Zusammenfassung
Hintergrund
Essstörungen sind schwerwiegende psychische Erkrankungen. Neben der ambulanten und stationären Behandlung werden im Rahmen einer integrierten Versorgung auch Informationen sowie niederschwellige Angebote zu Prävention, Beratung und Nachsorge eingesetzt.
Ziel
Ziel der vorliegenden Studie war die Ermittlung von Bekanntheit, Nutzung und Bedarfen solcher Angebote bei Betroffenen und Angehörigen.
Material und Methodik
In einem vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt wurde auf der Basis teilstandardisierter Interviews mit Betroffenen (n = 16) und Angehörigen (n = 5) ein Online-Fragebogen erstellt. Dieser wurde vom Bundesfachverband Essstörungen e. V. unter dessen Mitgliedern verbreitet. 273 Betroffene und Angehörige nahmen an der Online-Befragung teil.
Ergebnisse
Betroffene sehen signifikant häufiger als Angehörige familiäre Probleme als potentielle Auslöser für eine Essstörung, während umgekehrt Angehörige häufiger die Pubertät als Auslöser wahrnehmen. Fast alle Befragten empfanden Arztpraxen als ein geeignetes Setting für Prävention. Bei der Nachsorge gab es signifikante Unterschiede zwischen Betroffenen der verschiedenen Essstörungsarten. So wurden die ambulante Psychotherapie, therapeutische Wohngruppen und das Wiegen beim Hausarzt am häufigsten von Betroffenen mit AN genutzt.
Diskussion
Aufgrund der festgestellten unterschiedlichen Wahrnehmung möglicher Auslöser sollten Betroffene und Angehörige besser über die ätiologischen und aufrecht erhaltenden Faktoren von Essstörungen informiert werden. Zudem sollten Arztpraxen als Orte für Prävention stärker in Betracht gezogen und bereits vorhandene Informationsangebote stärker publik gemacht werden. Insgesamt fiel eine Diskrepanz zwischen dem Wissen zu Angeboten und deren Nutzung auf.
Abstract
Background
Eating disorders are serious mental illnesses. In addition to outpatient and inpatient treatment, information, low-threshold prevention, counselling, and aftercare services make up an essential part of the integrated care of eating disorders.
Aim
The aim of this study was to determine the awareness, use, and needs of such services among patients with eating disorders and their relatives.
Material and Methods
In this project, sponsored by the Federal Ministry of Health, an online survey based on semi-structured interviews with patients (n = 16) and relatives (n = 5) was developed. The survey was distributed by the Bundesfachverband Essstörungen e. V. among its members. 273 patients and relatives took part.
Results
Patients saw family problems as potential triggers for an eating disorder, significantly more often than relatives. However, relatives chose puberty as a trigger for eating disorders more frequently than patients. All relatives and 96% of patients found general practices to be a suitable setting for prevention. There were significant differences between those affected by the different types of eating disorders in terms of their knowledge of aftercare and the use they made of it. For example, patients with AN used outpatient psychotherapy, therapeutic residential care and weighing by a general practitioner most frequently.
Discussion
Due to the different perceptions of possible triggers, patients and their relatives should be better informed about the aetiological and maintaining factors of eating disorders. In addition, the dissemination of existing information should be improved and medical practices should be given more consideration as places for prevention. Overall, there was a discrepancy between the knowledge and the actual use of services for eating disorders.
Literatur
Berger U (2008) Essstörungen wirkungsvoll vorbeugen: Die Programme PriMa, TOPP und Torera zur Prävention von Magersucht, Bulimie, Fressanfällen und Adipositas. Kohlhammer, Stuttgart
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2000) Essstörungen – Leitfaden für Eltern, Angehörige, Partner, Freunde, Lehrer und Kollegen. BzgA, Köln
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2012) Empfehlungen zur Integrierten Versorgung bei Essstörungen in Deutschland. BZgA, Köln
Gerlinghoff M, Backmund H (2011) „Is(s) was?!“ Ess-Störungen: Wann sollten sich Eltern Sorgen machen? Wie Eltern und Fachleute helfen können. Beltz, Weinheim
Gerlinghoff M, Backmund H, Mai N (1997) Magersucht und Bulimie. Verstehen und Bewältigen Bd. 3. Beltz Quadriga, Weinheim
Grunwald M, Richter T, Assmann B et al (1999) Internet-Nutzung von Patienten und Angehörigen: Beratung bei Essstörungen. Dtsch Arztebl 96:24
Herpertz-Dahlmann B, Hagenah U (2015) Essstörungen in Kindheit und Adoleszenz. Monatsschr Kinderheilkd 163:688–695. https://doi.org/10.1007/s00112-014-3241-3
Herpertz S, Herpertz-Dahlmann B, Fichter M et al (2011) S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Essstörungen. Springer, Berlin, Heidelberg
Herpertz S, De Zwaan M, Zipfel S (2015) Handbuch Essstörungen und Adipositas, 2. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg https://doi.org/10.1007/978-3-642-54573-3
Jacobi F, Höfler M, Siegert J et al (2014) Twelve-month prevalence, comorbidity and correlates of mental disorders in Germany: The Mental Health Module of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1-MH). Int J Methods Psychiatr Res 23:304–319
Leiberich P, Nedoschill J, Nickel M et al (2004) Selbsthilfe und Beratung im Internet. Med Klin 99:263–268
Lu HK, Mannan H, Hay P et al (2017) Exploring relationships between recurrent binge eating and illicit substance use in a non-clinical sample of women over two years. Behav Sci (Basel) 7:46. https://doi.org/10.3390/bs7030046
Muehleck J, Richter F, Adametz L et al (2017) Häufigkeit von Komorbiditäten bei der stationären Behandlung von Essstörungen und Adipositas bei Mädchen und jungen Frauen. Psychiatr Prax 44:406–412
Mühleck J, Richter F, Bell L et al (2018) Regionale Inanspruchnahme des Versorgungssystems und Behandlungsprävalenz bei Essstörungen. Psychotherapeut 63:315–321. https://doi.org/10.1007/s00278-018-0290-4
Paur I (2003) Essstörungen in der hausärztlichen Versorgung – Eine Literaturübersicht. Z Allgemeinmed 79:228–233
Pickhardt M, Adametz L, Richter F et al (2019) Deutschsprachige Präventionsprogramme für Essstörungen – Ein systematisches Review. Psychother Psychosom Med Psychol 69(01):10–19. https://doi.org/10.1055/s-0043-124766
Reich G, Witte-Lakemann G, Killius U (2005) Qualitätssicherung in Beratung und ambulanter Therapie von Frauen und Mädchen mit Essstörungen. VR Unipress, Göttingen
Riedl B, Peter W (2017) Der kleine Patient – Kinder in der Hausarztpraxis. In: Riedl B, Peter W (Hrsg) Basiswissen Allgemeinmedizin. Springer, Berlin, Heidelberg, S 293–315
Straßburg H‑M (2009) Herkömmliche und neue U‑Untersuchungen beim Schulkind. In: Bitzer EM, Walter U, Lingner H, Schwartz FW (Hrsg) Kindergesundheit stärken. Springer, Berlin, Heidelberg, S 148–153
Treasure J (2001) Gemeinsam die Magersucht besiegen: Ein Leitfaden für Betroffene, Freunde und Angehörige. Beltz, Weinheim
Wesemann D, Grunwald M (2008) Onlineberatung für Betroffene von Essstörungen und deren Angehörige. Psychotherapeut 53:284–289
Wunderer E, Schnebel A (2006) Das Therapienetz Essstörungen. Integrierte Gesundheitsversorgung von PatientInnen mit Essstörungen. Forum Psychother Prax 6(1):31–33
Zeeck A, Herpertz S (2016) Diagnostik und Behandlung von Essstörungen Ratgeber für Patienten und Angehörige. Springer, Berlin, Heidelberg https://doi.org/10.1007/978-3-662-48173-8
Zipfel S, Wild B, Groß G et al (2014) Focal psychodynamic therapy, cognitive behaviour therapy, and optimised treatment as usual in outpatients with anorexia nervosa (ANTOP study): Randomised controlled trial. Lancet 383:127–137
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
J. Mühleck, S. Borse, E. Wunderer, B. Strauß und U. Berger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Studie wurde mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) und im Einklang mit nationalem Recht durchgeführt. Von allen Beteiligten, die an dieser Studie teilgenommen haben, liegt eine Einverständniserklärung vor.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Mühleck, J., Borse, S., Wunderer, E. et al. Online-Befragung zur Bekanntheit von Angeboten zur Aufklärung, Prävention, Beratung und Nachsorge bei Essstörungen. Präv Gesundheitsf 15, 73–79 (2020). https://doi.org/10.1007/s11553-019-00728-1
Received:
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11553-019-00728-1