Die Gefahren der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) werden - unabhängig von Corona - immer noch unterschätzt. Dr. Jessica Rademacher von der MH Hannover gab Tipps, wie man das Risiko der Patienten mit einfachen Mitteln abschätzt und zeigte die wichtigsten Behandlungsstrategien für das ambulante Setting auf.

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Die klinische Einschätzung der Patienten ist am wichtigsten.

"Die Erfassung des Schweregrads einer ambulant erworbenen Pneumonie ist ein zentrales Element im Management der Erkrankung", sagte PD Dr. Jessica Rademacher, Hannover, auf dem Infektio-Update. Insbesondere gelte es zu entscheiden, welche Patienten ambulant bleiben können und welche einer stationären Einweisung bedürfen.

Die klinische Einschätzung des Patienten steht für die Expertin dabei "auf Platz 1". Um abzuschätzen, wie es um den Patienten steht, benötigt man nach Rademacher erst einmal keine Laborkriterien. Viel wichtiger seien Risikoscores wie der CRB-65. Dieser beruht auf leicht erfassbaren Parametern, nämlich

  • neu aufgetretene Bewusstseinsstörung,

  • Atemfrequenz (≥ 30/min),

  • Blutdruck (systolisch < 90/diastolisch ≤ 60 mmHg) und

  • Alter (≥ 65).

Für jedes erfüllte Kriterium wird ein Punkt vergeben. Vor allem die Atemfrequenz werde in der Praxis immer noch zu selten gemessen, mahnte die Pneumologin. Zusätzlich zum CRB-65 empfahl Rademacher, eine evtl. vorliegende Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 90%) sowie instabile Begleiterkrankungen zu erfassen.

CRB-65 erlaubt zuverlässige Risikostratifizierung

Dass der CRB-65 bei CAP-Patienten auch ohne Hinzunahme von Laborparametern eine zuverlässige Risikostratifizierung erlaubt, hat erst kürzlich eine Metaanalyse bestätigt [1]. In der Zusammenschau von zwölf Studien lag die Area Under the Curve (AUC) bei 0,74. Für die Niedrigrisikogruppe (CRB-65 = 0) betrug die Likelihood Ratio (LR) in Bezug auf die Mortalität 0,19, für die Hochrisikogruppe (CRB-65 > 2) 4,5. Bei einem Gesamtmortalitätsrisiko von 4% lag das Mortalitätsrisiko in der Niedrigrisikogruppe unter 0,5%. Somit sei der Score in der Lage, Patienten mit geringem Letalitätsrisiko, die sich für eine ambulante Therapie eignen, zu identifizieren.

Leichte Pneumonie: Womit behandeln?

Die häufigsten Erreger der CAP sind nach Rademacher S. pneumoniae und H. influenzae, gefolgt von Moraxella catarrhalis, Escherichia coli, Staph. aureus und atypischen Erregern.

Für die Behandlung der leichten Pneumonie empfiehlt die derzeit gültige Leitlinie [2] in erster Linie Amoxicillin, im Falle von Begleiterkrankungen zusätzlich Clavulansäure. "Bei Pneumokokken", so Rademacher, "bestehen für Amoxicillin nahezu keine Resistenzen". Bei den Alternativen, z. B. im Falle einer Penicillinallergie, werde es deutlich schwieriger. Fluorchinolone gelten zwar als gut wirksam gegen die Haupterreger der CAP. Allerdings habe im letzten Jahr ein Rote-Hand-Brief vor ihrem Einsatz bei bestimmten Patientengruppen (z.B. bei älteren Menschen oder bei eingeschränkter Nierenfunktion) gewarnt, da schwere Nebenwirkungen aufgetreten seien.

"Der Rote-Hand-Brief sagt aber nicht, dass man bei einer Pneumonie kein Fluorchinolon einsetzen darf", betonte die Expertin. Man müsse dem Patienten "nur erklären, warum es nicht die erste Wahl ist".

Infektio Update, 4./5. September 2020, online; 1. Ebell MH et al. J Gen Intern Med 2019; 34(7): 1304-1313; 2. AWMF-Leitlinie "Ambulant erworbene Pneumonie", https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-020.html