Ein Editorial ist eine gute Gelegenheit, mit wenigen Kernsätzen auf die Situation des eigenen Fachgebietes – hier Kinder- und Jugendgastroenterologie – hinzuweisen. Zudem eröffnet sich die Chance, Mitstreiter für die nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versorgung von chronisch gastroenterologisch kranken Kindern und Jugendlichen zu finden.

In diesen Kontext passt ein Dank seitens der Autoren dieses Heftes an den Herausgeber, Prof. Riemann, für die Gelegenheit, auf einige Themen aus der Kinder- und Jugendgastroenterologie aufmerksam machen zu können.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“

Im Beitrag von Christine Prell und Sibylle Koletzko wird diese Aussage am Beispiel des gastroösophagealen Refluxes bzw. der Refluxkrankheit ganz deutlich. Bei Erwachsenen gibt es diesbezüglich noch großen pathophysiologischen Klärungsbedarf. Bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen ist dies keineswegs anders. Die „Regel“ ehemaliger Oberschwestern „Speikinder sind Gedeihkinder“ ist längst nicht mehr haltbar. Kein Mensch ist zu klein für eine sorgfältige und klärende Diagnostik. Spezialisierten Kinderärzten (Kindergastroenterologen) gelingt es am ehesten, zwischen Funktionsstörung und Krankheit zu differenzieren – das wird im Beitrag deutlich.

Voneinander lernen …

Die Endoskopie und besonders endoskopische Interventionen sind beispielhaft dafür, dass Kindergastroenterologen von den Kollegen aus der internistischen Gastroenterologie gelernt haben; profitiert davon haben in allererster Linie die jungen Patienten. Ein Kindergastroenterologe kann in seiner Breite nur so gut sein, wie seine Kooperation mit den Kollegen aus der Erwachsenengastroenterologie funktioniert.

Der Beitrag über Zöliakie von Klaus-Peter Zimmer zeigt sehr anschaulich, dass voneinander lernen keine Einbahnstraße sein muss. Wesentliche pathophysiologische und immunologische Erkenntnisse dieser Autoimmunkrankheit sind von engagierten Kinderärzten erarbeitet worden. Die auch in der Inneren Medizin/Gastroenterologie mehr und mehr Platz greifende Nomenklatur dieser Krankheit (Zöliakie statt Sprue) untermauert dies. Die vielfältigen klinischen Verlaufsformen der Zöliakie bei Kindern aller Altersgruppen (und Erwachsenen) und ihre Immunphänomene machen diese Krankheit zu einem interessanten Modell für die notwendige Kooperation von Gastroenterologen – ob für Kinder oder Erwachsene.

Gleiches gilt für die chronische Hepatitis, thematisiert im Beitrag von Stefan Wirth. Die relative Seltenheit dieser Krankheit und der nach wie vor unbefriedigende Wissensstand legen nahe, eine zentralisierte Medizin für erkrankte Kinder zu favorisieren. Zumindest sollte ein Kinderhepatologe in die Langzeitbetreuung betroffener Patienten involviert werden – m.E. ist dies eine (ungeschriebene) Minimalforderung des sehr instruktiven Beitrags.

Gute Medizin ist nur in guten Strukturen möglich

Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) gibt es in Deutschland keine guten, geschweige denn optimale Betreuungsstrukturen. Dass sich der Phänotypus von CED bei Kindern und Erwachsenen durchaus differenziert darstellt, ist mittlerweile zwar Konsens. Sowohl für Kindergastroenterologen als auch für die Kollegen der Erwachsenenmedizin gibt es aber eine Reihe von Gründen, künftig stärker zu kooperieren:

  • CED bei Kindern und Jugendlichen nehmen in den Industrienationen deutlich zu, der Erkrankungszeitpunkt verschiebt sich in immer jüngere Lebensphasen.

  • Für die besondere Dynamik des Kindes- und Jugendalters (Wachstum, Entwicklung, Pubertät) stellt eine schlecht behandelte CED ein erhebliches, teilweise irreversibles Risiko- und Gefahrenpotenzial dar.

  • Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollten so schnell wie möglich patientenwirksam werden – für Kinder ist dies essenziell, wenn sie eine Chance für eine hinreichend normale Kindheit und Pubertätsentwicklung haben sollen.

Transition, d. h. die Übergabe und die Übernahme von jugendlichen oder adoleszenten CED-Patienten vom vorigen an den nächstbehandelnden Arzt, ist mehr als ein Modewort. Es ist quasi eine Bringe- und Holepflicht für Kinder- und „Erwachsenen“-Gastroenterologen gleichermaßen. An einer effizienten (Langzeit-)Betreuung von Kindern mit CED und ihrer Fortsetzung ohne Qualitätsbrüche in der Erwachsenenwelt kann viel über die Qualität unseres Gesundheitssystems insgesamt abgelesen werden. Der Beitrag von Klaus Keller appelliert an alle gastroenterologisch tätigen Ärzte in Deutschland, diese wichtige ärztliche Aufgabe mittelfristig durch eine kollegiale Kooperation und – darauf basierend – durch Schaffung geeigneter Strukturen zu erfüllen.

Brauchen wir in Deutschland also Kindergastroenterologen? Lesen Sie selbst!

M. Radke

J.F. Riemann