Hinführung zum Thema

Die Medizinrobotik birgt das Potenzial, chirurgische Eingriffe zu verbessern, indem hochpräzise Bewegungen und übermenschliche Perzeption durch die Technologie ermöglicht werden. Zudem gewährleistet innovative Medizintechnik die Digitalisierung des Operationssaals, die sichere und personalisierte Behandlung von Patienten und den effizienten Einsatz von medizinischem Personal und Ressourcen im Gesundheitswesen. Methoden des maschinellen Lernens versprechen insbesondere durch die Analyse großer Datenmengen die Verbesserung der Qualität von Diagnose und Behandlung sowie die aktive Unterstützung von Chirurgen.

Robotergestützte Chirurgie

Trotz der nur langsam ansteigenden Anzahl durchgeführter Operationen in Deutschland nimmt der Anteil robotisch assistierter Chirurgie stetig zu (Abb. 1). Allein der wohl bekannteste Chirurgieroboter Da Vinci (Intuitive Surgical Inc., Sunnyvale, CA, USA) wurde bisher mehr als 5500-mal installiert und in mehr als 7 Mio. Eingriffen verwendet. Die Medizinrobotik verspricht, durch Integration von hochpräzisen Sensoren und flexiblen aktiven Instrumenten die natürlichen Fähigkeiten der Chirurgin zu erweitern. Obwohl Chirurgieroboter erst in der letzten Dekade regulär in den Operationssälen Einzug erhielten, wurden schon in den 1980er-Jahren an robotischen Assistenzsystemen für die Chirurgie geforscht.

Schon in den 1980er-Jahren wurde an robotischen Assistenzsystemen für die Chirurgie geforscht

Das erste Konzept von ROBODOC (THINK Surgical®, Fremont, CA, USA) wurde im Jahr 1986 für die assistierte Hüftoperation vorgestellt. Im gleichen Jahr führte ein Programmable-Universal-Machine-for-Assembly(PUMA)-Roboter eine neurochirurgische Biopsie im Gehirn erfolgreich durch [10], wurde später für die transurethrale Resektion der Prostata verwendet [4] und wurde somit der Vorgänger des PROBOT (entwickelt am Imperial College London). Es folgten mehrere experimentelle Systeme für die telemanipulierte Chirurgie, bis im Jahr 2000 das Da-Vinci-System kommerzialisiert wurde und seitdem den Chirurgierobotermarkt anführt. Bei der unter dem Namen „Lindbergh Operation“ bekannt gewordenen Reihe von transatlantisch teleoperierten Cholezystektomien steuerte der Chirurg in New York einen Chirurgieroboter, der an Patienten in Strasbourg operierte [13]. Während Da Vinci, so wie viele Wettbewerber, für chirurgische Interventionen der Gynäkologie, der Urologie und der Allgemeinchirurgie genutzt werden, werden zurzeit vermehrt robotische Assistenten für andere medizinische Disziplinen zertifiziert und kommerzialisiert. Prominent vertreten ist dabei die Orthopädie, aber auch mikrochirurgische Systeme für Anwendungen in der Ophthalmologie oder der Neurochirurgie sowie Systeme für die Gastroenterologie.

Abb. 1
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Zunehmende Operationszahlen mit robotischer Unterstützung. a Operationen in Deutschland, b Operationen mit Operationsroboter. (Aus [29])

Chirurgieroboter sind unter verschiedenen Gesichtspunkten einzuordnen. Insbesondere ist bei der Konzeption, Entwicklung und Nutzung eines solchen Systems sicher zu stellen, dass der Chirurg durch ein robotisches System mit adäquater Automatisierung unterstützt wird. Die Wahl der Automatisierungsstufe richtet sich häufig nach Standardisierung des Eingriffs, Erfahrung des Chirurgs und Verfügbarkeit von Daten. Im Allgemeinen teilt man Chirurgieroboter in verschiedene Automatisierungsgrade. Die sog. Telemanipulation beinhaltet eine einseitig gerichtete, direkte Fernsteuerung eines Roboters durch den Operateur mittels Joysticks oder eines haptischen Steuerterminals und bezeichnet eine geringe Automationsstufe mit dem menschlichen Akteur als Unterbrecher des digitalen Informationstransfers. Ein zunehmendes Automationslevel zeigen Operationen auf, bei denen vorgeplante Prozeduren und programmierte Aktionen unter Sensoreinsatz automatisch vom Roboter durchgeführt werden. Vollautonome Operationen existieren zurzeit weitgehend in der Forschung und werden noch nicht regulär im Operationssaal eingesetzt. Dennoch verspricht der Einsatz von maschinellen Lernmethoden die wachsende Autonomie von Chirurgierobotern zur Durchführung von medizinischen (Teil‑)Prozessen.

Vollautonome Operationen werden noch nicht regulär im Operationssaal eingesetzt

Zudem unterscheiden sich Chirurgieroboter aufgrund ihrer mechanischen Struktur (Kinematik). Diese reichen von aus der Industrie bekannten Roboterarmen mit 6–8 Freiheitsgraden bis hin zu komplett flexiblen Systemen, den sog. medizinischen Kontinuumsrobotern. Im Gegensatz zu flexiblen Instrumenten, die inhärent sicher sind, müssen starre, robotisch geführte Instrumente jeweils um einen mechanischen Fixpunkt im Körper (Einschnitt) bewegt (pivotiert) werden, sodass kein Gewebe verletzt wird. Die Pivotierung kann entweder durch eine mechanische Fixierung mit eingeschränkten Freiheitgraden oder durch die Steuerungssoftware ermöglicht werden.

Robotische Assistenz

Die Medizinrobotik birgt das Potenzial, minimal-invasive chirurgische Eingriffe zu verbessern, indem hochpräzise Bewegungen skaliert und Interaktionskräfte gemessen werden können. Während minimal-invasive Telemanipulatoren und Navigationsassistenten vermehrt Einzug in den Operationssaal gefunden haben, befinden sich medizinische Kontinuumsroboter (Definition siehe Abschnitt „Flexible Chirurgieroboter und robotische Endoskopie“) und Kapselendoskope hauptsächlich in der Forschung.

Minimal-invasive Telemanipulatoren

Seit der Zulassung des Da-Vinci-Systems hat sich dieses zum Goldstandard der Medizinroboter entwickelt und sah lange Zeit kaum Konkurrenz. Da zurzeit viele der von Intuitive Surgical Inc. gehaltenen Patente auslaufen, drängen zunehmend Wettbewerber auf den Markt, um ihren Anteil am enormen Marktpotenzial von geschätzt 20 Mrd. US-Dollar im Jahr 2021 zu beanspruchen. Zu den bekanntesten Wettbewerbern mit Zulassung gehören Avatera (avateramedical, Jena, Deutschland), Senhance (TransEnterix, Morrisville, NC, USA) und Versius (CMR Surgical, Cambridge, Vereinigtes Königreich). Weitere sich in der Entwicklung befindende Chirurgieroboter, die in den nächsten Jahren ihre Zulassung erwarten, sind Hugo (Medtronic, Dublin, Irland), Dexter (DistalMotion, Lausanne, Schweiz) und Innovationen von der Fa. Verb Surgical, die 2015 durch einen Zusammenschluss der Technologiegiganten Google Alphabet (Mountain View, CA, USA) und Johnson & Johnson (New Brunswick, NJ, USA) entstand.

Die vorgestellten Medizinroboter stellen einen geringen Automatisationsgrad dar

Die hier vorgestellten Medizinroboter stellen im Allgemeinen einen geringen Automatisationsgrad dar, da sie durch einen Operateur von einer Konsole aus ferngesteuert werden (Abb. 2). Die Konsole skaliert die Handbewegungen der Chirurgin und überträgt diese an die robotischen Operationsinstrumente, die durch einen Trokar in den Körper eingebracht werden, um so hochpräzise Bewegungen zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Marktführer Da Vinci bieten einige robotische Systeme (z. B. Avatera; MiroSurge, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln, Deutschland; Senhance, TransEnterix) zusätzlich durch Anbringung von Kraftsensoren am distalen Ende des robotischen Instruments die Möglichkeit eines haptischen Feedbacks an den Chirurgen, um somit die taktile Wahrnehmung zu unterstützen.

Abb. 2
figure 2

a Avatera-System (Mit freundl. Genehmigung, ©Avatera Medical, Deutschland) und b Dexter (mit freundl. Genehmigung, ©Distal Motion, Schweiz)

Robotische Navigationsassistenten

Robotische Navigationssysteme unterstützen Chirurgen bei der präzisen Positionierung von chirurgischen Instrumenten und werden aufgrund der hohen Präzision insbesondere in der Neurochirurgie angewandt, so zum Beispiel der Stealth AutoguideTM (Medtronic, Dublin, Irland), ROSA ONE® (Zimmer Biomet, Warsaw, IN, USA) oder Neuromate® (Renishaw, Gloucestershire, Vereinigtes Königreich). Das in der Orthopädie genutzte MAKO-System (Stryker, Kalamazoo, MI, USA) plant präoperativ virtuelle Grenzen, die ein am Roboter befestigter und zugleich manuell geführter Fräser nicht überwinden kann. Intuitive Schnittstellen zum Chirurgen bilden bei robotischen Navigationssystemen oft haptische Informationen oder erweiterte Realität, indem chirurgische Bilder auf dem Bildschirm augmentiert oder Informationen in Datenbrillen dargestellt werden [17].

Flexible Chirurgieroboter und robotische Endoskopie

Im Gegensatz zu robotischen Systemen, die ein starres Instrument führen, versprechen flexible Instrumente eine höhere Manipulierbarkeit innerhalb enger Gefäße und Organe. Ein medizinischer Kontinuumsroboter bezeichnet daher ein ansteuerbares flexibles Instrument, das entlang kontinuierlicher Kurven bewegt werden kann, z. B. in der Endoskopie. Im Allgemeinen unterscheiden sich Kontinuumsroboter aufgrund der Anzahl ansteuerbarer Freiheitsgrade und der damit verbundenen Flexibilität der Bewegung sowie der intrinsischen oder extrinsischen Aktuierung. Zudem werden diese flexiblen Roboter mit Instrumenten oder Sensoren versehen, um Behandlung und Diagnose mit erhöhter Manipulierbarkeit innerhalb des Körpers durchzuführen.

Chirurgierobotern mit starren Instrumenten folgend nehmen nun endoluminale robotische Systeme für den klinischen Einsatz in der Gastroenterologie Einzug in den Operationssaal. Das Flex® Robotic System (Medrobotics, Raynham, MA, USA) besteht aus einem teleoperierten endoluminalen System, das in Studien für den transanalen und transoralen Eingriff untersucht wurde. Eine vergleichende Studie demonstriert eine vereinfachte Navigation beim kolorektalen Eingriff in der nichtlinearen Anatomie des Rektums sowie reduzierten Blutverlust und Operationszeiten mit dem Flex Robotic System im Vergleich zum Da Vinci Si [15]. Das Invendoscope (vormals Invendo Medical, Deutschland) wurde im Jahr 2017 von Ambu (Ballerup, Dänemark) übernommen und ist ein robotergestütztes, handgehaltenes Einwegkoloskop mit einer wiederverwendbaren Handbedienung, über die das automatische Einführen sowie die Verformung der Instrumentenspitze gesteuert wird [18]. Das CE-zertifizierte Endomina-System (Endo Tools Therapeutics, Gosselies, Belgien) ist über einen Joystick ansteuerbar und bietet einen flexiblen therapeutischen Kanal, der sich unabhängig vom Endoskop bewegen kann. Das Aer-O-Scope (GI View Ltd., Tel Aviv, Israel) und das Endotics-System (ERA Endoscopy, Peccioli, Italien) sind Systeme, die Aspekte der autonomen Fortbewegung für die Koloskopie aufweisen. Das innovative Aer-O-Scope besteht aus einem weichen, mehrlumigen Kanal mit einem integrierten pneumatischen Eigenantrieb. Wird das Instrument in das Rektum eingeführt, so wird ein Ballon nahe der Instrumentenspitze aufgeblasen, um einen luftdichten Abschluss mit dem Kolon zu bilden und eine raupenartige Bewegung zu ermöglichen.

Das Endotics-System weist Aspekte der autonomen Fortbewegung für die Koloskopie auf

Das Endotics-System besitzt eine lenkbare Spitze mit integrierter LED-Kamera, Insufflations- und Absaugkanal, die über ein Kabel von außen angesteuert wird. Das System verfügt über proximale und distale Verankerungen, sodass eine automatische raupenartige Bewegung ermöglicht wird. Neben den konventionellen Antrieben durch Kabel für flexible robotische Instrumente werden weiterhin neuartige Antriebskonzepte erforscht. Dies zeigt z. B. ein flexibles Koloskop, das durch einen externen robotisch geführten Magneten durch das Kolon bewegt wird und somit den Kontakt des Instruments mit der Darmwand minimiert, um Verletzungen vorzubeugen ([16]; Abb. 3).

Abb. 3
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Ein flexible Koloskop, das durch einen externen robotisch geführten Magneten durch das Kolon bewegt wird. (Mit freundl. Genehmigung, ©STORM Lab, University of Leeds, Leeds, Vereinigtes Königreich)

Weitere chirurgische Disziplinen profitieren von flexiblen robotischen Systemen. So ermöglicht z. B. die teleoperierte robotische Plattform MonarchTM (Auris Health Inc., Redwood City, CA, USA) die ferngesteuerte Biopsie der Lunge und ist mit einer endoskopischen Kamera, einer Lichtquelle, Zu- und Ablauf sowie einer Nadel oder Biopsiezange ausgestattet [14]. Auch für endovaskuläre Interventionen drängen robotische Systeme auf den Markt. Während die robotischen Systeme CorPath (Corindus Inc., Waltham, MA, USA) und R‑OneTM (Robocath, Rouen, Frankreich) den Führungsdraht und Katheter außerhalb des Patienten ansteuern, ermöglicht das Niobe-System (Stereotaxis Inc., Saint Louis, MO, USA) die automatisierte magnetische Steuerung der Katheterspitze für Interventionen im schlagenden Herzen.

Steuerbare Nadeln stellen eine weitere robotische Unterstützung für die Chirurgie dar

Sogenannte steuerbare Nadeln stellen eine weitere Möglichkeit der robotischen Unterstützung für die Chirurgie dar und werden insbesondere für die Leberchirurgie erforscht [6]. Diese asymmetrischen Nadeln können in weiches Gewebe eingeführt werden und ermöglichen durch gezielt kombinierte Translation und Rotation der Nadel eine Bewegung auf einem vorher definierten Pfad, während sie durch medizinische Bildgebung, wie Fluoroskopie, beobachtet und digital verfolgt werden kann.

Sonstige robotische Systeme

Kabellose robotische Systeme können aktiv innerhalb anatomischer Strukturen bewegt werden. Bei der robotischen Kapselendoskopie wird eine Kamerakapsel durch externe Magnetfelder und deren Gradienten bewegt und vom Chirurgen durch den Körper gesteuert. Oft werden verschiedene Funktionen miteinander kombiniert wie bei einer weichen Endoskopiekapsel, die Bilder aufnimmt und gleichzeitig eine Biopsie im Magen durchführt ([20]; Abb. 4).

Magnetisch aktuierte kabellose Systeme weisen den Vorteil der Miniaturisierung auf, da diese Roboter keine oder nur wenige bewegliche Bauteile beinhalten, sondern über externe Magnetfelder angetrieben sind und sich somit insbesondere für hochpräzise mikrorobotische Anwendungen eignen [24]. Durch Innovationen, wie Mikroroboter oder Anwendung sog. Smart Materials, wird in Zukunft die Art und Verfügbarkeit von robotischen Endoskopen und Instrumenten erweitert, um anatomische Barrieren in der Chirurgie zu überwinden und verbesserte Manipulierbarkeit zu gewährleisten.

Abb. 4
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Eine weiche Endoskopiekapsel, die Bilder aufnimmt und eine Biopsie im Magen durchführt. (Mit freundl. Genehmigung, ©Max Planck Institute for Intelligent Systems, Tübingen, Deutschland)

Vorteile von Medizinrobotern

In der Vergangenheit stellten die hohen Investitionskosten von chirurgischen Robotern ein großes Hindernis dar. Mit der in den letzten Jahren entstandenen Dynamik am Markt, getrieben vom Auslaufen der Patenrechte für das Da-Vinci-System, wird vermehrt Augenmerk auf die Vorteile der roboterassistierten Chirurgie gelegt. Im Allgemeinen beinhalten die Vorteile der robotisch assistierten Schlüssellochtechnologie für die Patienten einen reduzierten Blutverlust sowie geringere Traumatisierung des umliegenden Gewebes und schnellere Wundheilung. Chirurgen profitieren von verbesserter Arbeitssicherheit und Ergonomie sowie der vergrößerten Visualisierung des Operationssitus und präziser Manipulierbarkeit von chirurgischen Instrumenten. Somit können intelligente Systeme und robotische Instrumente die natürlichen Fähigkeiten der Chirurgen durch zusätzliche Sensorik und Aufbereitung von komplexen Daten erweitern.

Verbesserte Präzision durch Roboter

Generell verspricht die roboterassistierte Chirurgie eine verbesserte Präzision und Flexibilität der Instrumente. Werden Präzision und Geschwindigkeit von manuell und robotergestützten laparoskopischen Eingriffen miteinander verglichen, zeichnet sich die robotisch unterstütze Operation durch erhöhte Präzision aus, ist aber zugleich langsamer [28]. Ein weiterer Vorteil der roboterassistierten Chirurgie zeigt sich durch die Möglichkeit zum Skalieren von Instrumentenbewegungen und zum Filtern von ungewollten Bewegungen wie von menschlichem Tremor. So kann ein robotisches System aktive Unterstützung bei mikrochirurgischen Interventionen oder in kritischen Situationen leisten, in denen sehr kleine oder langsame Bewegungen der chirurgischen Instrumente benötigt werden. Zudem trägt in der Laparoskopie oder Endoskopie eine robotisch stabil gehaltene Kamera zur besseren Sichtbarkeit von Gefäßen und Organen und damit zur Qualität des Operationsergebnisses bei.

Verfügbarkeit von Informationen und Daten

Die digitale Anbindung von Chirurgierobotern an den Operationssaal ermöglicht nicht nur das Aufzeichnen von wichtigen Patienten- und Prozessdaten, sondern unterstützen chirurgische Entscheidungen durch maschinelle Lernverfahren. Zudem realisiert das sog. Telementoring die Einbindung internationaler Experten in Echtzeit. Durch Anzeigen der richtigen Informationen zur richtigen Zeit können Chirurgen bei komplizierten Operationen unterstützt werden. So können präoperative Computertomographieaufnahmen zum Patienten registriert werden, um ein Kamerabild durch Überlagerung von Daten und erweiterte Realität mit notwendigen Informationen zu ergänzen. Zudem ergänzt taktile Sensorik die natürliche Perzeption und ermöglicht das interoperative Anpassen von Interaktionskräften zwischen Instrument und Gewebe. Durch die zusätzliche Aufnahme von Patienten- und Prozessdaten wird zudem das Training von unerfahrenen Chirurgen unterstützt, da Qualität und Lernkurven quantitativ gemessen und evaluiert werden.

Sicherheit für den Chirurgen

Der Einsatz von Chirurgierobotern verbessert nicht nur die Patientensicherheit, sondern ermöglicht auch eine erhöhte Sicherheit für die Chirurgen durch verbesserte Ergonomie und eine Reduktion der Strahlenbelastung bei Interventionen mit intraoperativer Bildgebung. Beides wird durch die Nutzung einer geschlossenen (z. B. Da Vinci, Avatera) oder offenen (z. B. TransEnterix, Medtronic, CMR Surgical) Steuerkonsole bzw. der (Teil‑)Autonomie von Chirurgierobotern gewährleistet.

Kosten von robotergestützter Chirurgie

Ein wesentlicher und häufig diskutierter Nachteil der robotergestützten Chirurgie sind die hohen Kosten dieser Technologie. Eine Studie aus dem Jahr 2017 untersuchte die bei der robotisch gestützten und der offenen Hepatektomie entstandenen direkten variablen und fixen sowie indirekte Kosten [3]. Offensichtlich variieren die durchschnittlichen Kosten für die robotergestützte Chirurgie mit der Art der medizinischen Intervention, Standardisierung eines Prozesses und der Erfahrung des Roboterpiloten. Wie die robotergestützte Chirurgie ist die laparoskopische Chirurgie minimal-invasiv, benötigt aber für einfache Eingriffe geringere finanzielle Ressourcen [12].

Die Kosten für die robotergestützte Chirurgie variieren mit der Art der Intervention

Bezogen auf die Gastroenterologie existieren groß angelegte Untersuchungen, die die laparoskopische mit der robotischen kolorektalen Chirurgie vergleichen [1, 21]. Im Vergleich zu laparoskopischen Eingriffen ergab sich, dass die robotische Operation von Rektumkarzinomen 27–63 % niedrigere Konversionsraten zur offenen Chirurgie aufwiesen – ein Ergebnis, das nicht für Kolonkarzinome repliziert werden konnte. Bei der robotergestützten Resektion des Kolonkarzinoms verringerte sich die Liegedauer um 0,4–1 Tag gegenüber der laparoskopischen Operation. Infektionsraten, Morbidität und Mortalität von Patienten in beiden Gruppen sind vergleichbar, während die Operationsdauer der robotischen Eingriffe in beiden Studien um 21–37 % anstieg. Alle diese Faktoren beeinflussen die Kosten der robotergestützten Eingriffe immens, wobei mit kurzfristig zu erwartenden Fortschritten in der Technologie robotergestützte Eingriffe effizienter und damit auch ökonomisch sinnvoll werden.

Perspektive: kognitive Assistenzrobotik

In medizinischen Eingriffen und der Diagnostik fallen beachtliche Datenmengen an, die jedoch meist nicht weiterverwertet werden. Methoden des maschinellen Lernens (ML) ermöglichen es, diese Daten nach Aufbereitung nutzbar zu machen. Mustererkennung in annotierten Bilddaten der Dermatologie ist ein prominentes Beispiel [5]. Beim sog. bestärkenden Lernen werden Daten aus Interaktion mit der Umgebung gewonnen. Diese mächtigen Methoden stellen einen Trend des ML dar und es ist in naher Zukunft zu erwarten, dass diese auch für die Medizin nutzbar werden. So wurde beispielsweise während der Pandemie durch das „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) diese Methodik bei der Entwicklung von Wirkstoffen gegen das Virus eingesetzt [22]. Insbesondere in der Gastroenterologie ist zu erwarten, dass künftige robotische Systeme durch integrierte Sensorik erweitert werden, um große Datenmengen zu sammeln, die mittels Methoden des maschinellen Lernens ausgewertet werden können. Somit wird die mechanische Präzision von robotischen Endoskopen um maschinelle Kognition und datenbasierte Entscheidungshilfe erweitert.

Rein datenbasierte Entscheidungshilfen/Unterstützung

Im Jahr 2014 erhielt die erste datenbasierte Anwendung für Smartphones eine CE-Zertifizierung für die Risikoanalyse von Muttermalen und Läsionen (SkinVision, Amsterdam, Niederlande), die das Bewusstsein für Hautkrankheiten schärfen soll. Solche Anwendungen bergen das Potenzial, Hautkrebs früher und flächendeckend zu erkennen, als es aufgrund der begrenzten Anzahl dermatologischer Experten möglich ist. Datenbasierte Entscheidungshilfen werden jedoch nicht nur von Laien genutzt, sondern unterstützen auch medizinische Experten beim Bewerten komplexer Daten.

Tiefe neuronale Netze können Polypen in Echtzeit erkennen

Dies betrifft vor allem das Erkennen früher Anzeichen von Darmkrebs während Koloskopien in endoskopischen Bilddaten [27] und der Segmentierung von radiologischen Bilddaten [26]. Diese Assistenzsysteme sollen einerseits den Aufwand von arbeitsintensiven Eingriffen verringern und andererseits medizinische Experten unterschiedlicher Kompetenzstufen in der Diagnostik unterstützen [11]. Sogenannte tiefe neuronale Netze sind in der Lage, Polypen in Echtzeit zu erkennen [7]. Die erste kontrollierte und randomisierte Studie mit 1058 Patienten vergleicht ein lernendes System mit dem Behandlungsstandard. Dabei ergab sich eine signifikant höhere Erkennungsrate von Polypen kleiner als 10 mm in allen Segmenten des Dickdarms [25].

Kognitive Operationsrobotik

Ergänzend zu konventionellen, teleoperierten Chirurgierobotern steckt in der Automation von repetitiven chirurgischen Aufgaben noch signifikantes Potenzial zur Reduktion von physischer und kognitiver Last und somit für verbesserte Patientenversorgung. Verstärkt werden ML-Methoden eingesetzt, um Roboter von und mit Menschen lernen zu lassen (sog. kognitive Robotik). Demonstrationen von Experten können genutzt werden, robotischen Assistenten komplexe Aufgaben, wie das Einführen einer Nadel [9], beizubringen und chirurgische (Teil‑)Prozesse zu automatisieren. Ferner können gewünschte robotische Verhalten extrahiert werden, um somit z. B. eine autonome Kameraführung zu schaffen, die aus eigenen Erfahrungen lernt und somit ihr Verhalten für zukünftige Eingriffe optimiert [2]. Dabei beschränkt sich die Forschung nicht nur auf starre Instrumentation, wie die autonome Steuerung von flexiblen Kathetern [8] oder ein Koloskoproboter, der sich aufgrund erlernter Rotationsbewegungen durch das Kolon bewegt [23], zeigen. Bei lernenden Systemen stellt die Verarbeitung von Sensordaten, z. B. chirurgische Bilddaten, eine große Herausforderung in der Entwicklung autonomer chirurgischer Systeme dar. Nur eine ausgereifte Wahrnehmung der Umgebung (z. B. semantische Segmentierung von chirurgischen Werkzeugen und Organen in Endoskopbildern [19]) bildet die Basis für sichere autonome Chirurgie- und Endoskopieroboter (Abb. 5).

Abb. 5
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Semantische Segmentierung in Endoskopbildern und kognitiver Medizinroboter am Karlsruher Institut für Technologie (Karlsruhe, Deutschland)

Limitationen von kognitiver Chirurgierobotik

Lernende Systeme ermöglichen, dass das Erlernte eines Systems auf andere übertragen werden kann, und sind deshalb sehr effizient und zukunftsträchtig. Jedoch werden diese Maschinen den Chirurgen nicht ersetzen, sondern ihn in seinem eigenen Können unterstützen, z. B. durch die Automatisierung von repetitiven und standardisierten (Teil‑)Aufgaben. Die inhärente „Blackbox“-Natur aktueller lernender Systeme stellt einen stark limitierenden Faktor dar. Auch wenn das gelernte Verhalten solcher Systeme intelligent zu sein scheint, basiert es im Kern auf Mustererkennung, die nur so gut ist, wie die verfügbaren Daten. Abstraktionsfähigkeit und die Fähigkeit zur kreativen Lösungsfindung, die einen wichtigen Teil menschlicher Intelligenz darstellen, fehlen den Systemen komplett. Eine Zertifizierung lernender Systeme stellt demnach eine signifikante Hürde für die klinische Translation dar. Insbesondere ethische Fragestellungen wie „Wie gut muss Kollege Roboter operieren?“ und „Wer trägt die Verantwortung?“ dürfen in diesem Prozess nicht vernachlässigt werden.

Fazit für die Praxis

  • Chirurgieroboter erobern den Markt mit unterschiedlichen Automatisierungsgraden. Es existieren aber (noch) keine Systeme, die vollautonom operieren.

  • Robotische Chirurgie- und Endoskopieassistenten weisen unterschiedliche Dimensionen, Kinematik und Unterstützungsgrade auf. Sie müssen auf das jeweilige Einsatzgebiet angepasst werden.

  • Die nächste Generation robotischer Assistenten stellen sog. kognitive Chirurgieroboter dar, die den Chirurgen bei (Teil‑)Aufgaben autonom unterstützen können.

  • Bei der (Ko‑)Operation mit Robotern sind das menschliche Abstraktionsvermögen und kreative Lösungsfindung essenziell, während der Roboter mit höchster Präzision sowie durch Verfügbarkeit und Vernetzung von Daten unterstützt.

  • Experten sollten die Entwicklung von intelligenten Chirurgierobotern mit ihrer Expertise unterstützen, um Assistenzsysteme effizient, sicher und mit einem Mehrwert für Patienten und Ärzte zu gestalten.