Es häufen sich Hinweise, dass entzündliche Prozesse im Nervensystem bei kognitiven Post-COVID-Symptomen eine große Rolle spielen. Welche konkreten Prozesse dahinter stecken und was das Symptombild aufrechterhält, bleibt aber nach wie vor unklar.

Bereits zu Beginn der Pandemie beschäftigte sich das Team um Prof. Dr. Warnke, Universitätsklinik Köln, mit kognitiven Störungen nach einer SARS-CoV2-Infektion und konnte leichte Kognitionsdefizite messen, die unabhängig von psychiatrischen Komorbiditäten waren. Mehrere Studien bestätigten postvirale Gedächtnisstörungen [1] sowie die Abnahme von parahippocampalem Hirnvolumen [2] und vorübergehende, metabolische Veränderungen im Gehirn [3].

Auch diejenigen, die das Post-COVID-Konzept kritisierten, erklärt der Neurologe, dürften einräumen, dass eine schwere respiratorische Infektion das Nervensystem akut oder vorübergehend beeinträchtigen kann. Die entscheidende Frage sei, laut Warnke, was die Symptom- Persistenz aufrechthalte.

Keine persistierende ZNS-Infektion

Neuropathologische Autopsiebefunde von zuvor an COVID Erkrankten wiesen eher auf neurovaskuläre und endotheliale Schäden sowie neuroinflammatorische Prozesse und nicht auf eine direkte ZNS-Infektion hin, bezog sich Warnke auf eine Studie [4]. In dieser fanden sich Hinweise, dass die Schäden Antikörper-vermittelt seien und zu Thrombozytenaggregation, Mikrothromben und letztlich zu Gefäß- und neuronalen Schäden führten. Um die Gefäße herum fanden die Forschenden vorwiegend CD8+ T-Zellen und Makrophagen [4].

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Eine schwere respiratorische Infektion kann das Nervensystem akut oder vorübergehend beeinträchtigen.

Auch das Team um Warnke selbst fand im Liquor von Post-COVID-Erkrankten keine Viruspartikel, sondern gegen das Spike-Protein gerichtete Antikörper [5]. Plausibler sei aus Warnkes Sicht daher die starke Immunreaktion auf ein Neo- Antigen, die neuroendotheliale und neurovaskuläre Schäden begünstige.

Eine schwere Infektion, führte er weiter aus, könne über eine Zytokin- und Mikrogliaaktivierung zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Inwieweit das auch die Neurodegeneration bei demenziellen Erkrankungen anstoßen kann, solle weiter untersucht werden.

Das alles spreche letztlich gegen eine persistierende Infektion, schlussfolgerte Warnke und betonte, dass diese zeitliche Begrenzung eine gute Nachricht für das Gros betroffener Patientinnen und Patienten sei. Es bedeute nicht, dass es kognitive Post-COVID-Symptome nicht gebe, betonte Warnke, sondern dass eine Virus-Persistenz als Ursache unwahrscheinlich sei. Aber auch andere pandemiebezogene Erlebnisse wie Isolation und psychische (Co-)Faktoren sollten als Einflussfaktoren für kognitive Post-COVID Symptome berücksichtigt werden.

Vortrag Clemens Warnke: Pathophysiologie und Autoimmunität. Neurowoche 1.-5. November 2022, Berlin/digital, Symposium: Neurologische Aspekte des Post-COVID-19-Syndroms. Onlineversion www.dgnvirtualmeeting.org

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