Wenngleich es in Deutschland nahezu keine Studien zu Partner*innenbenachrichtigung (PB) gibt, so zeigt der internationale Forschungsstand doch deutliche Hinweise darauf, dass PB helfen kann, Infektionsketten zu unterbrechen. Demnach werden bspw. bei Sexualpartner*innen, die derart benachrichtigt wurden, vergleichsweise höhere Infektionsraten festgestellt. Mehr Standardisierung und der Einsatz von Hilfsmitteln wie Infomaterialien, Web-Tools usw. können die Effektivität von PB steigern. Für Deutschland fehlte bislang eine Übersicht über bestehende Angebote zu PB.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) förderte deshalb zwischen September 2018 und Dezember 2019 eine Studie, mittels derer Befragungen von 16 anonym arbeitenden Test- und Beratungseinrichtungen von ÖGD und NGO an acht Standorten zu deren PB-Praxis und von Nutzer*innen über deren Erwartungen und Bedarfe durchgeführt wurden.

Zur Erarbeitung des Fragebogens für die Befragungen der Nutzer*innen von anonymen Teststellen wurden zunächst aktuelle Studien ausgewertet, die die Adressatenperspektive in den Blick nehmen und relevante Aspekte identifiziert (vgl. bspw. [1,2,3,4,5,6,7,8]). Der so entstandene Fragebogen wurde in explorativen Befragungen von Besucher*innen von STI-Beratungsstellen getestet (fragebogengestützte Interviews) und anschließend finalisiert. Als Ergebnis des Pretests wurde ein zweigleisiges Verfahren umgesetzt: Mit Blick auf die Reaktionen der Nutzer*innen bei den Pretests (viele hatten ad hoc keine Zeit oder Lust zu einem Interview, zeigten sich aber sehr offen, einen Fragebogen zu bearbeiten) entschieden wir uns, sowohl einen Fragebogen zum Selbstausfüllen zu verteilen, um eine Reihe von Aspekten zum Thema schriftlich zu erheben, als auch persönliche Interviews zur Vertiefung der Themen durchzuführen. Der Fragebogen umfasste schließlich 45 Fragen, darunter 14 Fragen zu Soziodemografie und Beziehungsstatus. Weitere Fragen galten dem eigenen Testverhalten, Sexual- und Risikoverhalten, Kenntnissen zu STI, Erfahrungen mit (Beratung zu) PB und die eigene Bereitschaft dazu.

Im Erhebungszeitraum (Juli 2019 bis September 2019) wurden an acht Standorten (Berlin, Bochum, Bremen, Dresden, Freiburg, Hamburg, Köln, München) über 16 Einrichtungen (9-mal NGO und 7‑mal ÖGD) hinweg insgesamt 845 Nutzer*innen angesprochen und zur Befragung eingeladen. 441 Personen erhielten Fragebogen und Einladung im ÖGD, 404 in Teststellen in Trägerschaft einer NGO (zumeist regionale Aidshilfen). Insgesamt 721 Personen beteiligten sich an der Erhebung und füllten den Fragebogen aus, was einem Rücklauf von 85,3 % entspricht.

Mit insgesamt 169 Befragungsteilnehmenden (23,4 %) konnte zusätzlich ein etwa 30-minütiges leitfadengestütztes Interview realisiert werden. In den Gesprächen wurden die Fragen nach den Erfahrungen mit PB sowie Einstellungen und Haltungen gegenüber bestimmten Verfahren – insbesondere der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur anonymen PB – weiter vertieft und der Unterstützungsbedarf konkretisiert.

Eine vergleichende Datenanalyse zeigt, dass sich die Gruppe der Interviewten (n = 169) von derjenigen, die ausschließlich den Fragebogen ausgefüllt hat (n = 552), nicht maßgeblich unterscheidet. Kleinere Unterschiede betreffen heterosexuelle Männer bzw. Frauen und STI-Ersttester, die im Interviewsample leicht unterrepräsentiert sind und Personen mit einem abgeschlossenen Studium sowie Befragte, die von mehr als 6 Sexualkontakten im letzten halben Jahr berichten (leicht überrepräsentiert). Die anteilig höhere Präsenz von Menschen mit eingeschränkten Sprachkenntnissen und Personen ohne Krankenversicherung im Interviewsetting lässt sich auf die Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens zurückführen. In einigen Einrichtungen haben wir mit Sprachmittlungsdiensten zusammengearbeitet und die betroffenen Klient*innen wurden von den Berater*innen der Teststellen direkt ins Interview vermittelt. Der Fragebogen wurde dann begleitend zum Gespräch ausgefüllt.

Erfahrungen von Nutzer*innen mit (Beratung zu) PB

Ein Drittel aller Befragten (29,7 %) wurde mindestens schon einmal von einem Sexualkontakt über ein bestehendes Infektionsrisiko informiert (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
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Wurden Sie schon jemals von einer/einem Sexualpartner*in benachrichtigt, dass die Möglichkeit einer sexuell übertragbaren Infektion besteht? (n = 713)

Das Alter, die Beziehungsdauer, die Testroutinen und v. a. die sexuelle Orientierung entscheiden maßgeblich darüber, ob man sich untereinander im Bekanntenkreis zu Infektionsrisiken austauscht oder auch im Falle einer Infektion aktiv informiert. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), gaben in der Befragung signifikant häufiger an, schon einmal von einem Sexualkontakt benachrichtigt worden zu sein: 45 % der MSM waren bis zum Befragungszeitpunkt schon einmal von einem Sexualkontakt benachrichtigt worden, aber nur 16 % der heterosexuellen Frauen und Männer. Befragte mit PB-Erfahrung leben eher in einer längeren festen Beziehung, haben häufiger wechselnde Sexualkontakte, sind erfahrener mit STI-Tests und verfügen über mehr Wissen zu STI-Übertragungswegen. Befragte, die bislang noch nie von Sexualkontakten über eine mögliche STI-Infektion informiert wurden, sind im Vergleich jünger und signifikant häufiger weiblich.

In den Interviews (n = 169) wurde vertieft nach konkreten Situationen gefragt. Demnach wurden die Befragten v. a. durch lose Sexualkontakte über STI-Risiken informiert. Die Benachrichtigung erfolgte meistens zeitnah nach dem sexuellen Kontakt und fast immer per SMS/WhatsApp o. ä. Die Benachrichtigung über Messenger-Dienste wurde von der Mehrzahl der Interviewten als Vorteil bewertet: so werde man schnell informiert und es erspare den Benachrichtigten ein direktes reagieren müssen im Face-to-face-Kontakt. Über Benachrichtigungen im Rahmen von persönlichen Gesprächen wurde in den Interviews seltener berichtet. Und wenn doch, dann handelte es sich eher um die aktuell festen Sexualpartner*innen oder um Ex-Partner*innen. Vereinzelt wurden von den Befragten peinliche oder unangenehme Situationen geschildert. In der Regel zeigten sich die Gesprächspartner*innen zufrieden und ggf. nach einem ersten Schock auch dankbar, informiert worden zu sein. Von einigen MSM wurde explizit darauf verwiesen, dass die Frage nach bestehenden Infektionen unter wechselnden Sexualkontakten übliche Praxis sei, man pflege einen offenen Umgang und trage Verantwortung füreinander. Dazu gehöre auch, dass man sich regelmäßig testen lasse und im Falle einer STI-Infektion die betroffenen Sexualkontakte informiere.

Bei heterosexuellen Frauen und Männern spielen Betrugsszenarien und die damit einhergehende Sorge, beim Fremdgehen erwischt zu werden, eine große Rolle. Promiskuität und Infektionsrisiken werden seltener offen gehandhabt. Besondere Ängste und z. T. Scham und damit Barrieren hinsichtlich einer möglichen PB bestehen am ehesten bei Männern, die in einer heterosexuellen Beziehung leben, aber versteckte sexuelle Kontakte zu Männern pflegen.

Wurden die Klient*innen schon einmal von den Berater*innen der anonymen Teststellen zu STI-Übertragungswegen und Reinfektionsrisiken informiert? Dazu gaben 649 Personen Auskunft: 55,9 % dieser Klient*innen berichten, dass sie rund um einen Test mindestens einmal zu STI-Übertragungswegen und Reinfektionsrisiken informiert wurden.

Dabei zeigen sich signifikante Unterschiede bzgl. der Beratungserfahrung nach der Testroutine und der Anzahl der wechselnden Sexualkontakte: Beratung zu Übertragungswegen und Reinfektionsrisiken haben verstärkt jene, die in den letzten 12 Monaten bereits mindestens einen STI-Test gemacht hatten (58,9 %). Unter den STI-Ersttestenden berichten gut 40 % über entsprechende Beratungserfahrungen. Und von denjenigen, die zuvor noch keinen STI-, aber schon einen HIV-Test gemacht hatten, wurde immerhin ein Drittel (31,5 %) im Zuge des HIV-Tests zusätzlich zu STI beraten.

Berater*innen richten ihr Vorgehen offensichtlich nach der Risikoanamnese aus: Personen mit mehr als einem Sexualkontakt im letzten halben Jahr wurden signifikant häufiger über STI-Übertragungswege und Re-Infektionsrisiken informiert. Bei Testnutzer*innen mit mehr als 6 verschiedenen Sexualkontakten im letzten halben Jahr steigt die Quote der Beratungen zu STI-Übertragungswegen und Reinfektionsrisiken auf ca. drei Viertel der Fälle an.

Im Rahmen der Interviews (n = 169) erläuterten einige Befragte, dass die Beratung im Zuge der Befundmitteilung stattgefunden habe. Andere hatten sich bei den Fachkräften gezielt nach weiterführenden Informationen erkundigt. In zahlreichen Fällen wurde die Qualität der Beratung thematisiert: Überwiegend wurde die Beratung positiv bewertet z. B. als „sachliche Information“, „kompetente Beratung“, „Zeit genommen“, „vorurteilsfrei“, „ohne erhobenen Zeigefinger“ oder „war sehr hilfreich“. Kritik wurde deutlich seltener geäußert, und falls doch, dann ging es z. B. um „zu wenig Raum für dieses Thema“, „Fachbegriffe nicht verstanden“ oder „war zu konfrontativ“.

Wurden die Nutzer*innen auch schon einmal zu (verschiedenen) Möglichkeiten der PB beraten? Hier fällt der Anteil derjenigen, die über eine diesbezügliche Beratungserfahrung berichten konnten, deutlich anders aus: Der überwiegende Teil der Befragten wurde bisher nicht zu PB beraten (78,6 %) oder äußerte, keinen konkreten Beratungsbedarf gehabt zu haben (11,3 %). Lediglich ein Zehntel der Befragten wurde mindestens schon einmal zur Benachrichtigung von Sexualkontakten motiviert bzw. zu Möglichkeiten dazu beraten.

Signifikante Unterschiede dazu, wer zu PB beraten wurde oder nicht, lassen sich ausschließlich für den Migrationsstatus der Befragten feststellen: Personen mit Migrationshintergrund wurden schon deutlich öfter zu PB beraten (64,2 %). Dabei zeigte sich in den Interviews, dass diese Erfahrungen v. a. aus ihren Herkunftsländern stammen; bspw. wurde über Beratung zu PB in UK berichtet und über den Erhalt von „contact slips“ zur Weitergabe an Sexualkontakte. Aus Spanien wurde berichtet, dass „über Facebook und das Internet Fotos von Krankheitssymptomen gezeigt (wurden), die man betroffenen Partnern weiterzeigen kann“. In Deutschland beratene Klient*innen berichteten über Empfehlungen zur Partner*innenmitbehandlung und von Angeboten, die betroffenen Sexualpartner*innen zu einem gemeinsamen Beratungsgespräch mitzubringen. Andere Befragte wendeten ein, dass der Wunsch nach Paargesprächen von den Fachkräften explizit abgelehnt wurde.

Einige Befragte äußerten Ideen, wie die Beratung zu den Möglichkeiten zur PB besser gestaltet werden könnte und empfahlen bspw. „eine Art Guideline für lose Kontakte“.

Personen, die schon mal von einem Sexualkontakt über ein bestehendes Infektionsrisiko informiert wurden und vielleicht deshalb zum Test gekommen waren (n = 212), wurden in den anonymen Teststellen zwar signifikant häufiger zu STI-Übertragungswegen und Reinfektionsrisiken beraten (70,1 %), bspw. zur Vermeidung von Reinfektionen per Ping-Pong-Effekt. Auf Möglichkeiten der PB wurde jedoch nur selten eingegangen (14,8 %), vereinzelt wurde an „Fairness“ appelliert und nachgefragt, ob der/die Klient*in sich nicht selbst auch eine Benachrichtigung wünschen würde. Ergänzend berichteten mehrere Befragte, dass sie bei Diagnostik und Befundmitteilung in ärztlichen Praxen kaum über die Notwendigkeit der Benachrichtigung von Sexualkontakten aufgeklärt oder zu Möglichkeiten der Umsetzung beraten wurden.

Haltung und Einstellungen von Nutzer*innen zu PB

Um Haltungen und Einstellungen zu PB nachzugehen, wurden die Nutzer*innen der Teststellen – unabhängig von ihren tatsächlichen Erfahrungen – auch danach gefragt, ob sie sich im Falle eines positiven Tests auf STI vorstellen könnten, ihre Sexualkontakte zu informieren (hypothetisch). Beantwortet wurde diese Frage von insgesamt 691 Nutzer*innen.

Tatsächlich können sich fast alle (98,0 %) Befragten vorstellen, Sexualkontakte zu informieren. Die Befragten problematisierten jedoch, dass dies nur dann möglich sei, wenn Kontaktdaten vorhanden sind bzw. Kontaktmöglichkeiten bestehen. Einige Befragte erläuterten, dass sie ihre Sexualkontakte nach einer positiven STI-Diagnose benachrichtigen würden, weil sie sich das im umgekehrten Fall auch selbst wünschen würden. Nur 14 Befragte (2,0 %) konnten sich nicht vorstellen, ihre Sexualkontakte zu informieren.

Ob die Befragten im Falle eines positiven STI-Tests ihre Sexualkontakte benachrichtigen würden, hängt auch von der Art der Beziehung ab (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
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Können Sie sich vorstellen, Sexualkontakte der letzten 6 Monate im Falle einer STI-Diagnose (sexuell übertragbare Infektionen) zu informieren? Nach Art der Sexualkontakte (n = 691, Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich)

Feste Sexualpartner*innen über eine positive STI-Diagnose informieren wollten 98,8 %. Mit 92,9 % können sich etwas weniger Befragte vorstellen, ihre ehemals festen Sexualkontakte zu benachrichtigen. Handelt es sich um lose Sexualkontakte, sinkt die (potenzielle) Bereitschaft, zu benachrichtigen deutlich auf 77,4 %.

Von den 14 Personen, die die Frage danach, ob sie im Falle einer STI-Infektion ihre Sexualkontakte benachrichtigen würden, mit „nein“ beantworteten, sind 78,6 % männlich und 64,3 % MSM. 10 der 14 Personen (71,4 %) stammen aus einer Stadt mit mindestens 1 Mio. Einwohner*innen. Fünf der Befragten, die Sexualkontakte nicht informieren wollten (35,7 %), befanden sich zum Befragungszeitpunkt in einer festen Beziehung und 7 (50 %) hatten im letzten halben Jahr mehr als 6 Sexualkontakte; über Kontaktdaten ihrer Sexualkontakte verfügten 42,9 %.

Befragt danach, was Personen davon abhalten könnte, Sexualkontakte zu benachrichtigen, benannten die interviewten Klient*innen neben fehlenden Kontaktdaten zahlreiche weitere Barrieren: Die größte Bedeutung kam verschiedenen Ängsten zu, darunter der Angst vor Entdeckung bspw. des Fremdgehens und der homo- oder bisexuellen Orientierung; z. T. wurde Angst vor Ablehnung, vor Verurteilungen durch Partner*innen oder Freund*innen, vor Verlassen werden thematisiert. Nicht wenige Befragte zeigten Schamgefühle, andere hatten Sorge vor Stigmatisierung in der Gesellschaft oder in der Szene. Manche Befragte vermuteten, dass den Infizierten eine mögliche Infektion ihrer Sexualkontakte egal sein könnte, andere gingen eher von Verdrängung des Themas aus oder davon, dass jemand zu stolz sein könnte, darüber zu reden. Wieder andere stellten sich selbst als zu schüchtern dar, um Sexualkontakte im Falle einer Infektion aktiv anzusprechen. Ein Teil der Befragten äußerte Sorge vor negativen, möglicherweise auch juristischen Konsequenzen – alles Faktoren, die sich nach Aussagen vieler Befragter, mit abnehmender Beziehungsintensität verstärken. Im Folgenden sollen einige Originalzitate Barrieren illustrieren (vgl. Abb. 3):

Abb. 3
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Beispielhafte Zitate von Nutzer*innen zu Barrieren für die Benachrichtigung von Sexualkontakten

Gleichwohl finden es fast alle Befragten (99,4 %) wichtig, selbst informiert zu werden. Zwar möchten die meisten am liebsten persönlich informiert werden, wenn ein Sexualkontakt eine STI hat – im Zweifel aber gilt: „Hauptsache, man wird informiert, egal wie“.

Ein Web-Tool zur anonymen PB, wie derzeit im Walk-In-Ruhr-Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin (WIR) in Bochum im Einsatz, kannte nur eine befragte Person. Sie war darüber informiert worden, hatte das Web-Tool selber aber nicht genutzt. Nachdem die Interviewer*innen das WIR-Web-Tool und seine Funktionsweise den Klient*innen vorgestellt hatten, wurden die Teilnehmenden bezüglich ihrer Einstellungen und Einschätzungen dazu befragt. Ein Großteil der Befragten (67,7 %) gab an, dass sie so ein Tool zur anonymen PB insgesamt gut finden, 23,6 % waren in ihrem Urteil unentschlossen und 8,7 % bewerteten ein Web-Tool negativ. In ihren Begründungen gehen die Befragten auf verschiedene Vor- oder Nachteile eines solchen Tools ein: Der größte Vorteil scheint in der niedrigen Hemmschwelle zu liegen. Positiv heben die Befragten die Anonymität hervor, das Tool sei insbesondere zur Benachrichtigung loser und/oder vieler Sexualkontakte hilfreich. Eine anonyme Benachrichtigung per Web-Tool verhindere zudem, dass die Sender*innen Stigmatisierung ausgesetzt sind. Demgegenüber hat ein anderer Teil der Befragten Bedenken bzgl. der Datensicherheit des Web-Tools und weitere Befragte sorgten sich, ob das Tool tatsächlich Anonymität garantieren und nicht zu anderen Zwecken, wie z. B. persönliche Rachehandlungen, missbraucht werden könne. Manche Befragte fanden die Vorstellung, anonym benachrichtigt zu werden, befremdlich („seltsam“, „gruselig“). Zahlreiche Befragte merkten an, dass sie beim Erhalt einer anonymen Nachricht zunächst deren Seriosität und „Echtheit“ in Frage stellen würden. Weitere Befragte bemängelten die „Einladung“ zur Verantwortungsabgabe durch die anonyme PB und sorgten sich um die negative Signalwirkung: Fördert das eine Kommunikations-Unkultur bezüglich STI?

Je nach Einschätzung von Aufwand, Datenschutz und Seriosität können sich einige der Befragten die Versendung einer anonymen Nachricht mal mehr, mal weniger gut vorstellen: Ob ein Tool zur anonymen PB zum Einsatz kommen soll, ist für die meisten Befragten abhängig von der Beziehung zum jeweiligen Sexualkontakt – viele finden beispielsweise eine Benachrichtigung über ein Infektionsrisiko anonym und online dann interessant, wenn die Partnerschaft mittlerweile beendet ist, es sich um einen kurzen Kontakt handelte oder wenn ein vorangegangene sexuelle Beziehung unschön zu Ende ging. Manche Befragte würden das Web-Tool insbesondere im Falle einer schweren Infektion, wie beispielsweise HIV nutzen, wohingegen andere gerade dann die direkte Kommunikation bevorzugen würden und nur bei „einfacheren“ STI die Information schnell und anonym erledigen würden. Viele Befragte geben außerdem an, dass die anonyme PB über ein zentrales Tool nützlich scheint, wenn zahlreiche Sexualkontakte zu informieren seien.

Bedarf nach Beratung/Unterstützung zu PB

Weiter interessierte, ob die Befragten zu PB Unterstützungsbedarf haben, bspw. im Sinne einer Beratung zu verschiedenen Möglichkeiten der PB. Tatsächlich gibt mit 79,9 % die große Mehrzahl der Befragten an, dass sie sich hierzu Beratung wünscht.

Im Rahmen der qualitativen Befragung wurde der Wunsch nach Beratung weiter vertieft. Dabei zeigte sich, dass Beratung v. a. dazu gewünscht wird, wie der positive STI-Test und damit eine mögliche Ansteckung der Sexualkontakte an diese kommuniziert werden kann. Insbesondere schilderten die Befragten, nicht zu wissen, wie sie das Thema ansprechen können bzw. einleiten sollen. Einige wünschten sich konkrete Formulierungshilfen und wollten dies sogar vorab einüben. Anderen erschienen Infoblätter oder -broschüren zum Mitnehmen/Weitergeben hilfreich. Abb. 4 zeigt einige Originalzitate dazu.

Abb. 4
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Originalaussagen von Nutzer*innen auf die Frage: Wie könnte Unterstützung aussehen?

Darüber hinaus wollen die Befragten Beratung zu einem hilfreichen Setting für PB: In welcher Situation, wie schnell und wo soll das Thema angesprochen werden? Befragte wünschten sich Informationsmaterial (bspw. zu ihrer STI und Infektionswegen sowie zu Behandlungsoptionen) – sowohl analog (bspw. Broschüren, Flyer) als auch digital/online (bspw. Videos, Homepages), um so Sexualkontakten direkt Informationen an die Hand geben zu können. Gesprächsleitfäden mit Beispielen, Formulierungshilfen u. ä. oder das Einüben der Situation, bspw. mit Rollenspielen, werden von den Interviewten insbesondere für unerfahrene Menschen als hilfreich bewertet. Möglichkeiten einer anonymen PB spielen für die befragten Klient*innen eine sehr geringe Rolle, eine persönliche Kommunikation mit den Sexualkontakten und der Wunsch nach einem offenen Umgang stehen für die Befragten ganz klar im Fokus.

Vielen befragten Klient*innen war es wichtig, bei der Benachrichtigung auch auf Hilfen verweisen zu können und den potenziell Betroffenen Wege aufzuzeigen, dass und wo sie sich testen lassen können und wie ihnen – im Falle einer Infektion – geholfen werden kann. Dieser Aspekt erscheint immer dann problematisch, wenn Sexualkontakte nicht krankenversichert sind, sich illegal in Deutschland aufhalten o. ä. Zudem war die Atmosphäre bei Test und Beratung wichtig: Klient*innen präferieren für sich, aber auch als Empfehlung für Dritte, eine akzeptierende, wertschätzende Beratung – manche benannten dies explizit im Unterschied zu Erfahrungen in der ärztlichen Praxis, wo man sich schlecht behandelt, moralisch verurteilt und schnell abgefertigt fühlte – anders als in den anonymen Teststellen.

Fazit für die Praxis

  • Partner*innenbenachrichtigung (PB) findet statt: Klient*innen sprechen untereinander über ein mögliches Ansteckungsrisiko.

  • PB kann noch stärker zur Verbesserung der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) sowie der Versorgung von Personen mit STI beitragen, je strukturierter sie in konkrete Angebote eingebunden ist.

  • Klient*innen würden gerne auf Informationsmaterial (analog und digital) sowie Beratung und Hilfen zur Gesprächsführung bzgl. PB (wie, wann und wo Sexualkontakte informieren?) zurückgreifen können.

  • Klient*innen wollen ihre Sexualkontakte gerne selber informieren.

  • Junge Personen und heterosexuelle Männer haben größeren Unterstützungsbedarf.

  • Zum Test kommende Klient*innen sollten routinemäßig befragt werden, ob sie aufgrund einer PB kommen. Diese Klientel sollte grundsätzlich zeitnah und kostenfrei getestet werden.

  • Evaluationen sollten möglichst partizipativ Fragen der Wirksamkeit von verschiedenen Verfahren der Beratung und Unterstützung von PB nachgehen.