Die Aufklärung zentraler Aspekte der Immunantwort in den vergangenen Jahrzehnten hat die Grundlagen für das Verständnis immunologischer Mechanismen bei renalen Krankheiten gelegt. Hierauf basiert eine vernunftgemäße therapeutische Modulation der Immunantwort – die Immuntherapie. Vier Artikel stellen den Fortschritt in den wichtigen Bereichen des Zusammenhangs von Tumoren und Glomerulonephritiden, der zellbasierten Immuntherapie, des Einsatzes von Checkpoint-Inhibitoren und der Antizytokintherapie unter dem Leitthema Immuntherapie dar.

Im ersten Artikel beschreiben die Hamburger Autoren Elion Hoxha und Tobias Huber die neueren Erkenntnisse über den Zusammenhang von Tumorerkrankungen und Glomerulonephritiden. Seit Langem ist bekannt, dass die Häufigkeit von Tumoren bei Patienten, die an einer Glomerulonephritis erkrankt sind, erhöht ist. Es stellt sich die Frage, ob dieser Assoziation eine pathophysiologische Erklärung zugrunde liegt. Bei einigen Glomerulonephritiden, wie beispielsweise einer Minimal-Change-Glomerulonephritis, kann die gleichzeitige Therapie eines Hodgkin-Lymphoms zum Verschwinden der Glomerulonephritis führen, ein kausaler Zusammenhang ist hier suggestiv. Bei paraproteinassoziierten Glomerulonephritiden ist die pathophysiologische Grundlage der unterschiedlichen schädigenden Wirkungen der Paraproteine, die zu verschiedenen Formen der Nierenschädigung führen, zum Teil aufgeklärt. Die Produktion von Antikörpern gegen THSD7A, die durch Tumoren induziert wird, die dieses Antigen exprimieren, und durch die Bindung dieser Antikörper an die Podozyten entsteht eine membranöse Glomerulonephritis. Dies zeigt sehr elegant, wie solide Tumoren eine Glomerulonephritis induzieren können. Bei anderen autoimmunologisch induzierten Glomerulonephritiden fehlt noch ein vergleichbar beschriebener Pathomechanismus.

Die Autoren Tobias Berger, Edward K. Geissler und Bernhard Banas aus Regensburg widmen sich dem Thema der zellbasierten Immunmodulation in der Nierentransplantation. Trotz der beeindruckenden Erfolge der etablierten medikamentösen Immunsuppression im Bereich der Transplantation bleiben viele Probleme ungelöst. Zu nennen sind die Toxizität, die eingeschränkte Potenz bezüglich chronischer Rejektionen, das Problem der antikörpervermittelten Rejektionen und das mit der geringen Spezifität der Immunsuppression verbundene erhöhte Infektions- und Tumorrisiko. Regulatorische T‑Zellen, regulatorische Makrophagen aus dem Knochenmark bzw. aus dem peripheren Blut oder tolerogene dendritische Zellen können direkt über Zell-Zell-Kontakt oder durch Zytokine die Immunantwort in Richtung Tolerierung des allogenen Transplantats modulieren. Die Autoren berichten über ihre Studie, in der die Transplantationszentren von Regensburg, Berlin, Boston, London, Mailand, San Francisco, Nantes und Oxford verschiedene regulatorische Zellsubpopulationen standardisiert an Patienten nach Nierenlebendtransplantation getestet haben. Diese große Studie liefert wichtige Erkenntnisse, besonders bezüglich der Sicherheit der Zellprodukte unter der am häufigsten verwendeten Immunsuppression nach Transplantation sowie der Modulation der Zellprodukte unter dieser Immunsuppression, denn natürlich wirkt die Immunsuppression auch auf regulatorische Zellen. Nach der Publikation kleiner Fallserien von 10 Lebertransplantierten und 3 Nierentransplantierten, die eine immunsuppressive Wirkung der Zellprodukte beim Patienten suggerieren, sind die genannten Daten der Studie eine wichtige Grundlage, um eine große randomisierte Studie zur Prüfung der Effektivität und Sicherheit von immunmodulatorischen Zellen zu beginnen.

Die Autoren Susanne Delucluse, Stefanie Zschäbitz, Nina Neuendorff und Martin Zeier aus Heidelberg informieren in ihrem Artikel über den Einsatz und die Nebenwirkungen von sog. Checkpoint-Inhibitoren. Das therapeutische Repertoire für immunogenere Tumoren wie Melanome, aber auch Nierenzellkarzinome wird seit einigen Jahren ergänzt durch Checkpoint-Inhibitoren. Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die entweder die hemmende Interaktion des T‑Zell-Oberflächenmoleküls PD‑1 („programmed cell death 1“) mit seinen Liganden, die unter anderem von Tumorzellen exprimiert werden, blockieren oder direkt das T‑Zell-kostimulatorische Molekül CTLA4 („cytotoxic T lymphocyte-associated protein 4“) stimulieren und so die vom Tumor ausgehende Hemmung der zellulären Antitumorimmunantwort unterdrücken. Durch die Stimulation des Immunsystems lassen sich deutliche Erfolge in der Therapie geeigneter Tumoren erzielen. Gleichzeitig führt die Stimulation der zellulären Immunantwort bei etlichen Patienten zu klinischen Phänomenen, wie sie bei Autoimmunerkrankungen auftreten. Betroffen sind unter anderem die Hypophyse, der Magen-Darm-Trakt, die Lunge und eben auch die Nieren. Steroide hemmen zwar die autoimmune Nebenwirkung von Checkpoint-Inhibitoren, aber wohl auch deren Antitumorwirkung. In dem Artikel werden darüber hinaus auch Ergebnisse aus kleineren Fallserien diskutiert, die den Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren zur Tumortherapie bei Patienten nach Transplantation solider Organe beschreiben.

Durch die Manipulation des Immunsystems lassen sich deutliche Erfolge in der Therapie geeigneter Tumoren erzielen

Die Münchner Autoren Ariane Hammitzsch, Uwe Heemann und Philipp Moog stellen in ihrem Artikel den Stellenwert der gegen Interleukin (IL) gerichteten Therapien bei Autoimmunkrankheiten dar. Bei den Erkrankungen, die „verstanden“ sind, bei denen die wesentlichen Aspekte der Pathophysiologie aufgeklärt werden konnten und bei denen die Fehlregulation der Inflammation durch die Blockade eines Zytokins behoben werden kann, ist eine Antizytokintherapie sehr erfolgreich. Beispiel hierfür ist die Blockade von IL‑1 bei Autoinflammationssyndromen wie z. B. dem familiären Mittelmeerfieber. Das zentrale IL‑2 hingegen ist ein Beispiel für die Komplexität, die bei der Nutzung dieses Zytokins beachtet werden muss. Die Blockade des IL-2-Rezeptors wirkt immunsuppressiv, wie wir aus der Transplantation wissen. Die Gabe hoher Dosen von IL‑2 wird zur Stimulation der Immunantwort in der Tumortherapie angewendet, und die Gabe von niedrigen Dosen stimuliert die Bildung regulatorischer, antiinflammatorischer T‑Zellen, was für die Therapie des systemischen Lupus erythematodes genutzt wird. Der Dosisunterschied bewirkt über andere Mechanismen entgegengesetzte Effekte. Aber auch die gleiche Dosis kann die Immunantwort so modulieren, dass einerseits anti- und andererseits proinflammatorische Phänomene auftreten. So ist die Blockade von IL-17 bezüglich der Therapie der Arthritis vergleichbar effektiv wie die Gabe von TNF(Tumornekrosefaktor)-Blockern; im Gegensatz zu diesen verschlechtern Anti-IL-17-Antikörper allerdings die Aktivität des Morbus Crohn. Auch die rasante Entwicklung der gezielten Blockade etlicher weiterer Interleukine zum Zwecke der Immunmodulation wird in diesem Artikel sehr anschaulich diskutiert.

Wir sind sicher, dass Sie nach der Lektüre dieser Artikel Lust verspüren, sich tiefer in die Materie einzuarbeiten, denn die individualisierte Immuntherapie wird zukünftig ein wichtiges Standbein moderner Therapiekonzepte sein. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

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Uwe Heemann, München

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Ulrich Kunzendorf, Kiel