In den vergangenen 10 Jahren stellten wir eine erhebliche Zunahme der Inzidenz des Nierenzellkarzinoms fest. Aufgrund verbesserter Diagnosemöglichkeiten ist gleichzeitig eine frühzeitigere Diagnose des Nierenzellkarzinoms möglich, wodurch die Tumorgröße zum Zeitpunkt der Diagnose tendenziell kleiner geworden ist. Allerdings hat sich die Prognose des Nierenzellkarzinoms durch diese Tatsache nicht verbessert. Es stellen sich daher Fragen nach der Ursache und den eventuellen Interventionsmöglichkeiten.

Zahlreiche Studien belegen, dass die Entfernung von Nierengewebe und die damit einhergehende Verschlechterung der Nierenfunktion einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose eines Patienten mit Nierenzellkarzinom haben. Dieser Zusammenhang ist bei anderen soliden Organen mit malignen Tumoren nicht zwangsläufig evident.

Das Entfernen von Nierengewebe hat einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose

Als Nephrologen wissen wir, dass die Reduktion der Nierenmasse und die damit verbundene Einschränkung der Nierenfunktion sowohl mit einer erhöhten Morbidität als auch mit einer erhöhten Mortalität vergesellschaftet sind. Offenbar ist es so, dass dieser Zusammenhang den onkologischen Therapieerfolg beim Nierenzellkarzinom zumindest teilweise infrage stellt.

Aus diesem Grund haben wir uns in Heidelberg entschlossen, ein interdisziplinäres Nierentumorzentrum zu gründen, das in enger Zusammenarbeit von Urologen, Radiologen, medizinischen Onkologen und Nephrologen betrieben wird. Hier wird jeder sich neu vorstellende Patient mit der Diagnose Nierenzellkarzinom auf die optimale Therapie hin interdisziplinär untersucht und beraten.

Im Vordergrund steht die operative Therapie mit dem maximalen Erhalt der Nierenmasse im Sinne einer „nephron sparing therapy“. Dies ist umso bedeutender, als dieses Therapiekonzept gerade beim älteren Menschen die Nierenfunktion schont und deshalb die Wahrscheinlichkeit einer Niereninsuffizienz absenkt. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von neuen innovativen Medikamenten. Hier kommt v. a. Tyrosinkinaseinhibitoren und Inhibitoren der Gefäßneubildung eine herausragende Bedeutung zu. Die Aufgabe des Nephrologen besteht darin, potenzielle Nebenwirkungen dieser Therapeutika im Hinblick auf die Nierenfunktion zu identifizieren und mitzubehandeln, insbesondere unter dem Aspekt der weitreichenden Erfahrungen mit „Mammalian-target-of-rapamycin“ (mTOR) -Inhibitoren im Rahmen der immunsuppressiven Therapie nach Nierentransplantation.

Unsere Vision ist es, durch eine differenzierte operative bzw. eine zielgerichtete medikamentöse Therapie die Prognose des Nierenzellkarzinoms entscheidend zu verbessern und die Nierenfunktion der betroffenen Patienten möglichst lange zu erhalten.

Prof. Dr. med. M. Zeier

Prof. Dr. med. M. Hohenfellner