Bei Erwachsenen mit orthostatischer Hypotonie (OH) zielt die Therapie üblicherweise auf die Prävention der Hypotonie im Stehen ab. Vernachlässigt wird dabei, dass es zum Beispiel Betroffene gibt, die im Liegen hyper-, nach dem Aufstehen aber hypoton sind. Bei ihnen sei das langfristige Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses besonders hoch, so ein US-Forschungsteam nach Auswertung der ARIC-Studie. Von einem pauschalen Anheben des Blutdrucks müsste man demnach abrücken.

Eine orthostatische Hypotonie (OH) kann in mehrfacher Hinsicht gefährlich werden, sie gilt nicht nur als Risikofaktor für Synkopen und Stürze, sondern auch für kardiovaskuläre Ereignisse. Therapeutische Strategien zielen in dieser Situation gegenwärtig vor allem auf die Anhebung und Stabilisierung des Blutdrucks, z.B. über das Zurückfahren einer antihypertensiven Therapie oder über die Gabe von Mineralokortikoiden oder Vasopressoren. Dieser pauschale Ansatz könnte jedoch für einige Betroffene gerade der falsche sein, wie eine aktuelle Auswertung der ARIC (Atherosclerosis Risk in Communities)-Studie nahelegt.

In der prospektiven Kohortenstudie wurden insgesamt 15.792 Teilnehmende mit ausgeschlossener neurogener OH, die zu Beginn zwischen 45 und 64 Jahre alt waren, über bis zu 30 Jahre nachbeobachtet, der primäre Fokus lag dabei auf der Entwicklung kardiovaskulärer Ereignisse. Den Zusammenhang zwischen einer bestehenden OH und kardiovaskulären Erkrankungen wie KHK, Schlaganfall und Herzinsuffizienz sowie Synkopen und Stürzen konnte man bereits bestätigen.

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Ein im Liegen gemessener Bluthochdruck war mit kardiovaskulären Ereignissen assoziiert.

Neue Erkenntnis

Jetzt komme allerdings eine Erkenntnis hinzu, die das bisherige Management der OH verändern könnte, so das Autorenteam um William Earle von der Harvard Medical School in Boston. In ihrer Auswertung mit insgesamt 12.489 Teilnehmenden der ARIC-Studie konnten sie zeigen, dass bei denjenigen, die im Liegen hypertensiv waren, die kardiovaskuläre Ereignisrate deutlich höher war als bei einer Hypotonie im Stehen, auch dann, wenn eine OH, also ein plötzlicher Blutdruckabfall unmittelbar nach dem Aufstehen um mindestens 20 mmHg systolisch bzw. 10 mmHg diastolisch, nachgewiesen war.

Earle und sein Team hatten bei allen Beteiligten den Blutdruck in zwei Serien gemessen, und zwar nach 20-minütigem Liegen sowie gleich nach dem Aufstehen, jeweils alle 20 bis 30 Sekunden über zwei Minuten. Bei der Mehrheit zeigte sich dabei keine OH (n = 11.943). Aus dieser Gruppe hatten 19% eine Hypertonie im Liegen und 21% eine Hypotonie im Stehen. Bei denjenigen mit OH (n = 546) lagen die jeweiligen Anteile deutlich höher, nämlich bei 58% bzw. 38%.

Hochdruck im Liegen riskant

Ein im Liegen gemessener Hochdruck (≥ 140 mmHg systolisch oder ≥ 90 mmHg diastolisch) war in der Gesamtgruppe signifikant mit folgenden Ereignissen im Beobachtungszeitraum assoziiert:

  • Herzinsuffizienz (+83%),

  • Tod jeglicher Ursache (+45%) und

  • Stürze (+12%).

Dagegen fand sich für niedrige Blutdruckwerte im Stehen (≤ 105 mmHg systolisch oder ≤ 65 mmHg diastolisch) nur eine einzige signifikante Assoziation, nämlich mit der Gesamtmortalität (+6%).

Bei Personen mit OH schienen bestimmte Konstellationen besonders riskant zu sein: So war die Hypertonie im Liegen bei Betroffenen, die bei längerem Stehen keine Hypotonie aufwiesen, ein starker Prädiktor für sowohl kardiovaskuläre als auch nicht kardiovaskuläre Ereignisse (inklusive Stürze). "Dieser Befund fordert die herkömmliche Sichtweise von der Hypoperfusion als Treiber von Endorganschäden bei Erwachsenen mit OH heraus", schreiben Earle und sein Team. Frühere Studien hätten nahegelegt, dass ein ausgeprägter Blutdruckabfall beim Aufstehen die Ursache für solche Endorganschäden sei. In der aktuellen Studie seien jedoch höhere - und eben nicht niedrige - systolische Blutdruckwerte im Stehen mit höheren Ereignisraten assoziiert gewesen. Ein niedriger Blutdruck im Liegen dagegen sei durchgehend mit geringeren Risikoraten verknüpft gewesen.

Schlechte Blutdruckkontrolle als Sturzursache?

Diese Befunde stünden im Gegensatz zu der vorherrschenden Meinung, dass die blutdrucksenkende Therapie Stürze begünstige. Es sei wohl vielmehr so, dass eine schlechtere Blutdruckkontrolle mit dem Auftreten einer OH und einem höheren Risiko für Sturzereignisse verbunden sei, wenngleich die genauen Mechanismen hierfür noch erforscht werden müssten.

Letztlich müsse man wohl bei Betroffenen mit OH zwischen den verschiedenen Phänotypen differenzieren und könne nicht alle therapeutisch über einen Kamm scheren.

Earle W et al. Association of Supine Hypertension Versus Standing Hypotension With Adverse Events Among Middle-Aged Adults. Hypertension 2023; https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.123.21215