Zusammenfassung
Hintergrund
Maßnahmen der Frühe Hilfen unterstützen Eltern in schwierigen Lebenssituationen und tragen in den ersten Lebensjahren zu einem gesünderen Aufwachsen von Kindern bei. In Berlin erhalten junge Familien über Begrüßungsprogramme nach der Geburt Gutscheine für gesundheitsfördernde und präventive Angebote der Frühen Hilfen. Ziel ist es, zur Inanspruchnahme der Angebote zu motivieren. In der Evaluationsstudie wurde der Zugang zu den Eltern für die Vergabe von Familiengutscheinen über die Begrüßungsprogramme, sowie die Inanspruchnahme der Angebote durch die Eltern und damit verbundene Barrieren untersucht.
Methode
Die Erhebung erfolgte in vier Berliner Bezirken mit Familiengutscheinprojekten. Im Rahmen eines Mixed-method-Designs wurden eine Dokumentenanalyse sowie leitfadengestützte Interviews mit Expert_innen durchgeführt. Den Analysen wurden die Kriterien für gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung des Kooperationsbunds Gesundheitliche Chancengleichheit als Kategoriensystem deduktiv zugrunde gelegt.
Ergebnisse
Die Begrüßungsprogramme bieten einen niedrigschwelligen Zugang, über den trotz verschiedener Barrieren 80-90% der jungen Familien zur Vergabe der Gutscheine erreicht werden. Jedoch bleibt unklar, wie vulnerable Familien identifiziert werden und ob sie von den Gutscheinen profitieren. In den Projekten sind Partizipation und Empowerment grundlegende Handlungsprämissen, die jedoch in ihrer Ausprägung weiterer Entwicklung bedürfen. Dementsprechend wurde keine systematische Nutzerbeteiligung in der Qualitätsentwicklung der Projekte vorgefunden.
Schlussfolgerung
Die Untersuchung bestätigt die Problematik eines effektiven Zugangs zu Eltern für Maßnahmen der Frühen Hilfen und des noch unzureichenden Einsatzes validierter Assessmentverfahren zur Identifikation der Zielgruppen. Auf der Grundlage der gewonnen Erkenntnisse wird empfohlen, im Rahmen eines systematischen Qualitätsmanagements das Assessment zur Identifikation vulnerabler Eltern zu optimieren und die Nutzer konsequent in die Weiterentwicklung der Familiengutscheinprojekte einzubeziehen.
Abstract
Background
Early Intervention programmes support parents in challenging living conditions and contribute to better child health in the first few years after birth. In Berlin, young families receive vouchers for health-promoting and preventive interventions via ‘Welcome Programs’ after birth. It is intended to motivate parents to take advantage of these programs.
Method
The survey was conducted in four districts of Berlin with family voucher projects. As part of a mixed-method design, a document analysis and interviews with experts were conducted. The research was based on the Criteria for good practice in health promotion addressing social determinants developed by the German cooperation network ‘Equity in Health’ (2015).
Results
The welcome programs provide low-threshold access, which reaches 80-90% of young families to award the vouchers. However, it remains unclear whether vulnerable families benefit from the vouchers. In the projects, participation and empowerment are fundamental principles for action, which however require further specification and development. Accordingly, no systematic user participation was found in the quality management of the projects.
Conclusion
It is recommended to optimize the assessment for identifying vulnerable parents and to consistently involve users in further development of the family voucher projects.
Literatur
Vorschrifteninformationssystem Berlin (2019) Berliner Datenschutzgesetz – BInDSG (2018). Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten in der Berliner Verwaltung. Fassung vom 13.06.2018. http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=DSG+BE+Inhaltsverzeichnis&psml=bsbeprod.psml&max=true. Zugegriffen: 5. Dez. 2018
Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (2017) Sozialgesetzbuch V. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/. Zugegriffen: 5. Dez. 2018
Döring N, Bortz J (2016) Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, 5. Aufl. Springer, Berlin
Eickhorst A, Schreier A, Brand C, Lang K, Liel C, Renner I, Neumann A, Sann A (2016) Inanspruchnahme von Angeboten der Frühen Hilfen und darüber hinaus durch psychosozial belastete Eltern. Bundesgesundheitsblatt. https://doi.org/10.1007/s00103-016-2422-8
Faas S, Landhäußer S, Treptow R, Lange A (2017) Familien- und Elternbildung stärken. Konzepte, Entwicklungen, Evaluation. Springer, Wiesbaden
Flick U (2011) Triangulation – Eine Einführung, 3. Aufl. VS, Wiesbaden
Frohlich KL, Potvin L (2008) The inequality paradox: the population approach and vulnerable populations. Am J Public Health 98:216–221
Hirschauer S (2006) Wie geht Bewerten? – Zu einer anderen Evaluationsforschung. In: Flick U (Hrsg) Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte Methoden Umsetzungen. Rowohlt, Reinbek
Jungmann T, Brand T (2012) Die besten Absichten zu haben ist notwendig, aber nicht hinreichend – Qualitätsdimensionen in den Frühen Hilfen. Prax Kinderpsychol Kinderpsychiatr 61:723–737
Kindler H (2009) Wie könnte ein Risikoinventar für Frühe Hilfen aussehen? In: Meysen T, Schönecker L, Kindler H (Hrsg) Frühe Hilfen im Kinderschutz. Juventa, Weinheim, S 173–211
von Kardorff E (2009) Qualitative Evaluationsforschung. In: Flick U, von Kardorff E, Steinke I (Hrsg) Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowohlt, Reinbek, S 309–318
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2015) Kriterien für Gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung
Mayring P (2002) Einführung in die qualitative Sozialforschung, 5. Aufl. Beltz, Weinheim
Mayring P (2007) Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 9. Aufl. Beltz, Weinheim
Meuser M, Nagel U (1991) Experteninterviews – Vielfach erprobt, wenig bedacht. In: Graz D, Krämer K (Hrsg) Qualitativ-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen. Westdeutscher Verlag, Opladen, S 441–471
Moore TG, McDonald M, Carlon L, O’Rourke K (2015) Early childhood development and the social determinants of health inequities. Health Promot Int 30:102–115
Seewald K (2013) Programme für werdende Eltern und Eltern mit Kindern von 0 bis 3 Jahren – Ein Überblick. In: Stange W, Krüger R, Henschel A, Schmitt C (Hrsg) Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Springer, Wiesbaden, S 84–90
Treptow R, Landhäußer S, Faas S (2012) Evaluation des Landesprogramms STÄRKE. Untersuchungskonzeption und Hauptergebnisse im Überblick. Universität Tübingen, Tübingen
Uwemedimo OT, Arora G, Russ CM (2016) New views on global child health: global solutions for care of vulnerable children in the United States. Curr Opin Pediatr 28:667–672
Walter U, Schwartz FW (2003) Prävention. In: Schwartz FW, Badura R, Busse R, Leidl R, Raspe H, Siegrist J, Walter U (Hrsg) Das Public Health Buch, 2. Aufl. Urban & Schwarzenberg, Jena, S 189–214
Funding
Die Untersuchung wurde durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin finanziert.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
M. Grieshop, J. Streffing, B. Bacchetta und D. Tegethoff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Der Beitrag beinhaltet keine von den Autorinnen durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Die Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der Evangelischen Hochschule Berlin wurden eingehalten.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Grieshop, M., Streffing, J., Bacchetta, B. et al. Familiengutscheine in Projekten der Frühen Hilfen. Präv Gesundheitsf 15, 122–128 (2020). https://doi.org/10.1007/s11553-019-00722-7
Received:
Revised:
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11553-019-00722-7