In verschiedenen Vergleichsstudien zwischen Insulin Detemir und weiteren langwirksamen Insulinen wie Glargin oder NPH-Insulin konnte beobachtet werden, dass Patienten unter Detemir zu weniger Gewichtszunahme neigen. In diesem Zusammenhang werden sowohl periphere Effekte im Sinne von geringen Blutzuckerschwankungen und Hypoglykämien als auch zentralnervöse Effekte diskutiert. Es ist bekannt, dass Insulin über einen aktiven Transportmechanismus das Gehirn erreicht und dort ein negatives, anorexigenes Feedback induziert. Dabei scheint Detemir durch seine pharmakologischen Eigenschaften die Blut-Hirn-Schranke leichter und schneller zu überwinden und kann dort insbesondere bei Personen mit zentralnervöser Insulinresistenz stärkere Effekte auslösen. Die vorliegende Studie wollte nun die ZNS-Effekte und die Regulation der Nahrungsaufnahme von Insulin Detemir im Vergleich zu Normalinsulin bei systemisch gleich wirksamen Insulindosen untersuchen.

Studiendesign und Ergebnisse

Für die Studie erhielten 15 gesunde, normalgewichtige Probanden im Alter von 29±1 Jahren in randomisierter Reihenfolge entweder einen euglykämischen hyperinsulinämischen Clamp mit Humaninsulin oder Insulin Detemir. Dabei wurde die kontinuierliche Detemir-Infusion doppelt so hoch gewählt wie das Normalinsulin, um der verzögerten Wirkung Rechnung zu tragen. Vor und während der Infusion wurden über ein EEG die Gehirnstrompotenziale aufgezeichnet und regelmäßig Blutproben entnommen. Nach Beendigung des Tests erhielten die Probanden ein standardisiertes Mittagessen, und der Nahrungsmittelkonsum und die Zusammensetzung der verzehrten Nahrung wurden erfasst. Zusätzlich wurden über psychometrische Skalen Hunger ebenso wie autonome Symptome und Wachheitsgrad erfasst.

Bezüglich der systemischen Wirkung wurden unter beiden Insulininfusionen keine Unterschiede beobachtet, die Verläufe von Blutzucker, C-Peptid und Glucagon waren identisch, und die Glukoseinfusionsrate unterschied sich nicht, d. h. die systemische Insulinwirkung war trotz unterschiedlicher Insulindosen vergleichbar. Im EEG zeigte sich jedoch unter Insulin Detemir ein signifikanter Negativ-Shift der Hirnpotenziale über allen kortikalen Bereichen bei gleichen Ausgangswerten, der am ehesten eine Veränderung der extrazellulären Ionenkonzentration an Gliazellen darstellen könnte. Darüber hinaus konsumierten die Probanden nach Detemir-Gabe signifikant weniger Nahrung (303±136 kcal Reduktion), insbesondere weniger Protein und Kohlenhydrate. Interessanterweise korrelierte das Ausmaß der Potenzialnegativierung der Hirnströme mit der Reduktion der Protein- und Kohlenhydrataufnahme, nicht aber mit der Gesamtenergieaufnahme. Dem gegenüber differierten die subjektiven Empfindungen für Hunger, Durst oder Müdigkeit nicht. Damit führt Insulin Detemir bei identischen systemischen Wirkungen auf den Blutzuckerspiegel zu ZNS-Veränderungen, die einen möglichen Mechanismus für eine reduzierte Nahrungsaufnahme nach Detemir-Gabe im Vergleich zu Humaninsulin darstellen.

Kommentar

Diese Studie zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass die beobachteten unterschiedlichen Gewichtseffekte von Insulin Detemir im Vergleich zu anderen langwirksamen Insulinen sicher nicht allein der anderen peripheren Anflutung geschuldet sind, sondern insbesondere auf ZNS-Effekten zu beruhen scheinen. Dies ist durch die besondere Formulierung und Pharmakokinetik von Detemir, die eine bessere Passage der Blut-Hirn-Schranke erlaubt, erklärbar. Auch in tierexperimentellen Studien konnte bei gleichen peripheren Effekten eine höhere Aktivierung des Insulinrezeptors im Hirn beobachtet werden. Diese Wirkung kann durch Normalinsulin nur durch eine Bolusinjektion der vergleichbaren Insulinmenge erzeugt werden, was wiederum für einen dosisabhängigen ZNS-Effekt spricht. Die vorliegenden Daten eröffnen neue Wege der pharmakologischen Beeinflussung von Nahrungsaufnahme und damit Gewichtsmanagement durch bereits therapeutisch genutzte Substanzen wie Insulin, die den Therapieeffekt weiter unterstützen könnten.