Es ist daher notwendig, dass wir einen Diskurs über gemeinsame Qualitätsstandards führen und auch eine gewisse Toleranz gegenüber dem eventuell abweichenden Qualitätsverständnis anderer Forschungsansätze haben. Beispiele für Beiträge zu einem solchen Diskurs sind die von Frank (2006) formulierten Beurteilungsdimensionen von Wissenschaftlichkeit (Abstraktion, Originalität und Begründung) oder Anforderungen an wissenschaftliche Begründungen (Transparenz, anerkanntes Wahrheitskonzept wie z. B. Korrespondenz, Kohärenz oder Konsens), oder Wissenschaftskriterien wie Überprüfbarkeit, Ableitungsrichtigkeit, Widerspruchsfreiheit oder Verständlichkeit (vgl. Heinrich et al. 2010, S. 50–54). Qualitätskriterien dieser Art sind nicht nur denkschulen-, sondern auch genreübergreifend und können auch angesichts der für die Wirtschaftsinformatik notwendige Heterogenität der Teildisziplinen und Paradigmen ein notwendiges Mindestmaß an Kohärenz des Qualitätsmanagements ermöglichen.
In Anbetracht der erwähnten Herausforderungen im Qualitätsmanagement heterogener wissenschaftlicher Fachgruppen (Journals, Konferenzen, Antragsbegutachtung und Ergebnisevaluation) und der Auswirkungen auf den Kernbereich der Tätigkeit jede/s einzelnen Forschenden erscheint die Konvergenz des Qualitätsverständnisses in der Wirtschaftsinformatik eine substantielle Herausforderung zu sein.
Wir sind davon überzeugt, dass es sinnvoll und möglich ist, in diese Richtung zu wirken. Damit die Akteure Veränderungen mitentwickeln und später mittragen, muss die Veränderung auf breiter Front institutionalisiert werden. Das kann in einer sich weitestgehend selbst organisierenden Forschendengemeinde nur in ganz geringem Ausmaß durch Vorgaben erreicht werden. So haben beispielsweise im Kontext des Architekturmanagements Weiss et al. (2013) gezeigt, dass soziale Legitimation, Effizienz, organisatorische Verankerung und Vertrauen einen signifikanten Einfluss auf die Reaktion von Akteuren auf die Einschränkung ihrer Gestaltungsfreiheit haben, wenn die Akteure nicht zur Übernahme architektonischer Vorgaben gezwungen werden können. Übertragen auf die Homogenisierung des Forschungsqualitätsverständnisses eines wissenschaftlichen Faches heißt dies, dass neben einem langen Zeithorizont verschiedene flankierende Maßnahmen notwendig sind, die dem Charakter einer Forschenendengemeinde angemessen sind. Beispiele solcher Maßnahmen in den Bereichen soziale Legitimation, Effizienz, organisatorische Verankerung und Vertrauen sind die sichtbare Anhebung des Sozialstatus solcher Forschender, welche erwünschte Praktiken anwenden (wie zum Beispiel Auszeichnungen für Gutachter), die Formulierung und Verankerung erwünschter Praktiken in den zentralen Artefakten des Faches (Chartas) und/oder das explizite Schaffen von Vertrauen, dass Entscheidungsträger (z. B. Herausgeber, Konferenzleiter, Sprecher von Fachorganen, Kollegiaten in der Forschungsförderung) erwünschte Praktiken auch tatsächlich anwenden (Transparenz).
In der BISE versuchen wir diese Gedanken beispielsweise dadurch aufzugreifen, indem wir „gute“ (d. h. das vereinbarte Qualitätsverständnis umsetzende) Gutachten stärker bei der Annahmeentscheidung von Beiträgen berücksichtigen, indem wir „gute“ Gutachter (d. h., solche, die konstruktive und stichhaltige Gutachten schreiben) mit dem „Outstanding Reviewer Award“ auszeichnen und indem wir meritokratische Beförderungsprinzipen im Herausgeberkreis fördern. Dies erfordert allerdings auch ein gemeinsames Verständnis im Herausgeberkreis und im gesamten Fach, dass Verantwortlichkeiten rotieren und Positionen regelmäßig enden, um Platz für Beförderungen zu schaffen.
Zukünftig wollen wir verstärkt den Diskurs zwischen den Departments fördern. Dies soll einerseits durch den gemeinsamen Diskurs über Qualitätsstandards erfolgen (Anspruch an den Grad der Formalisierung, Ansprüche bei empirischen Arbeiten etc.), andererseits aber auch inhaltlich durch gemeinsame Schwerpunkthefte oder Veranstaltungen zweier Departments praktiziert werden. Denn unabhängig von der Heterogenität der Themen und Herangehensweisen der inhaltlichen Teilbereiche der Wirtschaftsinformatik sind all diese Teilbereiche wichtig für ein umfassendes Verständnis von Informationssystemen in der heutigen Wirtschaft und Gesellschaft. Wichtige Innovationen sind gerade an den Schnittstellen der Teilbereiche und an denen zu anderen Disziplinen zu erwarten.
Richtlinien für die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten sind insbesondere in einer heterogenen Disziplin wichtig. Lassen Sie uns den Diskurs dazu weiter führen, damit sich unser wissenschaftliches Fach und unser wissenschaftlicher Nachwuchs unter den besten Bedingungen entwickeln können.