Sport und gesunde Ernährung steigern die Lebenserwartung. Doch gilt dies auch für Patientinnen und Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen und Polypharmazie?

Viel zu selten wird bei älteren Menschen auf eine gesunde Lebensführung geachtet. Mediziner um Neil Kelly vom Weill Cornell Medical College, New York, fragten sich, ob Lebensstilfaktoren bei der Einnahme von vielen Medikamenten überhaupt noch einen Wert haben. Deshalb untersuchten sie in einer Gruppe von rund 20.000 Patientinnen und Patienten aus der Kohortenstudie REGARDS (Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke), ob es eine Assoziation zwischen einem gesunden Lebenswandel und der Mortalität abhängig von Mehrfachverordnungen gibt.

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Gesunde Ernährung und Sport haben auch bei Polypharmazie eine positive Wirkung auf die Mortalität.

Die Medikamenteneinnahme der Studienteilnehmer wurde unterteilt in "keine Polypharmazie" (Einnahme von bis zu vier Präparaten), "Polypharmazie" (fünf bis neun Präparate) und "Hyperpolypharmazie" (zehn und mehr Präparate). Vier Lebensstilfaktoren wurden mit aufgenommen: die Ernährung nach der Mittelmeer-Diät (mit niedriger, mittlerer oder hoher Adhärenz zur Diät), sportliche Aktivität (kein Sport, ein- bis drei- oder > viermal/Woche), Rauchen (aktueller, ehemaliger oder kein Raucher) und Fernsehkonsum (0 bis 2, 3 oder ≥ 4 Stunden täglich). Je nach Ausübung bzw. Vermeidung dieser Faktoren wurden die Probanden in verschiedene Gruppen mit einem gesunden bis ungesunden Lebensstil eingeteilt.

Wirkung auch bei multimorbiden Patienten

Patienten mit den gesündesten Lebensgewohnheiten in den Kategorien Mittelmeer-Diät, Sport und Rauchen hatten eine niedrigere Mortalität- egal wie viele Medikamente sie einnahmen. Beim Fernsehkonsum konnte kein Zusammenhang festgestellt werden. Bei der Mittelmeer-Diät hatten Probanden mit hoher Adhärenz ohne Polypharmazie eine um 23%, mit Polypharmazie eine um 22% und mit Hyperpolypharmazie immer noch eine um 15% geringere Mortalität als Probanden mit niedriger Adhärenz. Häufige sportliche Aktivität (> viermal/Woche) schlug in den drei Gruppen mit relativen Risikominderungen um 13%, 18% bzw. 21% zu Buche. Bei Nichtrauchern ergaben sich relative Reduktionen von 60%, 55% bzw. 48%, dies war damit die Kategorie, bei der die deutlichste Wirkung erzielt wurde. Kein Fernsehkonsum hatte dagegen weniger starken Einfluss (-12%, -14% und -5%).

Mit dem Rauchstopp beginnen

"Es ist hervorzuheben, dass selbst Menschen über 75 Jahre, die mehr als zehn Medikamente einnehmen, in puncto Mortalität signifikant von einem gesunden Lebensstil profitieren. Das macht die Notwendigkeit einer verbesserten Akzeptanz und einer breiteren Umsetzung einer gesunden Lebensweise bei Älteren deutlich", schreiben die Studienautoren. Sie fragen sich, ob dieser Aspekt im Umgang mit multimorbiden Patientinnen und Patienten einfach untergeht, da es wichtigere Dinge wie etwa das Medikationsmanagement zu besprechen gibt. Angesichts der zunehmenden Mehrfachverordnungen schon im jüngeren Alter sehen sie jedoch dringenden Handlungsbedarf.

In ihrer Untersuchung hatten Personen mit Hyperpolypharmazie und mit hohen Werten in den Lebensstil-Kategorien eine ähnliche Überlebenswahrscheinlichkeit wie Personen mit Polypharmazie mit mäßig gesunder Lebensweise oder Personen ohne Polypharmazie, die einen ungesunden Lebensstil pflegten. Das unterstreiche die Wichtigkeit, Patienten jeden Alters auf gesunde Lebensgewohnheiten aufmerksam zu machen - auch wenn schon mehrere chronische Erkrankungen vorliegen. Da Zeitmangel allgegenwärtig ist, schlagen die Autoren vor, zuerst mit einer Raucherentwöhnung bei den Patienten zu starten, weil die den größten Nutzen zeigte.

Kelly NA et al. Association of healthy lifestyle and all-cause mortality according to medication burden. J Am Geriatr Soc 2021; https://doi.org/10.1111/jgs.17521