Eine Übersicht über typische Komplikationen des akuten Leberversagens gibt Abb. 1. Die allgemeinen therapeutischen Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, diese Komplikationen zu vermeiden oder rechtzeitig zu erkennen und konsequent zu behandeln [3].
Grundpfeiler in der Therapie des akuten Leberversagens sind [2, 3, 4]:
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intensivmedizinische Überwachung, insbesondere von Kreislauf, Stoffwechsel (Blutgasanalyse) und neurologischem Status;
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N-Acetylcystein (NAC), auch beim nichtparacetamolinduzierten Leberversagen, bei Patienten mit niedriggradiger Enzephalopathie (Grad 1–2) als intravenöses Schema: 150 mg/kgKG in 5 %iger Glukose für 1 h, danach 12,5 mg/kgKG über 4 h, danach 6,25 mg/kgKG über 67 h [9, 10];
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Volumenausgleich mittels kristalloider Lösung;
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Vermeidung einer Hyponatriämie und ggfs. langsamer Ausgleich auf ein Serumnatrium von 140–150 mmol/l;
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Glukoseausgleich bei Hypoglykämie mittels Glukoseinfusionen, Ziel: 140 mg pro Tag;
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regelmäßiges mikrobiologisches Sampling und frühzeitige Antibiotika-/Antimykotikagabe, aber keine prophylaktische Antibiose;
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bei schwerer metabolischer Acidose und/oder refraktärer Hyperlaktatämie frühzeitiger Beginn eines extrakorporalen Verfahrens (wie z. B. kontinuierliche Nierenersatztherapie oder Plasmapherese);
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keine routinemäßige Gabe von Gerinnungsprodukten, wie „fresh frozen plasma“ (FFP), Prothrombinkonzentrat (PPSB) und Einzelfaktoren, ohne Evidenz einer relevanten Blutung;
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bei Zeichen einer Blutung (oder Blutungsneigung) oder Thromboembolie differenzierte Gerinnungsdiagnostik (z. B. Rotem®-Analyse, Tem International GmbH, München Deutschland) und bedarfsgerechte Substitution;
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bei hepatischer Enzephalopathie: ruhige Umgebung, Oberkörperhochlagerung (30°) und ggfs. Intubation, Analgosedation und mechanische Beatmung (bei HE >3°).
Eine aktuelle prospektive multizentrische Studie hat den Stellenwert der Plasmapherese
beim akuten Leberversagen untersucht. Es erhielten 182 Patienten entweder Standardbehandlung (n = 90) oder über 3 Tage jeweils eine Behandlung mit komplettem Plasmaaustausch gegen FFP (n = 92). Dabei zeigte sich ein Überlebensvorteil der plasmapheresebehandelten Patienten, die keine Lebertransplantation erhielten oder erhalten konnten [11]. Patienten, die eine Lebertransplantation erhielten (oder dafür gelistet wurden), profitierten nicht signifikant von der Plasmapherese [11].
Eine Hyponatriämie bei Patienten mit akutem Leberversagen ist mit einem erhöhten Hirndruck assoziiert. In einer kleinen prospektiven randomisierten Studie zeigten Patienten, deren Serumnatrium mittels hypertoner Kochsalzlösung auf Werte zwischen 145–155 mmol/l angehoben wurden, eine geringere Inzidenz von erhöhtem intrakraniellen Druck [12]. Aus der perioperativen Medizin ist allerdings bekannt, dass eine Hypernatriämie
(>150 mmol/l) auch Zellschäden verursachen kann. Daher sollte im Management des akuten Leberversagens eine Hyponatriämie vermieden und ggfs. langsam (<10 mmol/l Erhöhung pro 24 h) auf einen Zielbereich von 140–150 mmol/l ausgeglichen werden [13].
In einer weiteren aktuellen prospektiven Arbeit wurden 46 Patienten mit akutem Leberversagen und hochgradiger hepatischer Enzephalopathie hinsichtlich eines protektiven Effekts einer Hypothermie
untersucht. Es zeigte sich kein Unterschied bezüglich des intrakraniellen Drucks oder des Überlebens zwischen Patienten, die auf 33–34 °C gekühlt wurden, im Vergleich zu 36 °C Körpertemperatur [14]. Etablierte Maßnahmen zur Therapie der hochgradigen hepatischen Enzephalopathie beim akuten Leberversagen sind Mannitol (20 %; 150 ml) oder hypertone Kochsalzlösung (2,7 %; 200 ml oder 30 %; 20 ml) über 20 min intravenös sowie die kurzzeitige Hyperventilation [3].
Ursachenspezifische Therapieoptionen
Einige Entitäten des akuten Leberversagens erlauben eine ursachenspezifische Therapie (Tab. 5). Ein klassisches Beispiel ist die Paracetamolintoxikation
, die akzidentell oder suizidal erfolgen kann. Ab einer eingenommenen Menge von 10–12 g ist bei Erwachsenen in der Regel mit einer deutlichen Lebertoxizität zu rechnen. Unter bestimmten Bedingungen, wie gleichzeitiger Alkoholkonsum, Fasten, genetische Polymorphismen, Einnahme von interagierenden Medikamenten oder vorbestehende Lebererkrankung, können aber schon viel niedrigere Paracetamoldosen ein akutes Leberversagen auslösen [4]. N‑Acetylcystein (NAC, ACC) stellt intrazellulär Glutathion zur Verfügung, das zur schnellen Detoxifizierung des eigentlichen toxischen Metaboliten (N-Acetyl-p-benzochinonimin, NAPQI) benötigt wird [15]. Die Therapie besteht aus der intravenösen Gabe von NAC in Form eines Reduktionsschemas (NAC: 150 mg/kgKG in 200 ml 5 %ige Glukoselösung für 15 min, danach 50 mg/kgKG in 500 ml über 4 h, gefolgt von 100 mg/kgKG in 1000 ml über 16 h; [16]).
Tab. 5 Ursachenspezifische Behandlungsmöglichkeiten beim akutem Leberversagen
Für die Therapie anderer Ursachen des akuten Leberversagens gibt es wegen der Seltenheit des Krankheitsbilds keine randomisierten Studien, aber retrospektive Auswertungen. So kann durch die frühzeitige antivirale Therapie der hochvirämischen schweren akuten Hepatitis B mit Entecavir oder Tenofovir die Notwendigkeit einer Lebertransplantation vermieden werden [17]. Bei schwangerschaftsassoziiertem akutem Leberversagen ist die rasche Geburtseinleitung notwendig [4].
Leberunterstützungsverfahren
Maschinelle Leberunterstützungsverfahren (z. B. Bilirubinadsorption, Molecular Adsorbent Recirculation System [MARS®], Baxter, Deerfield, IL, USA oder Prometheus®-System, Fresenius Medical Care, Bad Homburg, Deutschland), umgangssprachlich oft Leberersatzverfahren genannt, sind keine etablierten Therapieoptionen zur Behandlung des akuten Leberversagens [18, 19]. Ihr Einsatz sollte derzeit nur im Rahmen von klinischen Studien erfolgen [4]. Ein berechtigter Kritikpunkt an positiven Fallserien zum Einsatz von Leberunterstützungsverfahren ist, dass diese Methoden nicht direkt mit konventionellen oder erweiterten Dialyseverfahren
verglichen wurden, die ja ebenfalls positive Auswirkungen (z. B. bezüglich der Hämodynamik) auf den Verlauf des akuten Leberversagens haben können.
Lebertransplantation
Die Lebertransplantation ist die definitive Therapie des akuten Leberversagens. In Deutschland werden etwa 10 % aller Lebertransplantationen aufgrund eines akuten Leberversagens durchgeführt [20]. Als Prognosekriterien
für die Indikation zur High-urgency-(Notfall‑)Lebertransplantation werden die King’s-College-Kriterien (paracetamol- und nichtparacetamolbedingtes Leberversagen) und die Clichy-Kriterien (bei Empfängern mit viraler Hepatitis) herangezogen (Tab. 6; [20]).
Tab. 6 Indikationen zur High-urgency(HU)-Lebertransplantation beim akutem Leberversagen
Neben der Erfüllung der Prognosekriterien für eine Lebertransplantation ist eine multidisziplinäre Evaluation des Patienten durch ein erfahrenes Team unabdingbar. Hierbei müssen der zu erwartende natürliche Verlauf des akuten Leberversagens, spezifische Risiken der Transplantation und das zu erwartende Langzeitergebnis
vor dem Hintergrund patientenspezifischer Charakteristiken, wie Alter, Komorbiditäten und Compliance, sorgfältig gegeneinander abgewogen werden [1, 7, 20].
Derzeit gibt es große Forschungsanstrengungen, um die noch immer kritische Prognose des akuten Leberversagens zu verbessern. Möglicherweise können neue Biomarker oder Prognosescores die Notwendigkeit zur Lebertransplantation besser vorhersagen, um nichtnotwendige Transplantationen oder Todesfälle zu vermeiden und somit die Organallokation
zu optimieren [21]. Darüber hinaus könnten neue Therapieansätze, die z. B. überschießende Inflammation oder ungenügende Regeneration beeinflussen, in Zukunft die Prognose dieses Krankheitsbilds entscheidend verbessern [15].