So führen sie zum Abschluss ihres Beitrags mehrere Strategien zusammen, wie Führungskräfte versucht haben, durch verbale und nonverbale Faktoren, aber auch durch Hintergrundmanipulationen, gezielt Einfluss zu nehmen auf ihr Imagemanagement, sodass sie trotz digitaler Distanz bei Online-Meetings größtmögliche Wirkungen erzeugen konnten.

Nicht minder anspruchsvoll ist der Versuch, rein digital, ohne analoges Ansehen, in virtuellen Welten erfolgreich Informationen über die Avatare und Figuren zu transportieren, die man jeweils wählte und darstellte, so der Ansatz in dem Beitrag „Gaming, E‑Sport und virtuelle Güter – Wie signalisiere ich meinen Status in digitalen Welten“ von Christopher Hana und Melanie Schrandt. Einerseits ist das Gestaltungspotenzial schier unerschöpflich, andererseits kann dieser Überfluss dazu verführen, sich jeder Spielerei hemmungslos hinzugeben, und die Maßnahmen damit inflationär werden und wertmindernd verpuffen.

Ganz anders die Problemstellung bei Isabella Geis, die in ihrem Beitrag „Größer, höher, weiter – Wie die Mobilität von morgen schon heute Statussymbole verändert“ dem Trend nachging, die großen Flotten von Firmenwagen, über die ja viele Unternehmen verfügen und die über Jahrzehnte bedeutende Statussymbole repräsentierten, durch nachhaltigere Mobilitätsmaßnahmen zu ersetzen, und was das für jene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedeuten könnte, welche von diesem Trend durch den Entzug von Firmenwagen negativ betroffen sind.

Eine verwandte Situation ergibt sich, legen es Unternehmen darauf an, in einen Tugendwettbewerb einzutreten, wie Jan E. Walsken in seinem Beitrag „Wirklich besser als nichts? Das Risiko von Virtue Signaling in der Unternehmenskommunikation über Diversitätsmanagement“ diskutiert. Immerhin dürfte der Diversitätstrend dem Nachhaltigkeitstrend an Popularität kaum noch nachstehen. Doch wie setzt man einen solch hehren Anspruch nicht nur in der Außendarstellung, sondern auch unternehmensintern so um, dass es zu keiner strukturellen Entkopplung im Sinne von John W. Meyer und Brian Rowan kommt und sich das ganze Unterfangen als Fake und PR-Gau herausstellt?

Deutlich konventioneller sind Christin Seidel und Christian Holz in ihrem Beitrag „Ich biete dir etwas, was die anderen nicht haben – Umgang mit Statussymbolen im Unternehmenskontext“ vorgegangen. Erwähnenswert sind hier vor allem ihre Vorschläge, dass sich Status im Beruf heutzutage u. a. daran zeige, dass man die Freiheit erhalte, sich seinen Arbeitsort selber auszusuchen, gerade wenn dieser bequem sei und ungestört bleibe, und wenn man die Umgangsformen in agilen Teams und Räumen, in denen man gemeinsam arbeitet, selber gestalten könne.

Ähnlich schaut die Situation aus, wenn es darum geht, seine Kompetenzen im Umgang mit Technik, vor allem von Software in der Applikation, als Statusfaktor ins Spiel zu bringen, wie Jonas Hielscher und Verena Lörsch in ihrem Beitrag „Technik als Statussymbol“ untersucht haben. Dieses Feld dürfte unbegrenzte Möglichkeiten bergen, Expertise zu entwickeln und dafür Status zu beanspruchen, von kleinsten Anwendungen bis zur Kombination unterschiedlichster Softwareoptionen.

Etwas außerhalb rein korporativ-organisationaler Kontexte bewegt sich der Beitrag „Follower:innen, Likes und Reichweite – Online-Präsenz als neues Statussymbol?“ von Wiebke Stegh und Sascha Himmelreich, weil das relativ neue Geschäftsfeld der Influencer und Influencerinnen zwar unzweifelhaft kommerzieller Natur ist, aber wie auf dem Fischmarkt in Hamburg eher der Tradition der Marktschreierei angehört: hochprofitabel, aber ohne, dass zwischen Führung und Gefolgschaft eine vergleichbare Mitgliedschaft bestünde. Viel eher handelt es sich um eine Art Anhängerschaft, wie wir sie von der Soziologie sozialer Bewegungen her kennen. Statussymbole haben hier eine eher fluide, personen- und feldspezifische Qualität, weil dieses Geschäftsmodell, bei allem Spektakel, doch hoch volatil ist und von hoher Dynamik geprägt wird, was der Stabilität bestimmter Statussymbole abträglich ist.

Dem vorherigen Beitrag von Jonas Hielscher und Verena Lörsch wieder näher, hat sich Moritz Meißner in seinem Beitrag „Digital Literacy: Statussymbol der Zukunft und essenzieller Bestandteil der Weiterbildung“ mit der Tatsache befasst, dass die Beherrschung digitaler Techniken für das berufliche und private Leben immer bedeutender wird, dabei aber eine solche Beschleunigung erfährt, dass einmal erworbenes Wissen – früher gefeiertes Statussymbol – rasant schnell veraltet und sich solche Kompetenzunterschiede, etwa bei der Personalauswahl, zum Nachteil der Personaler verändern können. Dies wird zwar nur ungern zugegeben, dürfte aber mehr und mehr Probleme bereiten, wenn es um die Selektion des richtigen Personals geht, welches dann deutlich besser Bescheid weiß.

Wieder mehr dem Beitrag von Wiebke Stegh und Sascha Himmelreich zugeneigt, beschäftigen sich Nike Dreyer und Julia Wunderlich in ihrem Beitrag „Kunst als digitale Kapitalie – Wie die Digitalisierung das Sammeln, Ausstellen und Produzieren von Kunst verändert“ mit dem Einzug der Digitalität in den Kunstmarkt, ein Markt, der immer schon sehr statusträchtig war und durch diese Wendung seine Einflusssphäre nochmals erheblich erweitern dürfte, bei offenem Ausgang, was das genau mit dem Wert von Kunst und Kunstwerken macht.

Der letzte Beitrag rundet mit einem Rückblick auf die vorgestellten Projekte den Sammelband ab. Den Anfang nochmals aufnehmend, kann dieser Band sehr dafür sensibilisieren, dass selbst in der Epoche des Anthropozäns, in der wir uns vom Standpunkt eines Karl Marx längst auf dem Weg in eine klassenlosen Gesellschaft befinden sollten, die Produktion und Konsumtion von Statussymbolen, die originär dazu geeignet sind, soziale Unterschiede zu verstärken, ja Klassen zu erzeugen, unvermindert anhält und keinerlei Hinweis darauf gibt, dass wir solcher Symbole dereinst nicht mehr bedürften. Und, dass man die Produktionssphäre für die Produktion von Statussymbolen keinesfalls unterschätzen sollte.