Liebe Leserin und Leser,

das Thema Ernährung ist zur Zeit in „aller Munde“ . Das ist auch richtig so. Haben Sie sich einmal überlegt, wie viel wir während unserer Lebenszeit essen und trinken?

Bei einer angenommenen Lebenszeit von 80 Jahren und ca. 1 kg Essen sowie 1,5 l Flüssigkeit pro Tag summiert sich das auf ca. 25.000 kg feste Nahrung und ca. 40.000 l Flüssigkeit. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich durchaus lohnt, sich mit dem Effekt unserer Nahrung und deren Bestandteile auf die (intestinale) Gesundheit zu beschäftigen. Zudem begegnen uns immer mehr Menschen im Alltag und in der Praxis oder Klinik, die über Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien berichten. Aktuellen Schätzungen zufolge leiden 30 % der Bevölkerung an unerwünschten Reaktionen auf Lebensmittel.

Aktuellen Schätzungen zufolge leiden 30 % der Bevölkerung an unerwünschten Reaktionen auf Lebensmittel

Andererseits hat sich durch unseren „modernen“ Lebensstil mit Entstrukturierung des Tagesablaufs, Zeitknappheit und zunehmendem Außer-Haus-Verzehr die Ernährungsweise in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Hochverarbeitete Lebensmittel, meistens hergestellt aus kostengünstigen Rohstoffen, wie z. B. Mais, Weizen, Zucker und/oder Palmöl, in Kombination mit einer Vielzahl an Zusatzstoffen, decken bereits in Deutschland knapp die Hälfte des Energiebedarfs der Menschen. Häufig sind diese Lebensmittel ernährungsphysiologisch unausgewogen und erste Studien legen nahe, dass eine vermehrte Aufnahme hochverarbeiteter Lebensmittel mit einem erhöhten Risiko für metabolische Erkrankungen, aber auch für gastrointestinale Erkrankungen, wie Reizdarm, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, verbunden sind. Der ungünstige Effekt einer ungesunden Ernährung kann zum einen direkt durch einzelne Inhaltsstoffe, wie z. B. Konservierungsmittel, Allergene oder auch Emulgatoren, vermittelt werden oder aber auch durch Modulation des Mikrobioms und insbesondere des Metabioms. Die Zusammensetzung der Ernährung ist eine der wesentlichen Einflussgrößen auf die Zusammensetzung der Darmbakterien (Mikrobiom) und deren Stoffwechselprodukte (Metabiom). Die Bedeutung der Darmbakterien für die (intestinale) Gesundheit wird immer deutlicher.

Mit der vorliegenden Ausgabe möchten wir Sie in dieses Themenfeld mit Beiträgen zu verschiedenen Krankheitsbildern mit dem aktuellen Wissensstand und Entwicklungen einführen.

Studien zur Epidemiologie von Nahrungsmittelallergien in Deutschland, durchgeführt im Zeitraum 2008–2012, ergaben eine Lebenszeitprävalenz der Nahrungsmittelallergie von 6,4 % bei Frauen und 2,9 % bei Männern sowie für die Gesamtkohorte der Erwachsenen von 4,7 % (95 %-Konfidenzintervall 4,1–5,4). Damit ist diese eine häufige Entität.

Im Beitrag von Frau Prof. Zopf und Frau PD Dr. Dieterich (Erlangen) werden der Weg zur Diagnose und mögliche Probleme erörtert. Zudem wird das schwierige Bild der Histaminintoleranz besprochen. Neben Kopfschmerzen sind gastrointestinale Beschwerden ein Leitsymptom der Histaminintoleranz. Eine Diagnose, die in ihrer Bedeutung kontrovers diskutiert wird.

Eine weitere Erkrankung, die in den letzten Jahren zunehmend in das Bewusstsein der Gastroenterologie drängt, ist die eosinophile Ösophagitis. Mit einer Inzidenz von im Mittel 7,7 bei Erwachsenen und 6,6 bei Kindern pro 100.000 Einwohner und einer Prävalenz von im Mittel von 34,4 pro 100.000 Einwohner ist es ein Krankheitsbild, das letztendlich jedem gastroenterologisch Tätigen begegnet. Herr Dr. Hölz et al. (München) berichten über Ursache, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung, die im Wesentlichen auf einer allergischen Reaktion der Ösophagusschleimhaut auf Lebensmittelallergene beruht. Neben medikamentöser Therapien sind diätetische Maßnahmen Bestandteil der Therapie.

Meteorismus, abdominelle Schmerzen und rezidivierende Diarrhöen sind insbesondere in der Praxis häufige Symptome und können Ausdruck einer Dünndarmfehlbesiedlung sein. Unter einer Dünndarmfehlbesiedlung („small bowel [bacterial] overgrowth [syndrome]“, DDFB auch SIBO) versteht man eine bakterielle Falschbesiedlung des Dünndarms mit mehr als 105 Keimen pro ml. Auch hier wird ein Einfluss der Ernährung, insbesondere der Kohlenhydrate, postuliert. Herr Dr. Sellge (Bremen) führt in das Thema ein.

Das klassische Krankheitsbild, in dem Nahrungsbestandteile eine gastrointestinale Erkrankung auslösen, ist die glutensensitive Zöliakie. Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass im Durchschnitt etwa einer von 1000 Menschen in Deutschland von Zöliakie betroffen ist mit einer großen Dunkelziffer aufgrund der sehr unterschiedlichen Intensität der Symptome. Neuere Screeninguntersuchungen lassen vermuten, dass die Häufigkeit bei 1:200 bis 1:300 liegt. Aufgrund der Häufigkeit stellt sich die Frage nach einer einfachen und sensitiven Diagnostik als Basis für die diätetische Therapie der glutenfreien Ernährung. Frau PD Dr. Török und Herr PD Dr. Schumann (München/Berlin) diskutieren das Vorgehen anhand aktueller Studien.

Allen nahrungsmittelabhängigen Erkrankungen („adverse reaction to food“, ARF) ist gemeinsam, dass ihre Diagnose häufig auf einer Kombination aus anamnestischen Angaben und verschiedenen biologischen Markern besteht. Dieses erschwert die Diagnosestellung. Die diagnostische Differenzierung zwischen den einzelnen ARF-Untergruppen ist für die Therapie und diätetische Behandlung aber entscheidend, im klinischen Kontext jedoch nicht immer einfach. Ein Grund hierfür ist die zwischen den ARF-Subgruppen überlappende relativ unspezifische Symptomatik. Herr Prof. Sina (Lübeck) diskutiert, inwieweit hierzu die Integration von auf künstlicher Intelligenz (KI) basierten Ansätzen hilfreich ist.

Die verschiedenen Themen in dieser Ausgabe zeigen, dass Ernährung in der Gastroenterologie, aber auch darüber hinaus eine relevante Einflussgröße auf Gesundheit darstellt. Insbesondere als Gastroenterologinnen und Gastroenterologen sollten wir daher kompetente Ansprechpartner für unsere Patientinnen und Patienten in puncto Ernährung sein.

Wir hoffen, Sie mit dieser Ausgabe neugierig gemacht zu haben, sich weiter mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen.

Yurdaguel Zopf

Johann Ockenga