Der gesunde, funktionierende Verdauungstrakt spielt für den Menschen eine mitentscheidende Rolle für sein persönliches Wohlbefinden, sein Lebensgefühl und sein Selbstverständnis. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen (Sprichwort), aber nur so lange keine Probleme auftreten. Wie sehr man eingeschränkt sein kann, erfährt man in der Regel erst, wenn Erkrankungen wichtige Vitalfunktionen des Verdauungstrakts beeinträchtigen oder sogar außer Kraft setzen. Es ist natürlich schon lange bekannt, dass bei vielen Krankheiten, seien sie akut oder chronisch, Auswirkungen auf die Nachbarorgane oder andere Körpersysteme nicht ausbleiben und umgekehrt: Störungen oder krankheitsbedingte Probleme an anderen Organen haben häufig einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Gastrointestinaltrakt und können sogar eine primäre Erkrankung des Verdauungssystems vortäuschen. So muss es naturgemäß den Gastroenterologen interessieren, wann, wie und warum er mit solchen Interaktionen zu rechnen hat.

Störungen anderer Organe beeinflussen oft auch den Gastrointestinaltrakt

Wir haben uns in diesem Heft die Aufgabe gestellt, diese wichtigen Wechselbeziehungen durch auf ihrem Gebiet hochkompetente Experten darstellen zu lassen und damit die Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen. Die Herausgeberschaft dieses Heftes durch eine Internistin mit rheumatologischem und nephrologischem Schwerpunkt und einen Internisten mit gastroenterologischer Fachrichtung spiegelt dieses ambitionierte Vorhaben wider. Gerade der Gastroenterologe sieht sich bei aller Begeisterung für seinen Schwerpunkt in erster Linie auch als Internist, dem diese Zusammenhänge wichtig und für seine tägliche Arbeit notwendig sind. Dies ist in der ambulanten Praxis genauso von Bedeutung wie im stationären Bereich, hat doch eine Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) gerade erst gezeigt, dass eine relativ große Zahl von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung von Internisten mit gastroenterologischem Schwerpunkt geleitet wird.

In 5 Beiträgen werden diese Wechselbeziehungen systematisch besprochen. Das Endokrinium hat einen beträchtlichen Einfluss auf das Verdauungssystem, sei es durch Störungen der Schilddrüse, v. a. bei deren Überfunktion, oder durch endokrin aktive Tumoren. Obstipation und/oder Diarrhöe können hier richtungsweisende Leitsymptome sein, v. a., wenn andere klassische Symptome fehlen.

Die zentrale Rolle des kardiovaskulären Systems ist unbestritten. Allerdings sind intestinale Durchblutungsstörungen, z. B. die Mesenterialischämie im Rahmen einer allgemeinen Atherosklerose, ein häufig klinisch verkanntes Problem ebenso wie Auswirkungen der Herzinsuffizienz auf Magen und Leber (Stauungsgastritis und -leber). Im Vordergrund des klinischen Alltags stehen aber die Nebenwirkungen der medikamentösen kardiologischen Therapie durch blutverdünnende Medikamente, die den Gastroenterologen nicht selten zum Notfalleinsatz, z. B. beim Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung, zwingen.

Auch der Diabetes hat in wechselnder klinischer Expression Auswirkungen auf den Verdauungstrakt. Die symptomatische diabetische Gastroparese ist ein beredtes Beispiel für die komplikative diabetische Neuropathie. Ihre Behandlung ist schwierig und erfordert das ganze Rüstzeug interdisziplinärer Kooperation. Seit neuestem steht aber auch das Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms in der Diskussion, was in ganz besonderem Maße auch für das metabolische Syndrom gilt.

Manch ein Patient fand erst über rheumatologische Symptome seinen Wege zur gastroenterologischen Primärdiagnose, da diese Beschwerden ganz im Vordergrund standen und andere gastrointestinaltraktbezogene Symptome entweder nicht vorhanden waren oder in den Hintergrund gedrängt wurden. Der M. Whipple ist dafür ein klassisches Beispiel. Die Wechselbeziehungen zwischen Krankheiten des Verdauungstrakts und Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis sind z. T. hochkomplex und bedürfen v. a. einer sorgfältigen Anamnese und klinischen Untersuchung. Enteropathische Arthritiden bei entzündlichen Darmerkrankungen unterliegen als Systemerkrankungen einer gemeinsamen Immunpathologie, die auch häufig zu analogen immuntherapeutischen Ansätzen führt.

Hautsymptome können durch Krankheiten des Gastrointestinaltrakts verursacht sein

Krankheiten des Gastrointestinaltrakts hinterlassen mitunter auch charakteristische Spuren an der Haut. Das Erythema nodosum ist ein typisches Beispiel hierfür, bei welchem in der Regel sofort eine entzündliche Darmerkrankung differenzialdiagnostisch mitbedacht wird. Allerdings sind die Zusammenhänge häufig keineswegs so klar, so dass es mitunter eines nicht unbeträchtlichen diagnostischen Spürsinns bedarf, um die endgültige Diagnose zu sichern.

Das vorliegende Heft erhebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll eine Aktualisierung und Vertiefung bereits vorhandener Kenntnisse bieten und dort Neues aufzeigen, wo sich in den letzten Jahren neue Entwicklungen abzeichneten. Wir sind den Autoren ganz besonders dankbar, dass sie sich dieser Aufgabe so erfolgreich stellten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir hoffen, dass wir mit diesem Strauß an Informationen das Interesse der Gastroenterologen für diese Thematik wecken und die Bedeutung der Wechselbeziehungen von Erkrankungen des gastroenterologischen und rheumatologischen Formenkreises auf die jeweiligen Organe deutlich machen konnten.

Elisabeth Märker-Hermann

Jürgen F. Riemann