Auch die Halswirbelsäule kann ein Trigger für Migräneattacken sein. Manchen Kopfschmerz-Patienten kann deshalb eine Physiotherapie innerhalb eines Gesamttherapiekonzepts helfen.

Die International Headache Society unterscheidet über 200 Kopfschmerzarten. Die wenigsten davon lassen sich physiotherapeutisch beeinflussen. Einige allerdings schon - nämlich dann, wenn muskuloskelettale Funktionsstörungen vorliegen.

Darauf macht Benjamin Schäfer, Physiotherapeut an der Migräne- und Kopfschmerz-Klinik in Königstein im Taunus aufmerksam. Dies ist nicht nur bei Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp der Fall, sondern wird auch bei Migränepatienten beobachtet.

Viele Kopfschmerzpatienten sind davon überzeugt, dass die Muskulatur oder die Halswirbelsäule (HWS) Ursache oder Trigger ihrer Beschwerden sind. Klarheit dazu könne nur eine gründliche manualmedizinische Untersuchung schaffen, erklärt Schäfer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Myofasziale Triggerpunkte

"Insbesondere bei Patienten mit Nackenschmerzen auch außerhalb von Kopfschmerzattacken kann die HWS ein Trigger von Migräneattacken sein." Möglich sei aber auch, dass Nackenschmerzen ein Symptom der Migräne sind und daher nur unmittelbar vor oder während der Kopfschmerzattacke auftreten. Dies gilt es zunächst zu klären.

Neben dem Vorhandensein muskuloskelettaler Funktionsstörungen kann auch bei einem Vermeidungs- und Schonverhalten sowie bei einer Dekonditionierung eine physiotherapeutische Behandlung angezeigt sein.

Die Diagnose ist Voraussetzung für eine syndromspezifische Schulung der Patienten. Nach Angaben von Schäfer finden sich gerade bei chronischer Migräne (mindestens 15 Migräne-Kopfschmerztage pro Monat) oft begleitende Nackenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen und myofaszialen Triggerpunkten, an denen die typischen Kopfschmerzen reproduzierbar seien.

"In diesem Fall gehen wir davon aus, dass der Nacken gelegentlich, manchmal auch häufig ein Trigger von Migräneattacken sein kann", so der Physiotherapeut. In diesen Fällen sind unter Umständen Triggerpunktbehandlungen effektiv.

figure 1

© Sebastian Kaulitzki / Science Photo Library

Wenn muskuloskelettale Funktionsstörungen vorliegen, können die Kopfschmerzen physiotherapeutisch beeinflusst werden.

Manualtherapeutische Methoden

Wird zum Beispiel eine Hypomobilität der oberen HWS mit Schmerzausstrahlung in den Kopf festgestellt, kann mit manualtherapeutischen Methoden die Beweglichkeit verbessert werden. Zusätzlich werden die Patienten zu Eigenübungen angeleitet. Liegen umgekehrt Hinweise auf eine Hypermobilität oder auf eine Instabilität im Bereich der Halswirbelsäule vor, erfolgen eher kräftigende Übungen.

"Bei manchen Patienten leiten wir auch zur Eigenmassage der Kaumuskulatur an oder erstellen einen gemeinsamen Trainingsplan für Ausdauersport und einen Wochenplan", so Schäfer. Ausdauertraining, Bewegungsübungen und Entspannungstechniken sind anerkannte nichtmedikamentöse Behandlungsstrategien bei Kopfschmerzen.

Reduktion von zwei bis drei Migränetagen

Studien, in denen ein signifikanter Effekt von Physiotherapie im Vergleich zu einer Kontrolltherapie nachgewiesen worden ist, gibt es nur wenige. Kaum überraschend werden die besten Ergebnisse bei zervikogenen Kopfschmerzen erzielt. Schäfer verweist auf einen Review, wonach mit manueller Triggerpunkttherapie eine Reduktion von etwa zwei bis drei Migränetagen pro Monat erreicht werden kann.

Gesetzlich Versicherte bekommen allerdings keine Physiotherapie aufgrund von primären Kopfschmerzerkrankungen erstattet, sondern nur dann, wenn zusätzlich ein HWS-Syndrom oder eine Myoarthropathie des Kausystems (kraniomandibuläre Dysfunktion) vorliegt.

www.aerztezeitung.de