Wenige medizinische Themen erfahren in der Öffentlichkeit eine so kontroverse Diskussion wie die Transplantationsmedizin in Deutschland. Dies ist außergewöhnlich, da in vielen anderen westlichen Ländern ein hoher gesellschaftlicher Konsens besteht. Das übergeordnete Problem in Deutschland ist der Mangel an postmortalen Organspenden, ein Thema, das Prof. H.J. Schlitt, Klinik und Poliklinik für Chirurgie des Universitätsklinikums Regensburg, zusammen mit Kollegen für diese Ausgabe des „Gastroenterologen“ detailliert aufarbeitet. Die Herausgeber hoffen, dass Publikationen wie die von Schlitt et al. Einfluss auf die Entscheidungsträger im Deutschen Bundestag nehmen und evidenzbasiert zu einer besseren rechtlichen Regelung in Deutschland führen. Mehr Organe führen zu einer höheren Lebenserwartung vieler tausend Patienten, die auf Wartelisten auf die Allokation eines Organs warten. In vielen Bereichen regen Schlitt et al. ein deutliches Umdenken an, weg vom sehr negativen und vom Misstrauen geprägten Denken bezüglich der Organspende und Transplantation in großen Teilen der Medien und der Bevölkerung. Er geht darüber hinaus auf die Problematik der dringlichkeitsbasierten Allokation von Organen ein und auf die Gründe, warum diese nicht zu einer besonders gerechten und vor allem nicht effizienten Verteilung der wenigen verfügbaren Organe führt.

Frau Prof. K. Herzer und Frau Prof. U. Eisenberger, beide vom Universitätsklinikum Essen, gehen in ihrem Übersichtsbeitrag auf die Möglichkeit ein, Hepatitis B Virus(HBV)- bzw. Hepatitis C Virus(HCV)-infizierte Spenderorgane bei der Leber- und Nierentransplantation zu verwenden. Da es sich bei der Hepatitis C um eine heute auch nach Transplantation in nahezu allen Fällen heilbare Erkrankung handelt, weisen die Autoren eindringlich darauf hin, dass mit der Revolution im Bereich der Therapie der chronischen Hepatitis C auch im Bereich der Organallokation ein Umdenken indiziert ist.

Primäre und sekundäre Lebertumoren sind häufige onkologische Erkrankungen mit ansteigender Inzidenz. Auf den aktuellen Stand der Lebertransplantation bei primären Lebertumoren und Lebermetastasen geht Prof. F. Braun vom Universitätsklinikum Kiel zusammen mit Dr. A. Bernsmeier ein. Während die Indikation für das hepatozelluläre Karzinom bereits gut definiert ist, besteht großer klinisch-wissenschaftlicher Studienbedarf für die Indikation zur Transplantation bei cholangiozellulären Karzinomen, hepatisch metastasierten neuroendokrinen Tumoren und auch bei irresektablen kolorektalen Lebermetastasen.

Multiviszeraltransplantationen werden in Deutschland selten durchgeführt. Ihre Indikationsstellung ist immer eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der meist multiplen Grunderkrankungen des Patienten. Die Arbeitsgruppe um Prof. U. Settmacher von der Klinik für Allgemein‑, Viszeral- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Jena beschreibt in ihrem Beitrag die Indikationen, Technik und das klinische Outcome bei diesen komplexen multiviszeralen Transplantationen.

Die aktuellen Aspekte der Immunsuppression nach Transplantation solider Organe stellen Priv.-Doz. M.-W. Welker und Prof. A. Schnitzbauer vom Leberzentrum des Universitätsklinikums Frankfurt in ihrem Beitrag dar. Die Immunsuppression nach Organtransplantation stellt eine der großen medizinischen Erfolgsgeschichten dar und ist weiterhin eine der wichtigsten Ecksteine in dem Kurz- und Langzeiterfolg von Organtransplantationen. Dieser Beitrag stellt eine Pflichtlektüre für alle Kolleginnen und Kollegen dar, die Patienten nach einer soliden Organtransplantation (mit-)betreuen.

Im 6. und letzten Beitrag dieses Schwerpunkthefts beschreibt Prof. H. Lang zusammen mit seinen internistischen Kollegen der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Mainz das Spektrum der Langzeitkomplikationen nach viszeraler Organtransplantation. Es handelt sich hier um ein breites Themenspektrum von Rekurrenzen der Grunderkrankung, infektiösen, immunologischen, metabolisch-kardiovaskulären bis hin zu malignen Erkrankungen. Der Beitrag unterstreicht, dass die Langzeitbetreuung organtransplantierter Patienten in den Händen von erfahrenen Fachärzten verbleiben sollte.

Die Herausgeber hoffen, dass dieses Schwerpunktheft einen inhaltlich abgewogenen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion zum Thema Transplantationsmedizin darstellt und auch für alle Spezialistinnen und Spezialisten in der Betreuung von Patientinnen und Patienten nach solider Organtransplantation eine Aktualisierung ihres Wissens darstellt.

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Prof. Dr. med. Stefan Zeuzem

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Prof. Dr. med. Guido Gerken