Die Impfquoten gegen COVID-19 und Influenza sind in Deutschland zu niedrig. DGK-Präsident Prof. Stephan Baldus appelliert daher an die Bevölkerung, aber auch an Ärzte, sich mehr zu engagieren.

Deutschland ist in Sachen Impfquoten kein Vorreiter in Europa, weder bei der COVID- noch bei der Influenza-Impfung. Dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Prof. Stephan Baldus, Köln, bereitet das Sorgen: Deutschland liege bei der COVID-Erstimpfungsrate - Stand Ende September - gerade mal auf Platz 17 im europäischen Vergleich, um 20% schlechter als Portugal, berichtete der Kardiologe bei den DGK-Herztagen.

COVID-19-Impfung gerade für Herzpatienten wichtig

Der Direktor der Klinik III für Innere Medizin am Uniklinikum Köln ist auch deshalb so beunruhigt, weil eine niedrige Impfquote gerade für Herzpatienten ein Risiko darstellt. Zum einen haben Herzpatienten im Falle einer Infektion ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Zum anderen zeigen US-Daten, dass die Impfeffektivität bei Menschen mit chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen geringer ist.

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Herzpatienten haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Infektionsverlauf.

Wie Baldus bei den Herztagen berichtet, stellen Impfdurchbrüche in Deutschland durchaus ein Problem dar. Bis zum 24. September ist es bei insgesamt 53 Millionen vollständig Geimpften zu 47.752 wahrscheinlichen Impfdurchbrüchen gekommen, also bei 0,09%.

Laut Baldus ist dafür auch die geringe Impfquote verantwortlich. Menschen mit reduziertem Ansprechen auf die Impfung könnten nur durch eine hohe Impfquote in der Allgemeinbevölkerung geschützt werden, weil die Viruslast dann abnehme, so der Kardiologe.

Dabei sollte die Impfeffektivität eigentlich Überzeugung genug sein, sich impfen zu lassen, gerade für die 18- bis 59-Jährigen: Die Impfung schütze in dieser Altersgruppe zu circa 99% vor Tod und zu 97% vor einem schweren Verlauf mit Behandlung auf der Intensivstation, berichtete Baldus. Bei den über 60-Jährigen liege die Effektivität immerhin bei entsprechend 96% und 93%.

Impfassoziierte Myokarditiden sprechen nicht gegen die Impfung

Auch die im Zusammenhang mit der mRNA-Impfung aufgetretenen Myokarditiden stellen Baldus zufolge kein Argument gegen die Impfung dar. Zum einen handelt es sich um eine seltene Nebenwirkung. Zum anderen betonte Baldus, dass es auch in Folge einer SARS-CoV-2- Infektion zu einer Myokarditis kommen kann. Und solche Fälle seien weitaus häufiger, so der Kardiologe. Deshalb überwiegt Baldus zufolge der Nutzen der Impfung die damit verbundenen Risiken - und das gilt für alle Subgruppen, auch für Kinder, wie Daten aus Großbritannien deutlich machen: "Es gibt klare Hinweise dafür, dass die Wahrscheinlichkeit für eine impfassoziierte Myokarditis oder Perikarditis drei- bis fünffach geringer ist als die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Komplikation der Erkrankung selbst", führte Baldus aus.

Zwar gebe es Einzelfallberichte von schwereren Komplikationen, so Baldus, wobei es immer schwierig sei, den Beweis zu erbringen, dass wirklich die Impfung hierfür verantwortlich war. Die meisten bei Impfungen aufgetretenen Myokarditiden verlaufen jedoch selbstlimitierend.

"Wir müssen auch gegen Influenza impfen"

Baldus hat noch ein weiteres Anliegen: "Wir müssen auch gegen Influenza impfen", betonte der Kardiologe. Schon seit mehreren Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Grippeschutzimpfung für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Vor Kurzem hat die STIKO ihre Empfehlungen aktualisiert und erachtet es ab sofort für möglich, eine COVID- und Grippe-Impfung gleichzeitig zu verabreichen.

Die Studiendaten sprechen für sich: Das Sterberisiko von Herzinsuffizienzpatienten etwa lässt sich durch eine Influenza-Impfung hochsignifikant reduzieren. Doch auch hier besteht in Deutschland Nachholbedarf. So haben 2016 hierzulande nur 37,1% der Herzinsuffizienzpatienten eine Influenza-Impfung erhalten. Zum Vergleich: In den Niederlanden waren es 77,5%.

Baldus appelliert deshalb an die Kardiologen, gegen die Impfdemotivation in der Bevölkerung vorzugehen. Dass den Kardiologen dabei eine weitaus größere Rolle zuteilwerden könnte, macht die erst kürzlich beim ESC-Kongress vorgestellte IAMI-Studie deutlich: Demnach schützt eine bereits im Krankenhaus vorgenommene Influenza-Impfung Herzinfarktpatienten vor weiteren kardiovaskulären Komplikationen.