Ab Dezember 2019 ist ein selektiv im Kolon wirkendes Antibiotikum gegen Reisediarrhoe in Deutschland verfugbar. Es handelt sich um den Wirkstoff Rifamycin SV (Relafalk®), der selektiv im terminalen Ileum und Kolon freigesetzt wird. Die Kolon-spezifische Multi-Matrix-Technologie (MMX®) sorgt fur eine verzogerte sowie pH-gesteuerte Freisetzung ab einem pH-Wert ≥7,0. Rifamycin SV ist ein Breitband-Antibiotikum und gegen alle typischen bakteriellen Erreger, die Reisediarrhoe verursachen, wirksam. Es wird zu weniger als 1% resorbiert. Kreuzresistenzen zu anderen Antibiotikaklassen sind nicht bekannt.

Zugelassen zur Behandlung bei typischen Symptomen

Zugelassen ist das Antibiotikum für Erwachsene zur Behandlung typischer Reisediarrhoe-Symptome wie imperativer Stuhldrang, rektale Tenesmen, Übelkeit, Erbrechen sowie abdominale Schmerzen. Dazu wird es in einer Dosis von zweimal täglich 2 Tabletten à 200 mg (800 mg/Tag) über drei Tage eingenommen. Nicht angezeigt ist es aufgrund des spezifischen Wirkmechanismus bei Zeichen einer invasiven Dysenterie mit blutigen Stühlen und hohem Fieber.

Der Reisemediziner Prof. Robert Steffen aus Zürich wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Fluorchinolone wie Ciprofloxacin wegen verbreiteter Resistenzen nicht mehr zur Therapie der Reisediarrhoe empfehlenswert sind. Hinzu komme das ungünstige Nebenwirkungsprofil von Fluorchinolonen, das zu Warnungen der Zulassungsbehörden geführt hat.

In zwei großen Studien geprüft

Die Wirkung von Rifamycin SV bei Reisediarrhoe war in zwei großen Studien geprüft worden. Bei 264 Reisenden in Mexiko oder Guatemala war die Zeit vom Therapiebeginn bis zum letzten ungeformten Stuhlabgang gegenüber Placebo signifikant verkürzt (46 versus 68 Stunden). Die Rate unerwünschter Wirkungen war in beiden Gruppen gleich — abgesehen von vermehrten Stuhlabgängen in der Placebo-Gruppe [1]. „In einer zweiten in Indien und Lateinamerika durchgeführten Studie hat sich Rifamycin SV im Vergleich zum damals als Goldstandard geltenden Ciprofloxacin bei 835 erwachsenen Reisediarrhoe-Patienten als nicht unterlegen erwiesen“, erklärte Steffen. Die Quote von ESBL-PE (Extendedspectrum beta-lactamase-producing Enterobacteriaceae) stieg bei den mit Ciprofloxacin behandelten Patienten signifikant von 14,2% vor der Therapie auf 21,1% danach an, während sie sich in der Rifamycin-Gruppe nicht wesentlich veränderte (16% versus 15,8%). Auch neue ESBL-PE-Kolonisationen bei zuvor negativen Patienten traten unter Ciprofloxacin signifikant häufiger auf [2].

„Reisediarrhoen sind häufig“, sagte Prof. Tomas Jelinek vom Centrum für Reiseund Tropenmedizin in Berlin. So müsse in Nordafrika bei bis zu 64% der Reisenden, in Süd- und Ostasien bei bis zu 57% und auf dem indischen Subkontinent bei bis zu 82% der Reisenden mit Durchfallerkrankungen gerechnet werden. Das Prinzip „Koch es, schäl es oder vergiss es“ funktioniere nicht und passe oft nicht zum gewünschten Reiseerlebnis, so Jelinek.

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Vor allem auf Fernreisen sind Reisediarrhoen ein häufiges Phänomen.

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Nordafrika bei bis zu 64% der Reisenden, in Süd- und Ostasien bei bis zu 57% und auf dem indischen Subkontinent bei bis zu 82% der Reisenden mit Durchfallerkrankungen gerechnet werden. Das Prinzip „Koch es, schäl es oder vergiss es“ funktioniere nicht und passe oft nicht zum gewünschten Reiseerlebnis, so Jelinek.

Absolut indiziert bei schwerer Reisediarrhoe

Die International Society of Travel Medicine (ISTM) empfiehlt, dass ab mittelschweren Reisediarrhoen mit quälenden Symptomen Antibiotika genommen werden können. Bei schwerer Reisediarrhoe sind sie absolut indiziert [3]. Bei schwerer nicht-invasiver Diarrhoe kann laut Steffen dann Rifaximin oder Rifamycin SV eingesetzt werden, bei invasiver Reisediarrhoe ist Azithromycin das Mittel der ersten Wahl.