In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl psychosomatischer Zusammenhänge im Bereich der Diabetologie entdeckt. Psychosozialer Stress sowie subklinische und klinische psychische Störungen beeinflussen gleichermaßen den Lebensstil, das Selbstbehandlungsverhalten, die Stoffwechseleinstellung, aber auch die langfristige Prognose und Mortalität des Diabetes erheblich.

Paradigmatisch wurde vor allem die Beziehung zwischen Diabetes und Depression untersucht, was sich auch in der rasanten Zunahme der internationalen Publikationen zu diesem Thema widerspiegelt. Als ein zentrales Ergebnis der aktuellen Studienlage kann betrachtet werden, dass Diabetespatienten sowohl mit subklinischer als auch klinischer Depression eine deutlich erhöhte Mortalitätsrate gegenüber diabeteserkrankten Patienten ohne depressive Symptomatik aufweisen. Marc Peyrot spricht in seinem Editorial in Diabetes Care von „Depression: a quiet killer by any name“.

Die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Depression und Diabetes ist eine spannende Aufgabe, wofür auch der Umstand spricht, dass mit DIAMANT („Diabetes and Mental Aspects“) und DECODIA („Depression and cognition in diabetes. From neurobiological mechanisms to treatment strategies“) zwei der sieben Forschungsverbünde des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten „Kompetenznetzes Diabetes mellitus“ sich mit dem Zusammenhang von Diabetes und Depression beschäftigen. Auch in einem Versorgungsforschungsprojekt der Bundesärztekammer wird diese Fragestellung intensiv bearbeitet.

Depressionen erschweren die Modifikation des Lebensstils und die Durchführung der Therapie im Alltag

Die Assoziation Diabetes und Depression ist jedoch auch von unmittelbarer klinischer Relevanz, denn Depressionen erschweren die Modifikation des Lebensstils und die Durchführung der Therapie im Alltag. Gerade wegen der depressiven Problematik ist der Zugang zu diesen Patienten oft schwieriger und in der Praxis aus Zeitgründen oft limitiert. Für Patienten ist die Depression mit einer reduzierten Lebensqualität und oft einer schlechteren Blutzuckereinstellung und Folgekomplikationen des Diabetes verbunden. Menschen mit Diabetes sollte daher in der klinischen Praxis vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Eine aktuelle Studie der amerikanischen Arbeitsgruppe um Katon konnte erneut aufzeigen, dass die Kosten für die Behandlung von depressiven Diabetespatienten um ein Vielfaches höher liegen als bei Patienten ohne Depression. Allerdings konnte mit einem strukturierten Vorgehen („stepped care approach“) nicht nur eine deutliche Verbesserung der Depression, sondern auch eine Senkung der Behandlungskosten erreicht werden. Eine bessere Versorgung dieser Patienten könnte daher sowohl eine Verbesserung der Situation von Menschen mit einer Depression und Diabetes als auch gleichermaßen einen Beitrag zur Kostenreduktion bei einer großen Gruppe von Diabetespatienten leisten.

Voraussetzung dafür ist allerdings eine bessere Früherkennung und Therapie bei dieser Patientengruppe. In der Praxis werden noch immer weniger als 50% aller Menschen mit Diabetes und einer Depression diagnostiziert. In diesem Schwerpunktheft möchten wir Sie daher über die wichtigsten Zusammenhänge zum Thema Depression und Diabetes informieren und Ihnen die für die Praxis wichtigsten Fragen hinsichtlich der Erkennung und Behandlung depressiver Symptome und klinisch manifester Depressionen bei Menschen mit Diabetes beantworten.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!